HomeDie Horen1796 - Stück 9I. Benvenuto Cellini. [Benvenuto Cellini]

I. Benvenuto Cellini. [Benvenuto Cellini]

Bewertung:
(Stimmen: 1 Durchschnitt: 1)

Fortsetzung.

(Wir zeigen hier nur den Innhalt eines Abschnittes, den wir auslassen, kürzlich an: Cellini geht durch Graubündten über Wallenstadt auf Zürich, von da, über Solothurn, Lausanne, und Genf, nach Lion, und kommt endlich glücklich in Paris an. Da sein Landmann, der Mahler Rosso, statt ihn bey Hofe einzuführen, vielmehr gegen ihn cabalirt; so stellt ihn der Schatzmeister Buonaccorsi dem Könige vor, dieser empfängt ihn sehr gnädig, weil er aber selbst nach Lion zieht, befiehlt er, daß Benvenuto ihm folgen solle. Der Cardinal von Ferrara nimmt sich seiner auf dem Wege bestens an, allein Cellini und sein Geselle Askanio werden in Lion krank und fühlen ein unwiderstehliches Heimweh. Sie gehen beyde, noch im Fieber, über den Simplon, nach Italien, über Ferrara und Loretto nach Rom. Er überlässt daselbst dem getreuen Felix seine Werkstatt, eröffnet eine neue, nimmt viele Gehülfen an und hat Händel mit seinem Peruginischen Gesellen. Unter andern Arbeiten hat er auch einen reichen goldnen Schmuck, mit Juwelen, für die Gemahlin des Herrn Hieronimus Orsino unter Händen.)

Indessen ich nun so aufs eifrigste meine Arbeiten zu fördern bemüht war, erhielt ich einen Brief, den mir der Cardinal Ferrara aus Frankreich mit besonderer Eile schickte, des Innhalts:

„Benvenuto, lieber Freund! in diesen vergangenen Tagen hat sich der grosse allerchristliche König Deiner erinnert und Dich abermal ins eine Dienste begehrt, worauf ich ihm antwortete: Du habest mir versprochen, daß Du, sobald ich Dich zum Dienst Seiner Majestät verlangte, sogleich kommen wolltest. Seine Majestät antwortete darauf: ich will, man soll ihm soviel Geld schicken, als ein Mann seines gleichen zu einer bequemen Reise braucht. Darauf befahl er dem Admiral, er solle mir tausend Goldgülden aus dem Schatz der Ersparnisse zahlen lassen. Bey dieser Unterredung war auch Cardinal Gaddi zugegen, der sogleich hervortrat und sagte: ein solcher Befehl sey nicht nöthig, denn er habe Dir Geld genug angewiesen, und Du müßtest auf dem Wege seyn. Verhielte sich nun die Sache nicht so, Du hättest kein Geld erhalten, wärest nicht unterweges, und es wäre Dir von allem keine Nachricht zugekommen, sondern es wäre eine blosse Aufschneiderey des Kardinals, um zu zeigen, daß er sich auch um die geschickten Leute bekümmert, nach denen der König fragt, wie ich fast glaube; so antworte mir, sobald Du meinen Brief empfängst, der die reine Wahrheit enthält, damit ich ein andermal, wenn ich vor diesen grossen König komme, in Gegenwart des Prahlhansen, das Gespräch nach und nach auf Dich leiten, und sagen kann: daß Du das Geld, welches Dir der Cardinal Gaddi geschickt haben wolle, nicht erhalten hast, daß Du nicht auf der Reise, sondern in Rom bist. Es wird sich zeigen, daß der Cardinal dieß alles nur aus Eitelkeit gesagt hat, und ich will einen neuen Befehl an den Admiral und den Schatzmeister auswirken, daß Du das Geld zur Reise, welches Dir der großmüthige König zugedacht hat, endlich erhalten mögest.“

Nun mag die Welt bedenken, was ein ungünstiges Geschick über uns Menschen vermag! Ich hatte nicht zweimal in meinem Leben mit dem närrischen Cardinälchen Gaddi gesprochen, und er prahlte auch dießmal nicht, um mir Schaden zu thun, sondern es war eine Wirkung seines leeren und ungeschickten Gehirns, weil es auch scheinen sollte, als bekümmere er sich um Talentreiche Leute, die der König in seinen Dienst wünschte, er wollte darinn dem Cardinal von Ferrara gleichen. Wenn er nur nachher so klug gewesen wäre, und mir den Vorfall gemeldet hätte, so würde ich doch, um so einen dummen Strohmann nicht stecken zu lassen, aus Patriotismus, irgend eine Entschuldigung gefunden und seiner thörichten Prahlerey einigermaßen nachgeholfen haben. sobald ich den Brief des hochwürdigsten Cardinals von Ferrara erhielt, antwortete ich sogleich: mir sey vom Cardinal Gaddi nichts in der Welt bekannt, und wenn er mich auch hätte bereden wollen, so würde ich mich ohne Vorwissen Seiner Hochwürden Gnaden nicht aus Italien bewegt haben, besonders da ich in Rom mehr Arbeit als jemals finde, indessen würde ich mich auf ein Wort Ihro allerchristlichsten Majestät, das mir durch so einen Herrn zukäme, sogleich auf den Weg machen und alles andere bey Seite werfen.

