HomeDie Horen1796 - Stück 6II. Pulver-Verschwörung in England im Jahre 1605, dem dritten der Regierung Jakobs I. [W. F. H. Reinwald]

II. Pulver-Verschwörung in England im Jahre 1605, dem dritten der Regierung Jakobs I. [W. F. H. Reinwald]

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Über den schrecklichen, verheerenden Ausbrüchen des Factionsgeistes, davon uns jedes Blatt der neusten Geschichte Beyspiele darstellt, weilte ich oft mit trauriger Betrachtung. Waren sie stets nur die Folgen der gewöhnlichen heftigen Leidenschaften der animalischen Natur: des Eigennutzes, der Herrschsucht, der gerächten Unterdrückung –? Nein; auch eine gewisse furchtbare Art Wohlwollens der bessern – oder aus Schwäche des Verstandes sich besser dünkenden – Menschen trat mit jenen Leidenschaften in Bund: die Begierde, die Welt glücklicher zu machen. Dieser Geist des unbesonnenen Wohlwollens konnte sich zwar die Schrecknisse nicht verhehlen, die er schuf; aber er erlaubte sich Böses zu wirken, damit Gutes herauskomme. Er wähnte sogar die Gottheit nachzuahmen, die durch Stürme, Donner und Erdbeben Fruchtbarkeit herbeyführt. Aber was ist böse? was ist gut? Wie verhält sich das jetzige Böse gegen das künftige Gute? Ist jenes so klein, so vorübergehend, und dieses so groß, so andauernd, daß die Menschheit sich nicht beklagen darf, wenn sie jenes duldet, daß sie es als eine Arzney hinnehmen muß, wovon ihr gewiss besser werden wird? – Alle diese Fragen mit Unfehlbarkeit zu beantworten, setzt ein gränzenloses Vernunftvermögen voraus. Wir kennen eine mächtige, unbiegsame, und auf ihre Herrschaft eifersüchtige Religionsparthey, die den Satz sich nicht nehmen läßt: religiöse Wahrheit und ewige Glückseligkeit sey nur bey ihr: Wohlthun sey’s, auch mit Geisterzwang, ihre Zahl zu vermehren; eine überirdische, mit ihr völlig einverstandene Macht werde gewiss jenen Zwang in Überzeugung auflösen, oder diese wenigstens der künftigen Generation des mit Gewalt angeworbenen ins Blut giessen. – Ihr ist Unduldsamkeit gegen anders denkende Gottesverehrer Tugendeifer; ein Irrthum, dessen Ansteckung nur wenige ihrer Edlen verschont, und den zu bekämpfen noch wenigere wagen. Wenn sich nun diese religiöse Parthey noch an eine politische anschließt, und in Glut geräth; wenn diese Glut mehrere brennbare Stoffe aus der moralischen Welt mit aufnimmt, und so hoch stiegt, daß der in seinem Sinn auserwählte Haufe die unheilige Rotte mit Gewalt vertilgen will: dann entstehen Vorsätze, wie die, die einst die englische Pulver-Verschwörung entspannen, deren Erzählung ich hier ganz einfach, doch aus einer ächten Quelle, liefere.

England war ruhig, und schien weder von aussen, noch in seinem Busen Feinde zu haben. Das Volk liebte den König. Aber eine Parthey unter den Katholiken, die nicht blos gelinde beherrscht seyn, sondern selbst herrschen, nicht blos katholisch, sondern auch päbstlich seyn wollte, nährte verderbliche Anschläge. Sie hatte schon verschiedentlich unter Elisabeth solche auszuführen versucht. Anfangs machte Spanien mit ihr gemeine Sache, und viele schreckliche die Menschheit erniedrigende Entwürfe wider die Protestanten und die Regierung in England reiften dort. Aber im Jahre 1604 ward zwischen beyden Reichen Friede, und die Kabale war sich selbst überlassen: sie brütete Verschworungen. – Eine der schauderhaftesten in der Geschichte überhaupt, und besonders in der Englischen, war die von ihr ausgedachte Pulver-Verschwörung, die bey anderthalb Jahre im Finstern schlich, und blos durch den Umstand, daß ein Verschworner seinen alten Freund retten wollte, wunderbar entdeckt wurde.

