HomeDie Horen1796 - Stück 6II. Die Zauberin. [Theocritus]

II. Die Zauberin. [Theocritus]

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Theokrits zweite Idylle.

Bringe mir rasch Buhlzauber, o Thestylis! bringe mir Lorbern!
Wind’ um den hölzernen Becher die purpurne Blume des Schafes!
Daß ich meinen Geliebten, der hart mich quälet, beschwöre:
Der mir schon zwölf Tage, der Elende! nimmer erscheint,
Und kaum weiß, ob todt mir bereits sind, oder noch lebend,
Nie an der Thür auch lermte, der Flatterer! Anderswohin traun!
Lenkte sein Herz ihm Eros zur Untreu’, und Afrodite!
Hingehen werd’ ich am Morgen zu Timagetos dem Ringer,
Jenen zu schaun, und zu rügen mit Vorwurf, was er mir anthut!
Jezo beschwör’ ich ihn in Beschwörungen! Aber, Selena,
Leuchte mir schön; dir heb’ ich, o Himmlische, leisen Gesang an!
Drunten der Hekate auch, die winselnde Hunde verscheuchet,
Wann durch Grüfte der Todten und dunkeles Blut sie einhergeht!
Hekate, Heil! Graunvolle! Sei uns bis zum Ende Gesellin;
Kräftige hier den Zauber nicht weniger, als Perimedens,
Als der Kirke Gemisch, und als der blonden Medeia!
Zieh, umrollender Kreisel, den Mann mir zurück in die Wohnung!
Schrot ja zehret zuerst die Altarglut. Auf denn, gestreuet,
Thestylis! Unglücksdirne, wohin doch entflog der Verstand dir?
Bin ich vielleicht, Unholdin, auch dir ein Gelächter geworden?
Streu’, und sage dazu: Hier streu’ ich Delfis Gebeine!
Zieh, umrollender Kreisel, den Mann mir zurück in die Wohnung!
Mich hat Delfis gequält: ich will auf Delfis den Lorber
Brennen. Wie jezo das Reis mit lautem Gekrach sich entzündet,
Plözlich sodann aufflammt, daß selbst nicht Asche gesehn wird:
Also müß’ auch Delfis das Fleisch in der Lohe zerstäuben!
Zieh, umrollender Kreisel, den Mann mir zurück in die Wohnung!
Wie dies wächserne Bild mit günstigem Dämon ich schmelze,
Also schmelz’ in Liebe sofort der Myndier Delfis!
Und wie die eherne Rolle durch Kypriens Macht sich herumdreht,
Also drehe sich jener herum an unserer Pforte!
Zieh, umrollender Kreisel, den Mann mir zurück in die Wohnung!
Jezo die Kleie gebrannt! Dir, Artemis, weicht in dem Hades
Selbst der demantene Fels, und was noch sonst unverrückt starrt.
Thestylis, horch in der Stadt das Hundegeheul! O die Göttin
Trit in den Dreiweg ein! Auf, rege die hallenden Erze!
Zieh, umrollender Kreisel, den Mann mir zurück in die Wohnung!
Schaue doch! Still nun ruhet das Meer, still ruhen die Winde!
Mir nur ruhet er nicht im innersten Busen der Jammer!
Ganz in Glut für jenen zerloder’ ich, welcher mich Arme
Statt der Gattin gemacht zur ausgeschändeten Jungfrau!
Zieh, umrollender Kreisel, den Mann mir zurück in die Wohnung!
Dreimal spreng’ ich des Tranks, und dreimal, Herrliche, ruf’ ich:
Ob ihn eine Geliebte beselige, ob ein Geliebter;
Schnell betäube das Herz ihm Vergessenheit, so wie in Dia
Theseus, sagt man, vergaß der lockigen Braut Ariadne!
Zieh, umrollender Kreisel, den Mann mir zurück in die Wohnung!
Fern in Arkadia wächst Hippomanes, welches die Füllen
Alle zur Wut auf den Bergen und hurtige Stutten entflammet.
Schauet’ ich so auch Delfis, und stürmt’ er daher in die Wohnung,
Einem Rasenden gleich, aus dem schimmernden Hofe der Ringer!
Zieh, umrollender Kreisel, den Mann mir zurück in die Wohnung!
Dieser Streif der Verbrämung entsank dem Gewande des Delfis;
Jezo werd’ er zerrauft, und geschnellt in die stürmische Flamme!