In dieser Zeit dachte mein Geselle von Perugia, der Verräther, eine Bosheit aus, die ihm auch sehr gut gelang, denn er erregte den Geiz des Papstes Paul Farnese, oder vielmehr seines natürlichen Sohnes, den man damals Herzog von Kastro nannte. Nun ließ mein gedachter Geselle einem der Secretarien des Herrn Peter Ludwigs merken, daß, da er mehrere Jahre bey mir gearbeitet habe, er wohl wisse und sich verbürgen könne, daß ich ein Vermögen von achtzig tausend Ducaten besitze, davon der größte Theil in Juwelen bestehe, die eigentlich der Kirche angehörten. Denn ich habe sie damals, bey der Verheerung Roms, im Castell Sanct Angelo bey Seite gebracht. Sie sollten mich nur einmal schnell und ohne Geräusch wegfangen lassen.

Ich hatte einmal eines Morgens, sehr früh, über drey Stunden an obgedachtem Brautschmucke gearbeitet, und indeß man meine Werkstatt eröffnete und kehrte, warf ich meine Jacke über, um mir ein wenig Bewegung zu machen. Ich ging durch Strada Julia und wandte mich an der Ecke nach der Chiavica um, da begegnete mir Crispin, der Bargell, mit seiner ganzen Häscherey und sagte: du bist ein Gefangener des Papstes. Darauf antwortete ich: Crispin, du irrst dich in der Person! Nein, versetzte er, du bist der brave Benvenuto, ich kenne Dich recht gut, ich habe Dich nach Castell Sanct Angelo zu führen, wohin treffliche Männer und Herren Deines gleichen zu gehen pflegen.

Da nun hierauf viele seiner Leute sich auf mich warfen, und mir mit Gewalt einen Dolch von der Seite und einige Ringe vom Finger reissen wollten, sagte er zu ihnen: keiner unterstehe sich ihn anzurühren! genug, daß ihr eure Schuldigkeit thut und ihn nicht entwischen laßt. Dann trat er zu mir und verlangte, mit höflichen Worten meine Waffen. Als ich sie ihm gab, fiel mir ein: daß ich an derselben Stelle den Pompeo ermordet hatte. Darauf führten sie mich ins Castell und schlossen mich in eins der Zimmer oben auf dem Thurm. Das war das erste Mahl, daß ich das Gefängniß schmeckte, und war eben sieben und dreyßig Jahr alt.

Herr Peter Ludwig, ein Sohn des Papstes, bedachte die grosse Summe, wegen welcher ich angeklagt war, und erbat sich sogleich von seinem Vater die Gnade, daß ihm das Geld geschenkt seyn möchte. Der Papst gewährte ihm seine Bitte und versprach zugleich, daß er ihm behilflich seyn wolle, das Geld zu erlangen. So hielten sie mich acht Tage im Gefängniß, nach Verlauf derselben sie mich, um der Sache einige Gestalt zu geben, zum Verhör holen liessen. Man brachte mich in einen der Säle des Castells, der Ort war sehr ehrbar, und als Examinatoren fand ich daselbst den Gouverneur von Rom, Herrn Benedetto Conversini von Pistoja, der nachher Bischof von Jesi wurde, sodann den Fiskal, dessen Nahmen ich vergessen habe, und den Criminalrichter, Herrn Benedetto Galli. Diese drey fingen mich an zu befragen, erst mit freundlichen Worten, dann mit heftigen und fürchterlichen Ausdrücken, denn ich hatte zu ihnen gesagt: meine Herren, schon über eine Stunde fragt ihr mich über Fabeln und leere Dinge, ihr sprecht hin und wieder, ohne daß ich weiß, was das heissen soll. Ich bitte euch, sagt, was ihr von mir verlangt, und laßt mich aus eurem Munde gründliche Worte hören und nicht nur Fabeln und Geschwätze. Hierauf konnte der Gouverneur, der von Pistoja war, seine grimmige Natur nicht mehr verbergen und versetzte: Du sprichst sehr sicher, ja allzukühn, dafür soll Dein Stolz so klein wie ein Hündchen werden, wenn Du meine gründlichen Worte hören wirst, die weder Geschwätz noch Mährchen sind, wie du sagst, sondern eine Folge von Gründen, die du Mühe genug haben wirst gründlich zu widerlegen. Darauf sprach er: Wir wissen ganz gewiss, daß du zur Zeit der unglücklichen Verheerung von Rom gegenwärtig und zwar in dem Castel Sanct Angelo warst, und man sich deiner als Artilleristen bediente, da du nun eigentlich Goldschmied und Juwelier bist, und Papst Clemens dich vorher gekannt hatte, auch kein anderer von dieser Profession sich gegenwärtig befand, ließ er dich ins geheim rufen und vertraute dir dergestalt, daß er die Juwelen seiner Kronen, Bischofsmützen und Ringe durch dich ausbrechen und in die Falten seiner Kleider nähen ließ. Bey dieser Gelegenheit hast du für achtzig tausend Scudi heimlich entwendet. Dieses hat uns einer deiner Gesellen gesagt, gegen den du dich im Vertrauen gerühmt hast. Nun erklären wir dir freymüthig, schaffe die Juwelen und ihren Werth herbey, so magst du alsdann frey wieder hingehen.