Zehn Tage vor der bestimmten Parlaments-Versammlung empfing ein angesehener Katholik Lord Mounteagle folgenden anonymen Brief, den sein Bedienter von einem fremden Menschen auf der Strasse erhalten hatte: „Mylord! Die Verbindung, in der ich mit einigen Ihrer Freunde stehe, macht mich auch für Ihre Erhaltung besorgt. Ist Ihnen Ihr Leben lieb; so rathe ich Ihnen ein Vorwand zu erdenken, aus der nächstkünftigen Parlamentssitzung wegzubleiben. Gott und Menschen haben sich vereinigt, die vor unsern Augen herrschende Greuel zu bestrafen. – Achten Sie meine Warnung nicht gering: reisen Sie aufs Land, und warten den Ausgang dieser Begebenheit ab. So wenig man auch eine Bewegung ahnet, so gewiss drohet dem bevorstehenden Parlament ein schrecklicher Schlag von unsichtbarer Hand. Verschmähen Sie also meinen wohlgemeinten Rath nicht, dessen Befolgung Ihnen nützen wird, und nie schaden kann! Denn so bald, wie dieser Brief verbrannt ist, wird die Gefahr vorbey seyn. Gott gebe, daß Sie ihn zu Ihrem Heil nützen, und nehme Sie in seinen mächtigen Schutz!“ Der Lord, äusserst befremdet, wußte nicht, ob er diesen Brief für bedeutend, oder für Folge eines boshaften Muthwillens, oder List eines Gegners halten sollte, der um irgend einer geheimen Ursache willen ihn von Besuchung des Parlaments abhalten wolle; doch schien es ihm Pflicht, ihn höhern Orts vorzuzeigen. Er begab sich daher noch denselben Abend mit dem Briefe zum Staatssekretär Graf Salisbury. Dieser schien anfangs nicht sonderlich drauf zu achten, erinnerte sich aber doch der im Geheimenrath vorgekommenen Dinge von einer Kabale der Katholiken, die in und ausser dem Reiche sich regten, und, nach sichern Nachrichten, vorgehabt hätten, eine sehr dringende und bedenkliche Bittschrift im nächsten Parlament zu überreichen, die zugleich flehen und drohen sollte. Er billigte daher Lord Mounteagles patriotische Vorsicht; und nachdem er mit dem Oberkammerherrn Grafen Suffolk und den Ministern geredet hatte, wurde bestimmt, ehe man etwas verfügte, dem Könige, der eben auf dem Lande war, aber bald zurück erwartet wurde, den Brief vorzulegen; zumahl da man schon von dessen Geschicklichkeit, dunkle und geheimnißvolle Stellen zu erklären, auffallende Beyspiele hatte; auch könnte, hieß es, ein kurzer Verzug, bey strenger Verschwiegenheit, nicht schaden; er würde vielmehr die Unternehmung, wenn sie wirklich existirte, reifer werden lassen, so daß man die Verbrecher über den Anstalten ergreifen, und ihres Attentats überführen könnte. Dem Könige schien dieser Brief keine blosse Näckerey, vielmehr voll tiefen Sinnes; obgleich Graf Salisbury, entweder im Ernst, oder verstellt, ihn für Tand erklärte, und sogar den Menschensinn des Verfassers in Zweifel ziehen wollte. Aber der König fand den Ausdruck schrecklicher Schlag von unsichtbarer Hand – zu bedeutend und der Gedanke von einer Pulvermine, fuhr ihm wie ein Blitz durch die Seele. Nach einigen Debatten wurde daher beschlossen, Sonntags, den Tag vor der Versammlung des Parlaments in möglichster Stille alle Gewölber unter dem Parlamentshause zu durchsuchen, wozu der Graf Suffolk den Auftrag erhielt. Als nun dieser, vom Lord Mounteagle und dem Aufseher der königlichen Garderobe, Chinard, begleitet, die Besichtigung vornahm, fand sich vor der Hand blos ein grosser Haufen Holz und Steinkohlen. Suffolk fragte daher Chinard, unter dessen Aufsicht diese Behälter gehörten, was ihre Bestimmung sey, und es hieß: sie wären jetzt nebst einigen daranstossenden Kellern an Thomas Percy vermiethet, dessen Eigenthum auch das Holz und die Kohlen wären. Der Graf sah sich, wiewohl mit scheinbar nachlässigem Blicke, noch einmal scharf um, und da fiel ihm in einer Ecke ein Mensch mit höchstverwegner Miene auf, dem dieser Besuch lästig zu seyn schien, und der sich Fawkes, Haußhofmeister in Diensten Sir Thomas Percy, nannte. Der Oberkammerherr meldete dem Könige, was man gesehen hatte; wobey er noch hinzusetzte, daß Lord Mounteagle, sobald er gehört, daß ein Mann, von solchen Grundsätzen, wie Percy, das Haus gemiethet habe, erschrocken sey, und nichts Gutes ahne. Mounteagle habe auch einige Vermuthung, daß, da dieser Percy ehedem sein warmer Freund gewesen, der anonyme Brief wohl von ihm herrühre. Endlich begreife er nicht, sagte der Graf, was dieser grosse Vorrath von Holz und Kohlen dem Percy nütze, der sich so wenig in dem gemietheten Hause aufhalte; – und am allerverdächtigsten habe ihm der Mensch, der sich für seinen Haußhofmeister ausgäbe, geschienen, und der ein fürchterlich-freches Ansehen habe.