Wehe mir! tückischer Eros, wie hast du das Blut aus den Adern,
Angeschmiegt, wie ein Igel des Sumpfs, mir alles gesogen!
Zieh, umrollender Kreisel, den Mann mir zurück in die Wohnung!
Diesen zerstampfeten Molch zum Gifttrunk bring’ ich dir morgen.
Thestylis, jezo empfah das Gemengsel allhier, und besalbe
Jenem oben die Schwelle, woran mir immer anjetzt noch
Hängt das gefesselte Herz; allein nichts achtet er meiner!
Sage dann, spüzend darauf: Hier salb’ ich Delfis Gebeine!
Zieh, umrollender Kreisel, den Mann mir zurück in die Wohnung!
Nun allein und verlassen, woher bewein’ ich die Liebe?
Welches zuerst wehklag’ ich? Wer schuf dies Jammergeschick mir?
Jüngst ging, tragend den Korb, des Eubulos Tochter Anaxo
Uns in der Artemis Hain; dort führten sie andres Gewildes
Viel in festlichem Zug’, auch eine gewaltige Löwin.
Denke, woher die Liebe mir nahete, hohe Selene!
Auch die thrakische Amme Teucharila, [ruhe sie selig!] Damals meines Gemachs Anwohnerin, bat und beschwur mich,
Anzuschauen den Zug: und ich unseliges Mädchen
Folgete, schön nachschleppend ein Kleid von feurigem Byssos,
Prachtvoll drüber gehüllt das Mäntelchen von Kleorista.
Denke, woher die Liebe mir nahete, hohe Selene!
Schon beinah um die Mitte des Wegs, am Hause des Lykon,
Sah ich Delfis zugleich und Eudamippos einher gehen.
Jugendlich sproßt’ ihr Kinn, wie die goldne Blum’ Helichrysos;
Beiden auch glänzte die Brust weit herrlicher, als du Selene,
Weil sie eben gekehrt von der Ringschul’ edeler Arbeit.
Denke, woher die Liebe mir nahete, hohe Selene!
O wie ich sah, wie ich tobte! wie schwang sich im Wirbel der Geist mir
Elenden! Ach die Reize verblüheten; nicht des Gepränges
Achtet’ ich dort annoch; selbst nicht, wie zu Haus’ ich gekommen,
Weiß ich; nein ich erkrankte, vom brennenden Fieber verzehret;
Zehn der Tag’ auf dem Lager, und zehn der Nächte verseufzt’ ich!
Denke, woher die Liebe mir nahete, hohe Selene!
Und mir ward das Gesicht bleichgelb, wie die Farbe des Thapsos;
Auch die Haare vom Haupt entschwanden mir; übrig zulezt war
Haut nur noch und Gebein. Bei wem nicht sucht’ ich Genesung?
Welches Mütterchens Haus, das Beschwörungen kannte, versäumt’ ich?
Doch ward nichts mir gehoben; die Zeit nur enteilete fliehend.
Denke, woher die Liebe mir nahete, hohe Selene!
Und so redet’ ich endlich zur Dienerin lautere Worte:
Auf nun, Thestylis, finde mir Rath für die schreckliche Krankheit.
Ganz beherrscht mich Verlorne der Myndier. Aber o gehe
Ihn zu erspäh dorthin zu Timagetos dem Ringer;
Denn da pflegt er Verkehr, da mag er gerne verweilen.
Denke, woher die Liebe mir nahete, hohe Selene!
Und sobald du allein ihn antrifst, winke verstohlen;
Sag’ ihm dann: Simätha begehrt dich zu sprechen! und bring’ ihn.
Also sprach ich, sie ging, und brachte den glänzenden Jüngling
Mir in das Haus, den Delfis. Allein wie ich eben ihn sahe
Über die Schwelle der Thüre mit leichterem Fuße sich schwingen,
Denke, woher die Liebe mir nahete, hohe Selene!
Ganz nun, mehr wie der Schnee, erkaltet’ ich; und von der Stirne
Tröpfelte nieder der Schweiß, gleich rinnendem Thaue des Morgens.
Keinen Laut auch zwang ich hervor, selbst nicht wie im Schlafe
Wimmernden Laut aufstöhnen zur lieben Mutter die Kindlein;
Starr wie ein Püppchen von Wachs war rings der blühende Leib mir.