Als ich diese Worte hörte, konnte ich mich des lauten Lachens nicht enthalten, und erst nachdem ich mich eine Weile ausgeschüttet, sagte ich: Gott sey gedankt, daß ich das erste Mahl, da es ihm gefallen hat, mich gefänglich einziehen zu lassen, so glücklich bin, nicht etwa wegen einer geringen Sache verhaftet zu werden, wie es öfters jungen Leuten zu begegnen pflegt. Wenn auch alles wahr wäre, was ihr sagt, so ist dabey nicht die geringste Gefahr für mich, daß ich etwa am Körper gestraft werden sollte; denn in jener Zeit hatte das Gesetz alle seine Kraft verlohren und ich könnte mich daher entschuldigen und sagen: daß ich als Diener diesen Schatz dem heiligen apostolischen Sitz aufgehoben habe, mit der Absicht, solche Kostbarkeiten einem guten Papste wieder zuzustellen, oder demjenigen, der mir sie wieder abfodern liesse, wie es nun durch euch geschähe, wenn sich die Sache so verhielte.

Hierauf ließ mich der rasende Pistojeser keine weitern Gründe vorbringen, und versetzte wüthend: verziere du die Sache wie du willst, Benvenuto! Uns ist genug, das Unsere wieder gefunden zu haben, und mache nur geschwind, wenn wir nicht auf andere Weise als mit Worten verfahren sollen. Zugleich wollten sie aufstehn und weggehn, worauf ich zu ihnen sagte: Meine Herren! mein Verhör ist nicht geendet, deswegen hört mich an, und dann geht, wohin es euch gefällt. Sogleich nahmen sie wieder in völligem Zorne Platz, als wenn sie entschieden wären nichts zu hören. was ich vorbringen könnte, ja sie verbargen eine Art von Zufriedenheit nicht, denn sie glaubten alles schon gefunden zu haben, was sie zu wissen verlangten; ich fing daher auf folgende Weise zu reden an:

Wißt, meine Herren, daß ich ohngefähr zwanzig Jahr in Rom wohne, und daß ich weder hier noch anderswo jemals eingekerkert worden bin.