Auf diesen Bericht sah sich der König nur allzu sehr in seinem Verdachte bestärkt, und drang darauf, die Holz- und Kohlenhaufen bis auf den Grund zu visitiren: weil gar wohl Pulver darunter verborgen seyn könne; auch dürfe kein Winkel im ganzen Hauße ununtersucht gelaßen werden. Denn wer würde, sagte er, mit ruhiger Seele den Parlamentssaal betreten können, wenn eine solche Untersuchung nur obenhin geschehen sey?

Um behutsamer zu verfahren, da einige Minister zweifeln wollten, ob man auch durch einen dergleichen Brief berechtigt genug zu dieser Haußsuchung sey, sollte Chinard den Vorwand brauchen, man vermiße einige königliche Tapeten und andres Geräthe von Werthe, das vielleicht daherum in einem Winkel stecken könnte. Der königliche Kammerherr und Friedensrichter Cnevet übernahm diese nochmalige Durchsuchung, und betrat mit einem hinlänglichem Gefolge den Eingang des verdächtigen Haußes nach Mitternacht, am Morgen des nehmlichen Tages, da das Parlament zusammen kommen sollte. Er fand, trotz dieser ungewöhnlichen Zeit, den schon gedachten Fawkes angekleidet und reisefertig an der Thüre, der sogleich ergriffen wurde. Man räumte die Steinkohlen und das Reißholz weg und entdeckte sieben und dreißig große und kleine Pulverfäßer darunter. Fawkes hatte Lunten und Feuerzeug in den Taschen. Man preßte durch Drohungen das Geständniß seines Vorhabens von ihm aus; und er war so dreist, noch überdem frey zu gestehen, daß, wenn die Abgeordneten ein wenig eher gekommen wären, wo er in Vollendung seiner Arbeit begriffen gewesen, oder ihm bey ihrer Erscheinung die mindeste Zeit gelassen; so hätte er die Mine angezündet um seinen Tod durch den ihrigen zu versüssen.

Nachdem man ihn in Verwahrung gebracht, weckte Cnevet einige Minister, die im Pallaste geschlafen hatten, und drauf früh um 4 Uhr den König. Bald wurden noch mehrere Mitglieder des Conseils aus der Stadt gehohlt und Fawkes verhört; der eine beyspiellose Unerschrockenheit zeigte, und den weder das Bewußtseyn seiner That, noch das Feyerliche des Orts und der Versammlung vor der er stand, noch die Geschwindigkeit und Menge der an ihn gethanen Fragen bestürzte; ja der noch frevelte und höhnte, wenn entweder widersprechende Fragen an ihn geschahen, oder unberufene Personen ins Verhör sich einmengten. Er läugnete sein abscheuliches Vorhaben nicht im geringsten; nahm aber alles auf sich und man konnte den ersten Tag weder von seinen Mitverschwornen noch den Umständen der Verschwörung etwas aus ihm bringen. Er behauptete, sein Gewißen allein und der Eifer für die katholische Religion hätten ihn zu dieser Unternehmung getrieben. Den König erkenne er nicht für seinen Herrn, noch für einen Gesalbten Gottes, da er ein Ketzer sey; er selbst aber heiße Joh. Johnson und stehe in Sir Thomas Percys Diensten. Statt irgend einer Reue war blos Erbitterung über sein fehlgeschlagenes Unternehmen das Gefühl, das dieser Elende zu erkennen gab. Den andern Morgen wurde er in den Towr gebracht, und in Zeit von drey Tagen; nachdem man ihm mit der Folter gedroht hatte, und da weder ächte Stärke der Seele, noch Gesellschaft die mit ihm sympathisirte, noch Hofnung auf das Glük seiner Mitverschwornen, ihn unterstützte; verlohr sich allmählich sein Starrsinn, und er bekannte zuerst einige Umstände und dann den ganzen Plan der Verschwörung mit folgenden Worten:

„Ich bekenne, daß ich an einer Verschwörung wider den König und die Regierung Theil habe, deren Urheber ich nicht selbst bin. Ohngefähr um Ostern vorigen Jahres besprach sich deshalb mit mir in den Niederlanden, die unter Erzherzog Albrechts Pflege stehen, Thomas Winter, mit welchem ich auch zu dem Ende hieher nach England gieng; in unserm Bunde waren noch dreye: Robert Catesby, Thomas Percy und Johann Wright. Diese berathschlagten sich zusammen wegen Ausführung unsers Vorhabens.