Denke, woher die Liebe mir nahete, hohe Selene!
Als mich gesehn der Verstockte; den Blick zur Erde gesenket,
Sezt’ er sich hin auf den Sessel, und redete sitzend die Worte:
Traun, mir eiltest du vor nicht weniger, als ich, Simätha,
Neulich im Lauf voreilte dem anmutsvollen Filinos,
Da du in diene Behausung mich nöthigtest, eh ich daher kam.
Denke, woher die Liebe mir nahete, hohe Selene!
Selbst auch wär’ ich gekommen, ja trautester Eros! Gekommen,
Samt drei Freunden bis vier, dein Liebender, gleich in der Dämmerung,
Tragend die goldenen Äpfel des Dionysos im Busen,
Und auf dem Haupt Weißpappel, den heiligen Sproß des Herakles,
Rings umher durchwunden mit purpurfarbigen Bändern.
Denke, woher die Liebe mir nahete, hohe Selene!
Hättet ihr wohl mich empfangen; o Seligkeit! denn ein gewandter
Werd’ ich genannt, und ein schöner, im Kreis der Jugendgenossen.
Schon genug, wenn ich einzig den lieblichen Mund dir geküsset.
Hättet ihr, mich abweisend, die Pforte gesperrt mit dem Riegel;
Sicherlich wären auch Beil’ und brennende Fackeln gekommen.
Denke, woher die Liebe mir nahete, hohe Selene!
Dank nun, Dank bekenn’ ich zuerst der erhabenen Kypris
Schuldig zu seyn; nächst Kypris entraftest mich du aus dem Feuer,
Süsses Weib, mich hieher in die trauliche Kammer bescheidend,
Mich schon halb versenkten; denn Eros zündet ja wahrlich
Oft noch entflammtere Glut, wie der Liparäer Hefästos.
Denke, woher die Liebe mir nahete, hohe Selene!
Er mit verderblicher Wut hat die Jungfrau selbst aus der Kammer,
Auch die Vermählte gescheucht, das Bette noch warm zu verlassen,
Ihres Gemahls! So sprach er; und ich schnellgläubige faßt’ ihm
Leise die Hand, und zog ihn heran zum schwellenden Lager.
Bald ward Leib an Leib wie von Sonnen erwärmt, und das Antliz
Glühete mehr denn zuvor, und wir flüsterten hold mit einander.
Daß ich nicht zu lange dir plaudere, liebe Selene;
Siehe, geschehn war die That, und wir freuten uns beide des Wunsches.
Nie ward mir von jenem ein Vorwurf, ehe denn gestern,
Noch ihm einer von mir. Nun kam zum Besuche die Mutter
Meiner guten Filista, der Flöterin, und der Melixo,
Heute, sobald am Himmel empor sich schwangen die Rosse,
Von dem Okeanos tragend die rosenarmige Eos.
Und viel andres erzählte sie mir, und wie Delfis verliebt sei.
Aber ob jezt ein Mädchen ihn fessele, oder ein Jüngling,
Wußte sie nicht so genau; dies eine nur: immer zum Taumel
Schwelgt’ er im Nektar der Lieb’, und zulezt entflattert’ er treulos.
Auch umhäng’ er mit Kränzen, erzählte sie, jenem die Wohnung.
Dieses that die Freundin mir kund; und die Freundin ist wahrhaft.
Denn wohl dreimal vordem und viermal pflegt’ er zu kommen,
Oft bei mir hinsezend das Dorische Krüglein mit Salböhl.
Nun sind schon zwölf Tage, seitdem ich ihn nimmer gesehen.
Hat er nicht andere Luft sich gesucht, und unser vergessen?
Jezo mit Liebeszauber beschwör’ ich ihn. Aber wofern er
Mehr mich betrübt; bei den Mören! an Aides Thor soll er klopfen!
Solch ein verderbliches Gift bewahr’ ich ihm, mein’ ich, im Kästlein,
Wie ein assyrischer Fremdling, o Herrscherin, mich es gelehret.
Lebe nun wohl, und hinab zum Okeanos lenke die Rosse,
Herrliche! Ich will tragen mein Elend, wie ich begonnen!
Lebe denn wohl, o Selene, du glänzende! Lebet auch ihr wohl,
Sterne, so viel den Wagen der ruhigen Nacht ihr begleitet!

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