Darauf sagte der Häscher von Gouverneur: und du hast hier doch Menschen umgebracht! Darauf versetzte ich: das sagt ihr und nicht ich. Denn wenn einer käme euch umzubringen, so würdet ihr euch schnell genug vertheidigen, und wenn ihr ihn erschlügt, würden es die heiligen Gesetze euch nachsehen. Und nun laßt mich auch meine Gründe vorbringen, wenn ihr dem Papst die Sache gehörig vorzutragen und ein gerechtes Urtheil über mich zu sprechen gedenkt. Ich sage euch von neuem, es sind ohngefähr zwanzig Jahre, daß ich das wundersame Rom bewohnt und hier die größten Arbeiten meiner Profession vollendet habe, und weil ich weiß, daß Christus hier wohnet und regieren, so hätte ich mich darauf mit der größten Sicherheit verlassen, und wenn ein weltlicher Fürst versucht hätte, mir einigen Schaden zuzufügen, so würde ich meine Zuflucht zu dem heiligen Stuhle und zu dem Statthalter Christi genommen haben, damit er mich beschützt hätte. Wehe mir! wo soll ich nun jetzo hingehen? Zu welchem Fürsten soll ich mich wenden, der mich vor diesen schändlichen Absichten rette? Hättet ihr nicht, ehe ihr mich gefangen nahmt, untersuchen sollen, wo ich dann auch diese achtzig tausend Scudi verwahren könnte? Hättet ihr nicht das Verzeichniß der Juwelen durchsehen sollen, daß man bey unsrer apostolischen Kammer seit fünfhundert Jahren fleißig fortsetzt? Hätte sich dann irgend eine Lücke gefunden, so hättet ihr meine Bücher und mich nehmen und die Vergleichung anstellen sollen. Ich muß euch nur sagen: die Bücher, in welchen die Juwelen des Papstes und der Kronen verzeichnet stehen, sind noch alle vorhanden, und ihr werdet finden, daß alles, was Papst Clemens besessen hat, sorgfältig aufgeschrieben sey. Das einzige könnte seyn: als der arme Mann, Papst Clemens, sich mit jenen kaiserlichen Freybeutern vergleichen wollte, die ihm Rom geplündert und die Kirche geschmäht hatten, da kam einer zu dieser Vergleichshandlung, der, wenn ich mich recht erinnere, Cäsar Iscatinaro hieß. Man hatte sich beynahe über alle Puncte mit dem bedrängten Papste vereinigt, der doch dem Abgeordneten auch etwas angenehmes erzeigen wollte, und einen Diamanten vom Finger fallen ließ, der ohngefähr viertausend Scudi werth seyn konnte. Iscatinaro bückte sich ihn aufzuheben, worauf der Papst sagte: er möchte sich des Rings aus Liebe zu ihm bedienen. Bey diesem Fall war ich gegenwärtig und wenn dieser Diamant fehlen sollte, so sag ich euch, wo er hin ist, ob ich gleich überzeugt bin, auch dieses wird bemerkt seyn. Und nun könnt ihr an eurer Stelle euch schämen, einen Mann meines gleichen so behandelt zu haben, der so vieles ehrenvoll für den Apostolischen Sitz unternommen hat. Denn wißt nur: war ich jenen Morgen, als die Kaiserlichen in den Borgo drangen, nicht so thätig, so überrumpelten sie, ohne Hinderniß, das Castell. Niemand hatte mich dazu gedungen und ich machte mich wacker an die Artillerie, welche von dem Bombardierern und Soldaten ganz verlassen da stand. Ich sprach noch dabey einem meiner Bekannten Muth ein, der Raphael da Monte Lupo hieß, und ein Bildhauer war, auch er hatte seinen Posten verlassen und sich ganz erschrocken in eine Ecke verkrochen, ich weckte ihn aus seiner Unthätigkeit, und wir beyde allein tödteten, von oben herunter, so viele Feinde, daß die Truppen einen andern Weg nahmen. Auch ich war es selbst, der nach dem Iscatinaro schoß, weil er in der Conferenz mit dem Papste ohne die mindeste Ehrfurcht sprach, und, daß ein Lutheraner und Ketzer, wie er war, gegen Seine Heiligkeit eine grobe Verachtung zeigte. Papst Clemens ließ darauf eine Untersuchung anstellen und wollte den Thäter hängen lassen. Auch ich war es, der den Prinzen von Oranien an den Kopf traf, als er die Laufgräben visitiren wollte. Dann habe ich der heiligen Kirche so viel Schmuck und Zierde von Silber, Gold und Juwelen, und so viel schöne und treffliche Medaillen und Münzen gearbeitet. Und das soll nun die verwegene pfäffische Belohnung seyn, die man einem Manne zudenkt, der euch mit so viel Treue und Anstrengung gedient und geliebt hat. Und geht nur, hinterbringt, was ich gesagt habe, alles dem Papste, sagt ihm: daß er seine sämmtlichen Juwelen besitzt und daß ich, zur Zeit jener Verheerung, von der Kirche nichts anders erhalten habe, als hundert Wunden und Beulen. Ich habe immer auf eine kleine Vergeltung gehofft, die Papst Paul mir versprochen hatte, nun bin ich aber ganz klar über Seine Heiligkeit und über euch, seine Diener.

Indessen ich so redete, hörten sie mir mit Erstaunen zu, sahen einander ins Gesicht und verliessen mich mit Verwunderung. Alle drey zusammen gingen dem Papste alles zu hinterbringen, was ich gesagt hatte. Der Papst schämte sich und befahl eiligst, man solle die sämmtlichen Rechnungen der Juwelen durchsehen. Es fand sich, daß nichts fehlte, und sie liessen mich im Castell sitzen, ohne was weiter zu fragen. Herr Peter Ludwig besonders, als er sah, daß er so übel gehandelt hatte, suchte meinen Tod zu beschleunigen.

Diese Unruhe und Verwirrung dauerte nicht lange, als der König Franz schon, mit allen Umständen, vernommen hatte, daß der Papst mich so widerrechtlich gefangen hatte, und er gab seinem Gesandten an diesem Hofe, Herrn von Morlüi, in einem Schreiben den Auftrag, er solle mich als einen Diener Seiner Majestät vom Papste zurückfodern. Der Papst, der sonst ein verständiger und ausserordentlicher Mann war, betrug sich doch in dieser meiner Sache sehr unüberlegt und albern, er antwortete dem Gesandten: Seine Majestät möchten sich doch nicht weiter meiner annehmen, ich sey ein wilder und gefährlicher Mensch, er habe mich einziehen lassen wegen verschiedener Todschläge und anderer solchen Teufelein. Der König antwortete aufs neue: auch in seinem Reiche pflege man die beste Gerechtigkeit, Seine Majestät wisse die wackern Leute zu belohnen und zu begünstigen, und eben so die Übelthäter zu bestrafen. Seine Heiligkeit habe den Benvenuto gehen lassen, ohne nach dessen Arbeiten weiter zu fragen. Als er, der König, diesen Mann in seinem Reiche gesehen, habe er ihn mit Vergnügen in seine Dienste genommen und verlange ihn nun, als den seinigen, zurück.

Dieser Schritt des Königs brachte mir grossen Verdruß und Schaden, so ehrenvoll mir auch der Antheil war, den er an mir nahm; denn der Papst war in eine rasende Verlegenheit gerathen, ich möchte nun, wenn ich hinginge, die verruchte Nichtswürdigkeit erzählen, die sie an mir begangen hatten, deswegen sann er nach, wie er mich, ohne seine Ehre zu verletzen, aus der Welt schaffen könnte.