„Catesby legte vorerst den Eid der Verschwiegenheit ab, und ließ ihn auch seine Mitbrüder schwören. Sein Anschlag war, unter das Oberhaus eine Mine zu legen: denn wir hielten für billig, den nähmlichen Ort zum Schauplatz unsrer Rache zu wählen, wo die katholische Religion widerrechtlich unterdrückt worden war.

„Da wir nun hierinnen übereinstimmten; miethete Percy ein Hauß neben dem Oberhauße, und wir begannen da gegen den 11ten December 1604 eine Mine zu graben. Wir fünf waren es, die zuerst hinein giengen, nämlich Thomas Percy, Robert Catesby, Thomas Winter, Johann Wright und ich. Bald darauf nahmen wir noch einen dazu, Christoph Wright, der gleichfalls auf die Verheimlichung schwören, und wie wir, auf den Eid das heilige Sakrament nehmen mußte. Als wir auf den Grund des Gebäudes kamen, der 12 Fuß tief war, und eine allzuschwere Arbeit vor uns sahen, nahmen wir auch Robert Winter, unter der nähmlichen eidlichen Verpflichtung, dazu.

„Gegen das Weihnachtsfest gruben wir bis an die Mauer des Oberhaußes und um Lichtmesse war sie halb durchgraben. Wenn die andern arbeiteten, stand ich am Eingange Schildwache um anzeigen zu können, wenn ein Fremder sich näherte. Sie hielten dann inne, bis jener sich entfernt hatte. Wir blieben alle sieben dort über Nacht, mit Schießgewehr, Kugeln und Pulver hinlänglich versehen, und waren fest entschlossen, lieber zu sterben, als zu weichen, oder uns gefangen zu geben. Da sie die Wand durchgruben, hörten wir ein Krachen von Steinkohlen aus dem nahen Keller. Wir fürchteten, daß dieß Getöse unsre Arbeit verrathen möchte. Ich wurde daher in den Keller geschickt; und da ich erfuhr, daß die Kohlen verkauft werden sollten, und man ihn miethen könnte, ergriff Percy diese erwünschte Gelegenheit und miethete ihn auf ein Jahr. Wir hatten schon vorhin 20 Pulverfässer beygeschafft, die wir mit Holz und Kohlen bedeckten. Gegen Ostern zerstreuten wir uns, weil das Parlament bis auf den Oktober verschoben war. Percy, der den Schlüssel zum Gewölbe hatte, schaffte indeß noch mehr Pulver und Holz hinein. Zu Anfang des Septembers kam ich nach England zurück, nahm den Schlüssel zu mir und vermehrte den Pulver-Vorrath und das Holz womit die Fässer bedeckt wurden, dann reiste ich bis zum 30sten Oktober aufs Land.

„Ferner beschlossen wir unter uns, daß an dem Tage, wo die That ausgeführt würde, einige von unsern Mitverschwornen die älteste Prinzeßin Elisabeth, die bey Lord Harington in der Grafschaft Warwick sich aufhielt, gefangen nehmen, und sie zur Königin ausrufen sollten, wozu vorher ein Edikt ausgefertigt, und darinn von Religionsveränderung nichts erwähnt werden sollte. Wir wollten auch nicht für die Urheber der That angesehen seyn, bis unsre Parthey gehörig verstärkt wäre. Von Gefangennehmung des Prinzen Karls, des Königs jüngern Sohns, wurde zwar vieles berathschlagt: da wir aber dazu kein Mittel ausfindig machen konnten, und er zu nah bey London war, wo wir nicht genug Beystand hoffen konnten; so beschlossen wir, mittelst der Prinzessin Elisabeth uns so gut zu helfen, als wir konnten.“

Ohngefähr 14 Tage nach Fawkes Verhaftung wurde der in vorhergehender Aussage erwähnte Thomas Winter gefangen eingebracht. Seine Fassung war derjenigen von Fawkes ganz entgegen gesetzt: denn der harte Kampf, die Niederlage der Verschwornen, die wir bald hören werden, hatte ihn mürbe gemacht. Er gestund gleich, daß er Böses gethan, und nicht nur an der Regierung, sondern auch an Gott sich versündigt; der durch die Wege seiner Vorsehung ihm und seiner Rotte deutlich gezeiget habe, daß ihr Vorhaben ihm ein Greuel gewesen sey. Winters Aussage war sehr umständlich: doch wir wollen nur deren Beschluß anführen, um den Verfolg der Geschichte daraus zu nehmen. „Zwei Tage hernach, den Sonntag Abend kam jemand in mein Schlafzimmer und meldete, man habe dem Lord Mounteagle einen Brief gebracht, des Innhalts, er möchte mit guter Art vermeiden, ins Parlament zu gehen, weil der Versammlung eine grosse Gefahr drohe. Dieser Brief sey dem Grafen von Salisbury überliefert worden. Tages darauf begab ich mich in den Gasthof zu Enfield und erzählte dieß dem Catesby, – nun sey alles offenbar, und ihm kein andrer Weg übrig, als aus England zu fliehen. – Catesby aber antwortete, er verzweifele noch nicht ganz, und beschloß, den Fawkes abzuschicken, der das Äußerste versuchen sollte. Donnerstags gieng ich nach London und Freytags Catesby. Tresham kam zu uns, und dann entstand ein lebhafter Streit, woher wohl jener Brief an Lord Mounteagle gekommen seyn möchte; aber niemand wußte das Räthsel zu lösen. Tresham der einzige unter uns, auf den wir einigen Verdacht hatten, schwur hoch und theuer, daß er an dem Briefe unschuldig sey. Sonnabend Abends kam ich mit Tresham in der Gallerie des Kollegiums zu Lincoln zusammen. Da erwähnte er einiger Reden des Grafen Salisbury die sich auf jenen Brief bezogen, so daß ich abermahls muthlos wurde und dem Catesby meldete, was ich gehört hatte. Nun schien es ihm Zeit, sich in der Stille zu entfernen; doch erwartete er erst den Percy und dessen Genehmigung. Dieser aber, mit dem wir Sonntags uns beredeten, war entschlossen, das Äusserste zu wagen und dem letzten Schlage des Verhängnisses die Stirne zu bieten. – Inzwischen hatte der Argwohn eines schlimmen Ausgangs unsern Plan völlig zerrüttet. Catesby reiste Montags aufs Land, wo er mit Percy zusammentreffen wollte.

„Dienstags früh um 5 Uhr kam der jüngere Wright zu mir in mein Kabinet, brachte die Nachricht, ein Edelmann habe den Lord Mounteagle aufgeweckt und gesagt: kommen Sie mit mir ins Eßexische Haus, wir wollen auch den Graf Northumberland wecken! Es sey alles entdeckt, sagte Wright. Geh hurtig, sagte ich zu ihm, und forsche an der Thür des Hauses, ob du etwas erfahren kannst! Er kam sehr bald zurück und sagte: mit uns ists aus! Lepton schwang sich vor der Thür aufs Pferd, und indem er ihm die Spornen geben wollte, fragte er die Herren schnell noch einmahl, ob sie nichts weiter befohlen. Nein, riefen sie, und so galoppierte er den Weg längst der Themse dahin.

„Ich sagte drauf: reite flugs zum Percy, denn ohne Zweifel sucht man ihn auf; ich will unterdeß hier das weitere auskundschaften. Ich gieng nach dem königlichen Pallast, und die Wache ließ mich nicht ein. Drauf wandte ich mich nach dem Parlamentshause; auch da war Hofwache: und hier hört’ ich jemand sagen: Es sey eine Verschwörung entdeckt worden; den König und das Parlament mit Pulver in die Luft zu sprengen. Jetzt taumelte ich in Eile nach meiner Wohnung, setzte ich auf mein Pferd, und sprengte zum Thore hinaus. Catesby hatte eine Zusammenkunft in Dunchurch angesagt; ich konnte aber nicht eher dahin kommen, bis ich meinen Bruder gesprochen hatte, welches am Mittwoch Abends geschah.

„Am Donnerstage in Lord Windsors Hause ergriffen wir die Waffen, bey Stephan Littleton blieben wir über Nacht. Tages drauf erfuhren wir, unsere Leute wären durch ein besonderes Unglück zerstreut worden. Catesby, Rockwood, Grant hätten sich mit Pulver sehr beschädigt, die übrigen wären entflohen. Littleton rieth mir die Flucht und wollte mich begleiten. Ich schlug es ab, und erreichte die Unsrigen. Catesby, Percy, die beyden Wrights und Grant befanden sich leidlich. Ich fragte sie, was ihr Entschluß sey? Zu sterben antworteten sie. Ich erklärte ihnen, daß ich bereit wäre, jedes Schicksal mit ihnen zu theilen. Um eilf Uhr umringte ein Haufe das Haus wo wir waren. Ich gieng oben im Hofe herum, als eine bleierne Kugel durch meine Schultern fuhr und mir den rechten Arm lähmte. Die zweyte Kugel erlegte den ältern Wright, die dritte den jüngern, die vierte Rockwood. Ich stand in der Thüre zu der man eben eindringen wollte. Da rief Catesby mir zu: Bleibe Bruder Thomas vereint müssen wir sterben! Ich antwortete, der rechte Arm sey mir gelähmt und ich fürchtete gefangen zu werden. Wir stunden dicht an einander gedrängt Catesby, Percy, und ich. Beyde fielen, dünkt mich, von einer Kugel. Mich umringte man, ich ward überwältigt, denn ich hatte schlimme Wunden und war schwach. Ich ward von hintenzu ergriffen und fortgeschleppt.“ –

Und nun die Folge der Geschichte aus Thomas Winters eignem Munde, die wir nur noch durch einige Umstände aus Acten und andern zuverlässigen Nachrichten ergänzen wollen.