Der Castellan des Castells Sanct Angelo war einer von unsern Florentinern, mit Nahmen Herr Georg Ugolini, dieser brave Mann behandelte mich auf das gefälligste von der Welt, und weil er das grosse Unrecht kannte, das mir geschah, ließ er mich auf mein Wort frey umher gehen. Ich hatte ihm, um diese Erlaubniß zu erhalten, Bürgschaft leisten wollen, allein er versetzte, er könne sie nicht annehmen, denn der Papst sey über meine Sache gar zu sehr entrüstet, auf mein Wort hingegen wolle er trauen, denn er höre von jedem, was ich für ein zuverlässiger Mann sey. Da gab ich ihm mein Wort und er verschaffte mir zugleich die Bequemlichkeit, daß ich kleine Arbeiten machen konnte. Nun bedachte ich, daß dieser Verdruß des Papstes, sowohl wegen meiner Unschuld, als wegen der Gunst des Königs, doch vorüber gehen müsse, und erhielt meine Werkstatt offen, Askanio, mein Geselle, kam und brachte mir Arbeit. Vor Verdruß über das Unrecht, was mir geschah, konnte ich zwar wenig thun, doch machte ich aus der Noth eine Tugend, und ertrug so heiter als ich konnte mein widriges Geschick, indem ich mir zugleich alle Wachen und Soldaten des Castells zu Freunden gemacht hatte.

Manchmal speißte der Papst im Castell und unter der Zeit waren die Thore nicht bewacht, sondern standen einem jeden frey, wie an einem gewöhnlichen Pallast. Man fand alsdann nöthig, die Gefängnisse mit mehr Sorgfalt zu verschliessen, aber ich ward immer gleich gehalten, und konnte auch zu solchen Zeiten überall frey herum gehen. Öfters riethen mir einige Soldaten, ich solle mich davon machen, sie wollten mir durch die Finger sehen, weil ihnen das grosse Unrecht bekannt sey, das mir geschehe. Darauf antwortete ich nur, ich habe dem Castellan mein Wort gegeben, der ein so braver Mann sey, und der mir so viel Gefälligkeit erzeigt habe.

Unter andern war ein tapfrer und geistreicher Soldat, der zu mir sagte: wisse, mein Benvenuto! daß ein Gefangener nicht verbunden ist, und sich auch nicht verbinden kann, sein Wort zu halten, oder irgend eine andere Bedingung zu erfüllen. Thue, was ich dir sage, fliehe vor diesem Schurken von ***, und vor dem Bastard seinem Sohn, die dir auf alle Weise nach dem Leben stehen. Aber ich, der ich lieber sterben wollte, als daß ich dem würdigen Castellan mein Wort gebrochen hätte, ertrug diesen ungeheuren Verdruß so gut ich konnte, in Gesellschaft eines Geistlichen, aus dem Hause Pallavicini, der ein grosser Prediger war. Man hatte ihn als einen Lutheraner eingezogen, er war ein sehr guter Gesellschafter, aber als Mönch der ruchloseste Kerl von der Welt, der zu allen Arten von Lastern geneigt war. Seine schönen Gaben bewunderte ich, und seine häßlichen Lastern mußte ich aufs höchste verabscheuen. Auch unterließ ich nicht ihn darüber ganz freymüthig zu tadeln und zu schelten, dagegen wiederholte er mir immer: ich sey als Gefangener nicht verbunden, dem Castellan mein Wort zu halten. Darauf antwortete ich: als Mönch sage er wohl die Wahrheit, nicht als Mensch, denn wer Mensch und nicht Mönch wäre, müßte sein Wort unter allen Umständen halten, in die er gerathen könnte, und so wollte ich auch mein einfaches und tugendsames Wort nicht brechen. Da er hieraus sahe, daß er mich durch seine feinen und künstlichen Argumente, so geschickt er sie auch vorbrachte, nicht bewegen konnte, gedachte er mich auf einem andern Wege zu versuchen. Er schwieg viele Tage ganz von dieser Sache, las mir indessen die Predigten des Bruder Hieronimus Savonavola, und machte so eine vortreffliche Auslegung dazu, die mir viel schöner vorkam, als die Predigten selbst, und mich ganz bezauberte. Ich hätte alles in der Welt für den Mann gethan, nur nicht, wie schön gesagt, mein Wort gebrochen. Da er nun sahe, daß ich vor seinen Talenten eine solche Ehrfurcht hatte, fing er an mir guter Art mich zu fragen, auf welche Weise ich mich denn hätte flüchten wollen? wenn mir die Lust dazu gekommen wäre? und wie ich, wenn man mich enger eingeschlossen hätte, das Gefängniß hätte eröffnen wollen? Diese Gelegenheit wollte ich nicht vorbey lassen, um diesem klugen Manne zu zeigen, daß ich auch Geschicklichkeit und Feinheit besitze, ich sagte ihm: daß ich jedes Schloß, selbst das schwerste, gewiss eröffnen wolle, und besonders die von diesem Gefängnisse sollten mich nicht mehr Mühe gekostet haben, als ein Stückchen frischen Käse zu verzehren. Der Mönch, der mein Geheimniß zu erfahren wünschte, verspottete mich und sagte: die Menschen, die sich einmal in den Ruf gesetzt haben, daß sie geistreich und geschickt sind, rühmen sich gar vieler Dinge, wollte man sie immer beym Wort halten, so würde manches zurückbleiben, und sie würden einen guten Theil ihres Credits verliehren. So möchte es auch wohl mir gehen, ich sage so unwahrscheinliche Dinge, und wenn man die Ausführung von mir verlangte, würde ich wohl schwerlich mit Ehre bestehn. Das verdroß mich von dem Teufelsmönche, und ich antwortete, daß ich immer viel weniger verspräche, als ich auszuführen verstünde; das, was ich wegen der Schlüssel behauptet hätte, sey eine geringe Sache, mit wenig Worten solle er vollkommen einsehen, daß alles wahr sey. Darauf zeigte ich ihm, unbesonnener Weise, mit grosser Leichtigkeit alles, was ich behauptet hatte. Der Mönch, ob es gleich schien, als wenn er sich um diese Sache nichts bekümmere, lernte mir, als ein fähiger Mann, alles in der Geschwindigkeit ab.