Als die Pulvermine entdeckt, und kein Zweifel mehr war, daß Thomas Percy einer der Hauptverschwörer sey; und dann nachher, als Fawkes im Towr die sämmtlichen Hauptanführer der Verschwörung genannt hatte; wurde sie öffentlich bekannt gemacht und den Sherifs anbefohlen, die Verbrecher lebendig einzuliefern. Die Entfernung aber nach der Gegend, wohin sie geflohen, die bey 100 englische Meilen betrug, die schlimmen Wege und kurzen Tage verhinderten die zeitige Ankunft der königlichen Proclamationen. Ehe man noch die Schuldigen als Verschwörer kannte, und da man sie nur für Rebellen hielt, am dritten Tage nach ihrer Flucht, waren sie schon vertilgt. Sie hatten sich nach Warwikshire gezogen, wo ihr Mitglied, der Ritter Digby, im festen Vertrauen, daß die Verschwörung geglückt sey, mit einem Trupp die Waffen ergriffen hatte, um sich der Prinzessin Elisabeth zu bemächtigen, die deshalb nach Coventry geflüchtet war; und die Sherifs hatten das Landvolk aller Dörfer wider die Rebellen aufgeboten, die trotz ihren stolzen Hoffnung auf einen grossen Anhang ihrer Glaubensbrüder, und ohngeachtet ihrer deshalb gethanen Streifereien, sich mit ihrem ganzen Gefolge nicht viel über achtzig Personen beliefen. Wie konnten sie auch auf einen grossen Anhang rechnen, da sie sich durch verschiedene Gewaltthätigkeiten bey dem Volke so verhaßt gemacht hatten, daß niemand ihnen einen Trunk Wasser reichte! Ihr kleiner Haufe wurde bald in die Enge getrieben und zur Verzweiflung gebracht. Sie beichteten und absolvirten einander und ihr letzter Trost war noch der Gedanke, ihr Leben dem Feinde so theuer als möglich zu verkaufen. Aber auch der war Täuschung. Ihr Pulver, das die Nässe der Witterung gelitten hatte, und am Kamin getrocknet wurde, fieng Feuer, und verwundete sie so stark, daß ihnen nur wenige Kräfte zum Kampf der Verzweiflung übrig blieben.

Richard Walsh, Viscount von Worchestershire, ließ sie zu Holbech umringen. Ihr Muth fiel, und ein betäubendes Schrecken bemächtigte sich ihrer dergestalt, daß einige darunter sich schon für Verbrecher erkannten und Gott auf den Knieen um Vergebung baten.

Daher auch Winters gänzliche Muthlosigkeit und williges Geständnis; und die Hauptanführer wurden, wie wir in diesem letztern gehört haben, getödet. Nach diesem wurde auch Grant, Digby, Rockwood, Bates und bald darauf Tresham, Robert Winter, Littleton und andere Mitschuldige gefangen, verhört und achte von ihnen hingerichtet; nachdem der König in seiner ersten Rede ans Parlament nach entdeckter Verschwörung, am 9ten November, um die Verbitterung der Partheyen zu verhindern, die Katholiken des Königreichs überhaupt bey diesem Komplott entschuldigt, und ihn blos der unseligen Verblendung des schlechten Theils beygemessen hatte.

Der Umstand, den uns die Geschichte versichert, daß weder eine verzweifelte Lage, noch Sittenlosigkeit oder ein ausschweifendes Leben, die Häupter der Verschwörung zu diesem Unternehmen vorbereitet habe: daß ihre Aufführung vorher stets untadelhaft gewesen: daß Catesby durch sein Betragen sich ausgezeichnete Hochachtung erworben, und unbedingtes Zutrauen zu seinem Verstande den Rockwood und Digby mit in den Bund gezogen: daß diese frey gestanden, sie würden ohne Bedenken ihr Leben auf sein Wort gewagt haben: daß Digby so geliebt und geehrt gewesen, als Jemand im Königreiche: daß Percy aus dem grossen Hause Northumberland, pensionirter Nobelgardist und ein grosser Schuldner des Königs war – alle diese Thatsachen leiten uns auf die Spur eines blinden religiösen Fanatismus, der kaum von selbst in Laien entstehen, oder doch ohne stärkere Anfachung nicht so übermächtig werden konnte, um alles Gefühl, nicht nur der Bürgerpflicht, sondern auch der Menschheit zu ersticken.

Die nächsten Begebenheiten Englands vor dieser erheben schon unsern Verdacht wegen der Einhaucher dieses Fanatismus bis zur höchsten Wahrscheinlichkeit. Wer hatte mehrmal im Nahmen Gottes und des römischen Bischoffs das englische Volk gegen seine Regenten empört? Und wurden nicht ein Jahr vor dem Ausbruche dieser Verschwörung die Jesuiten aus England vertrieben, ein Orden, der so selten Gelegenheit zur Rache versäumte, daß er sie vielmehr schuf? Auch der Friede mit Spanien kam im nehmlichen Jahre zu Stande, der, wider Verhoffen, den Punkt der katholischen Religion, nicht berührte, unter deren Schleyer der Orden immer sein eigenes Angesicht verbarg, und an deren Wohlstand er seinen Eigennutz knüpfte. Wir haben gehört, daß jeder der Verschworenen auf seinen Eid das Sakrament hatte nehmen müssen. Sie mußten also Beichtväter gehabt, und wer waren diese? Nun wußte man, daß einige von den offenbaren Häuptern der Verschwörung mit berufenen Jesuiten in besonders genauem Vernehmen gestanden hatten. Kurz, die verschiedenen Verhöre der Gefangenen flößten den auffallendsten Argwohn wider einige Glieder dieses Ordens ein.

Sehr schwer hielt es zwar, eh man von jenen die Nahmen ihrer Anreitzer, oder daß sie mit Jesuiten genauen Umgang gepflogen, herausbringen konnte; aber das war immer der Fall bey solchen Anstiftungen, wo Priester die Seele und Laien das bewegte Maschinenwerk waren. Der felsenfeste Glaube, daß jene den Schlüssel zu Glück und Unglück, Himmel und Hölle – hätten, und der Eid, der nach mehrerer Schriftsteller Meinung, ihnen bey Verlust der ewigen Seligkeit, Priester zu verrathen, verbot, mußte jeden aufsteigenden Gedanken der Menschlichkeit und Pflicht, ja selbst die Liebe zum Leben in ihnen erdrücken.

Am 15ten Januar 1606 kam eine königliche Proclamation heraus, worinn es hieß: „Da nun aus den verschiedenen Verhören einiger Gefangenen, die die vornehmsten Häupter der unmenschlichen Verschwörung, uns selbst und unsre Familie, so wie auch den ganzen im Parlamente versammleten Staat dieses Reichs durch Pulver zu Grunde zu richten, gewesen, klar und deutlich erhellte, daß die nachbenahmte 3 Jesuiten Johann Gerrard, alias Broocke genannt, Heinrich Garnet, alias Walby, alias Darcy, alias Farmer, Oswald Tesmond, alias Greenway, vorzüglich thätigen Antheil an eben diesem Vergehen gehabt, so –“

Obgleich die ganze Masse des Antheils, den die Jesuiten an dieser Verschwörung gehabt, zu bestimmen, mehr in eine Geschichte dieses Ordens gehört, auch in einigen derselben, aus Urkunden und andern zuverlässigen zum Theil noch ungedruckten Quellen neuerlich sehr überzeugend dargestellt worden: so wollen wir doch einiges hieher gehöriges, besonders aus Garnets Verhör, anführen.