Nun ließ mich, wie ich schon oben erwähnt habe, der wackre Castellan des Tags frey herum gehen, auch ward ich des Nachts nicht wie die übrigen eingeschlossen. Ich konnte dabey in Gold, Silber und Wachs arbeiten, was ich wollte, und so hatte ich auch einige Wochen an einem Becken für den Cardinal von Ferrara gearbeitet, zuletzt verlohr ich über meinem eingeschränkten Zustande alle Lust, und arbeitete nur, um mich zu zerstreuen, an einigen kleinen Wachsfiguren. Von diesem Wachs entwandte mir der Mönch ein Stück, und führte das alles wegen der Schlüssel damit aus, was ich ihn unbedachtsamer Weise gelehrt hatte. Er nahm zum Gesellen und Helfer einen Schreiber, Nahmens Ludwig, einen Paduaner, allein als man die Schlüssel bestellte, that der Schlosser sogleich die Anzeige. Der Castellan, der mich einige Male in meinem Zimmer besucht und meiner Arbeit zugesehen hatte, erkannte mein Wachs und sagte: wenn man schon diesem armen Benvenuto das größte Unrecht von der Welt gethan hat, so hätte er sich doch gegen mich solche Handlungen nicht erlauben sollen, da ich ihm alle mögliche Gefälligkeit erzeigt habe. Gewiss, ich will ihn fester halten und alle Nachsicht soll aufhören. So ließ er mich mit einigem Unmuth einschliessen und mich verdrossen besonders die Worte, welche mir seine vertrautesten Diener hinterbrachten, deren einige mir sehr wohl wollten, und sonst von Zeit zu Zeit erzählten, wie sehr der Herr Castellan sich zu meinem Besten verwendet habe. Nun aber hinterbrachten sie mir, daß er mich einen undankbaren, eitlen und treulosen Menschen schelte. Da nun einer dieser Leute mir, auf eine etwas harte und unschickliche Art, diese Scheltworte ins Gesicht sagte, fühlte ich mich beleidigt in meiner Unschuld und antwortete: ich hätte niemals mein Wort gebrochen, und ich wollte das mit der ganzen Kraft meines Lebens behaupten, und wenn er oder ein anderer wieder solche ungerechte Worte gegen mich brauchte, so würde ich ihn auf alle Fälle der Lügen strafen. Er entrüstete sich darüber, lief in das Zimmer des Castellans, brachte mir das Wachs und meine Zeichnung des Schlüssels. Als ich das Wachs sahe, sagte ich ihm, wir hätten beyde recht, allein er solle mir eine Unterredung mit dem Herrn Castellan verschaffen und ich wollte ihm eröffnen, wie sich die Sache befände, die von grösserer Bedeutung wäre, als sie glaubten. Sogleich ließ der Castellan mich rufen, ich erzählte den ganzen Vorfall, der Mönch ward enger eingeschlossen, und bekannte auf den Schreiber, der dem Galgen sehr nahe war. Doch unterdrückte der Castellan die Sache, die schon bis zu den Ohren des Papstes gekommen war, rettete seinen Schreiber von dem Strick, und ließ mir wieder so viel Freyheit, als vorher.

Da ich sahe, daß man sich in dieser Sache mit so vieler Strenge benahm, fing ich doch auch an, an mich selber zu denken und sagte bei mir: wenn nun ein andermal eine solche Verwirrung entstünde und der Mann traute mir nicht mehr, so würde ich ihm auch nicht mehr verbunden seyn, und möchte mir wohl alsdann ein wenig mit meinen Erfindungen helfen, die gewiss besser als jene Pfaffen-Unternehmung ausfallen sollten. So fing ich nun an mir neue, starke Leintücher bringen zu lassen und die alten schickte ich nicht wieder zurück. Wenn meine Diener darnach fragten, so sagte ich, sie sollten still seyn, denn ich hätte sie einigen armen Soldaten geschenkt, die in Gefahr der Galere geriethen, wenn so etwas herauskäme, und so hielten sie mir alle, besonders aber Felix, die Sache geheim. Indessen leerte ich einen Strohsack aus, und verbrannte das Stroh im Kamine, das in meinem Gefängniß war, und fing an von den Leintüchern Binden zu schneiden, ein Drittheil einer Elle breit, und als ich so viel gemacht hatte, als ich glaubte, daß genug sey, mich von der grossen Höhe des Thurms herunter zu lassen, sagte ich meinen Dienern, ich habe genug verschenkt, sie sollten nun, wenn sie mir neue Leintüchter brächten, die alten immer wieder mitnehmen. Und so vergassen meine Leute gar bald die ganze Sache.

Der Castellan, der mich übrigens sehr gut behandelte, ward alle Jahre von einer gewissen Krankheit befallen, die ihm ganz und gar den Kopf verrückte, und wenn er davon angegriffen wurde, pflegte er sehr viel zu schwätzen, und es waren seine grillenhaften Vorstellungen alle Jahre verschieden, denn einmal glaubte er ein Ölkrug zu seyn, ein andermal ein Frosch, und da hüpfte er auch nach Art dieses Thieres; hielt er sich für todt, so mußte man ihn begraben, und so hatte er alle Jahr eine neue Einbildung. Diesmal stellte er sich vor, er sey eine Fledermaus, und wenn er so spatzieren ging, zischte er manchmal, so leise wie diese Geschöpfe, bewegte sich auch ein wenig mit den Händen und dem Körper, als wolle er fliegen. Die Ärzte, die ihn wohl kannten, so wie seine alten Diener, suchten ihm alle Art von Unterhaltung zu verschaffen, und weil sie glaubten, er habe grosses Vergnügen mich discutiren zu hören, so holten sie mich alle Augenblicke und führten mich zu ihm. Ich mußte manchmal vier bis fünf Stunden bei diesem armen Manne bleiben und durfte nicht aufhören zu reden, er verlangte, daß ich an seiner Tafel gegen ihn über sitzen sollte, und dabey wurde von beyden Seiten unaufhörlich gesprochen. Bey dieser Gelegenheit aß ich sehr gut, aber er, der arme Mann, aß nicht und schlief nicht, und ermüdete mich auch dergestalt, daß ich nicht mehr vermochte. Manchmal, wenn ich ihn ansah, konnte ich bemerken, daß seine Augen ganz falsch gerichtet waren, das eine blickte dahin, das andere dorthin. Untern andern fing er auch an mich zu fragen: ob mir wohl niemals die Lust zu fliegen angekommen sey? Darauf versetzte ich: Eben diejenigen Dinge, die dem Menschen am schwersten vorkämen, hätte ich am liebsten zu vollbringen gewünscht und vollbracht, und was das Fliegen betreffe, so habe mir Gott und die Natur einen Körper sehr geschickt zum Laufen gegeben, und wenn ich nun noch einige mechanische Vortheile dazu thäte, so sollte mir das Fliegen sicher glücken.

Darauf fragte er mich, auf welche Weise ich es anfangen wollte? und ich versetzte: wenn ich die Thiere, welche fliegen, betrachte, um das, was ihnen die Natur gegeben hat, durch Kunst nachzuahmen; so finde ich nur die Fledermaus, die mir zum Muster dienen kann.

Kaum hatte er den Nahmen Fledermaus gehört, als seine dießjährige Narrheit bey ihm aufwachte und er mit lauter Stimme rief: das ist wahr! das ist das rechte Thier! und dann wendete er sich an mich und sagte: Benvenuto! nicht wahr, wenn man dir die Gelegenheit gäbe, so würdest du auch Muth haben zu fliegen? Ich versetzte, er solle mir nur die Erlaubniß geben, so getraute ich mich bis hinaus auf die Wiesen zu fliegen, wenn ich mir ein paar Flügel von feiner gewichster Leinwand machen wollte. Darauf versetzte er: auch das getraute ich mir wohl, aber der Papst hat mir befohlen, dich aufs genaueste in acht zu nehmen, und ich weiß wohl daß du ein künstlicher Teufel bist, und im Stand wärst mir zu entfliehen, darum will ich dich mit hundert Schlüsseln verschliessen lassen, damit du aushalten mußt.

Nun fing ich an ihn zu bitten, und brachte ihm ins Gedächtniß, daß ich also ihm ja schon hätte entfliehen können, daß ich aber mein Wort gegen ihn niemals gebrochen haben würde. Ich bat ihn um Gotteswillen und bey allen denen Gefälligkeiten, die er mir schon erzeigt hatte, daß er das Übel, das ich ohnedies leiden mußte, nicht noch vergrößern möchte.

Indem ich also sprach, befahl er ausdrücklich, daß sie mich binden und mich in meinem Gefängnisse wohl einschließen sollten. Da ich nun sahe, daß nichts anders zu hoffen war, sagte ich ihm in Gegenwart aller der seinigen, so verschließt mich nur wohl, denn ich werde euch auf alle Weise zu entkommen suchen. So führten sie mich weg und sperrten mich mit der größten Sorgfalt ein.