Daß zwischen ihm und Catesby seit geraumer Zeit eine genaue Verbindung existire, wußte man; er bekannte selbst, daß er mit Tresham seit ½ Jahre oft Unterredungen gepflogen, welches auch Tresham anfangs gestand, aber nachher, auf dringendes Zureden seiner Frau, kurz vor seiner Hinrichtung widerrufen hatte: dieß und mehreres wollte der König durchaus nicht mit Folterzwang, sondern durch freyes Geständniß aus ihm heraus haben. Er wurde daher sehr gelinde behandelt, und genoß jede Freyheit, die man ihm ohne Gefahr irgend gestatten konnte. Man brachte ihn durch List dahin, daß er zwey Briefe an Mitgefangene schrieb, und sie einem Menschen anvertraute, der angestellt war, ihn durch Heucheley einzunehmen, indem er bey ihm den eifrigen Katholiken machte. Diese Briefe wurden der Regierung überliefert; der eine schien zwar ganz unbedeutend; auf den sehr breiten Rand aber war mit Citronensaft geschrieben, und als man sich damit dem Feuer näherte, trat die Schrift hervor. Der andere Brief instruirte die mitgefangene Person, wie sie die Verhörartikel zu beantworten hätte. Da er auch den Jesuiten Oldeborn, der gleichfalls im Gefängnis war, zu sprechen wünschte, so nutzte man diesen Umstand, und erlaubte ihm eine Unterredung mit Jenem; die Wache mußte ihnen gestatten, sich gerade so weit von ihnen zu entfernen, daß sie einander manches sagen konnte, ohne von ihr gehört zu werden. Aber in einem nähern Hinterhalt waren Leute versteckt, die ihre Reden belauschten und gleich darauf niederschrieben. Garnet läugnete zwar vor Gericht, was ihn die Aufpasser hatten sagen hören; weil er die deshalb an ihn gethanen Fragen nur für Muthmassungen hielt: aber man legte ihm Oldenborns Geständniß vor, wodurch er überwiesen wurde. Er gestund, der Jesuit Greenwel habe ihm vor 5 Monathen den Plan der Verschwörung entdeckt, auch Catesby ihm im allgemeinen von einem grossen Unternehmen der Kahtoliken zum Vortheil der Religion gesagt: und nachdem er zwanzig Verhöre vor der Commitee gehabt hatte, wurde er bey der höchsten Instanz über alle vorhergehende Punkte noch einmahl verhört, wo er obiges Geständnis in Ansehung Greenwels wiederhohlte, doch mit der Einschränkung, dieser Jesuit habe ihm jene Sache blos in der Beichte offenbart; er habe also aus Priesterpflicht keinen Gebrauch von dieser Entdeckung machen dürfen. – Wenn euch nun, fiel ihm einer der Lords in die Rede, heute jemand in der Beichte entdeckte, daß er vorhätte, morgen den König mit einem Dolchstiche zu ermorden, würdet ihr auch da schweigen? Ich müßte schweigen, sagte Garnet. Endlich wurde er aus einer eigenhändigen Schrift, die er dem König gesandt hatte, (und durch die er sogar Verzeihung zu erhalten hofte) überführt, worinn er selbst sagt: daß ihn Greenwel von der Verschwörung, nicht als von einer Sünde, sondern als von einer ihm bekannten Sache, unterrichtet, worüber er seinen Rath vernehmen wollte: – daß Catesby und Greenwel bey ihm Beyfall und Aufmunterung zu der Unternehmung gesucht; und Greenwel in der Grafschaft Essex mit ihm eine lange Unterredung über die Pulververschwörung gepflogen habe u. s. w.

Garnet wurde gehenkt. Verschiedene seiner Ordensbrüder haben nicht nur seinen und der andern Jesuiten Antheil an der Verschwörung standhaft in Schriften geleugnet, die Hingerichteten als Märtyrer aufgestellt, und kindische Wunder als Beweise ihrer Unschuld angeführt; sondern sogar, mit unbegreiflicher Keckheit die ganze Verschwörung für ein Hirngespinst erklärt.

Doch bey den Schriftstellern jenes Ordens sind dergleichen auffallende und sogar, durch den Grad ihrer Dreistigkeit, lächerliche Behauptungen zu Gunst ihrer Parthey, nichts seltenes.

Die furchtbare Monarchie des Ordens, die beständig strebte, nicht allein die weltlichen Kronen, sondern auch die dreyfache, deren Knechte sie vorstellen wollten, und deren Höflinge sie waren, unter ihre Füsse zu treten: diese Monarchie hielt es bey ihren Trauerspielen nicht immer für gut, selbst auf der Bühne zu erscheinen. Sie diktirte nur das Drama oder ändert es für den Schauplatz der Gegenwart um, passt es dem Theater der Zeit an, besorgte die Rollen; dirigirte die Maschinen, entzündete hinter den Coulissen die mehr als theatralischen Flammen; und souflirte. Das Beleidigende der Vorstellungen mochten die Schauspieler büssen.

Wer noch einmahl den Plan der mehr als unmenschlichen Pulververschwörung mit mir überdenkt, muß einer ganzen ehrwürdigen Nazion zu ihrer Entdeckung Glück wünschen, und ihrer jährlichen Feyer im Geiste mit beywohnen. Wenn sie noch einige Stunden ein Geheimnis geblieben, das heißt: gelungen wäre: so wären nicht nur der König, (der doch die katholische Religion so sehr begünstigte, als irgend eine nicht herrschende Kirche begünstigt werden kann,) und seine Familie, sondern fast alle Grossen des Reichs, eine Menge Parlamentsglieder, ihre Zuhörer, kurz, mehrere tausend Menschen erstickt, zerschmettert, zerrissen worden. Verschiedene Palläste, die Residenz Westmünsterhall, der ehrwürdige Tempel, die königliche Gruft und die Gräber der Fürsten, Helden, und Weisen, mit andern kostbaren Alterthümern wurden zerstört. – Doch was sind solche Kleinigkeiten, was sein Myriaden lebender, fühlender Geschöpfe dem Fanatismus?

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