Nun fing ich an die Art und Weise zu überlegen, wie ich entkommen könnte. Sobald ich eingeschlossen war, untersuchte ich das Gefängniß, und da ich sicher glaubte den Weg gefunden zu haben, wie ich herauskommen könnte, so bedachte ich wie ich von dem hohen Thurm herunter kommen wollte, nahm meine Leintücher, die ich, wie gesagt, schon zerschnitten hatte, nähte sie wohl zusammen, und bedachte wie viel Öfnung ich brauchte um durchzukommen, und bereitete überhaupt alles was mir nur dienen konnte. Ich holte eine Zange hervor, die ich einem Savoiarden genommen hatte, der unter der Schlosswache sich befand. Er sorgte für die Wasserfässer und Brunnen und arbeitete dabei allerley in Holz. Unter verschiedenen Zangen, die er brauchte, war auch eine sehr starke und große, ich überlegte daß sie mir sehr nützlich seyn könnte, nahm sie ihm weg und verbarg sie in meinen Strohsack. Als nun die Zeit herbei kam, daß ich mich ihrer bedienen wollte, so fing ich an damit die Nägel zu untersuchen, wodurch die Bänder der Thüre befestigt waren; weil aber die Thüre doppelt war, so blieb auch der umgeschlagene Theil der Nägel ganz verborgen, so daß ich mit der größten Mühe von der Welt endlich einen herausbrachte. Darauf überlegte ich wie ichs nun anzufangen hätte, daß man es nicht merkte, und vermischte ein wenig rostigen Eisenfeil mit Wachs, welches dadurch die völlige Farbe der Nägelköpfe erhielt, die ich nun, so wie ich einen herauszog, wieder auf den Bändern vollkommen nachahmte. So hatte ich die Bänder nur oben und unten befestigt, indem ich einige Nägel abstutze und sie leicht wieder einsteckte, damit sie mir die Bänder nur fest halten sollten.

Dieses alles vollbrachte ich mit grosser Schwierigkeit, denn der Castellan träumte jede Nacht, ich sey entflohen, und schickte alle Stunden ins Gefängniß. Der Mensch, der jedes mal kam, hieß und betrug sich wie ein Häscher, man nannte ihn Bozza, er brachte immer einen andern mit sich, der Johannes hieß, mit dem Zunahmen Pedignone, dieser war Soldat, jener Aufwärter. Johannes kam niemals in mein Gefängniß ohne mir etwas beleidigendes zu sagen; der andere war von Prato und daselbst bei einem Apotheker gewesen. Er betrachtete genau jene Bänder und überhaupt das ganze Gefängniß; und ich sagte zu ihm: nehmt mich wohl in acht, denn ich gedenke auf alle Weise zu entfliehen. Über diese Worte entstand zwischen mir und ihm die größte Feindschaft, so daß ich mein Eisenwerk, die Zange nämlich und einen ziemlich langen Dolch, auch andere dergleichen Dinge, sorgfältig in meinen Strohsack verbarg.

Sobald es Tag ward, kehrte ich selbst, und ob ich gleich von Natur mich an der Reinlichkeit ergötze, so trieb ich sie zu jener Zeit aufs äusserste. Sobald ich gekehrt hatte, machte ich mein Bett aufs zierlichste und putzte es mit Blumen, die ich mir fast alle Morgen vom Savoiarden bringen ließ, dem ich die Zange entwendet hatte. Wenn nun Bozza und Pedignone kamen, so sagte ich ihnen gewöhnlich, sie sollten mir vom Bette bleiben, ich wollte es weder beschmutzt noch eingerissen haben, und wenn sie es ja einmal, um mich zu necken, nur leicht berührt hatten, rief ich: ihr schmutzigen Lumpen! werd ich doch gleich an einen eurer Degen meine Hand legen, und euch so zurichten, daß ihr euch verwundern sollt; glaubt ihr wohl werth zu seyn, das Bett von meines gleichen anzurühren? wahrhaftig ich werde mein Leben nicht achten, da ich gewiss bin, euch das eure zu nehmen. Ist es nicht genug an meinem Verdruß und meiner Noth? wollt ihr mich noch ärger quälen? Hört ihr nicht auf, so will ich euch zeigen, was ein verzweifelter Mensch thun kann.

Das sagten sie alles dem Castellan wieder, der ihnen ausdrücklich befahl: sie sollten sich meinem Bette nicht nähern und übrigens aufs beste für mich sorgen. Da ich nun mein Bett gesichert hatte, glaubte ich schon alles gethan zu haben, weil in demselben alle Hülfsmittel zu meinem Unternehmen verborgen lagen, und ich freute mich um so mehr, dieweil ich schon Aufsehen erregt hatte.

Am Abend eines Festtages unter andern war der Castellan in einem üblen Zustand, seine Krankheit hatte sich verschlimmert und er wollte nun von nichts anders wissen, als daß er eine Fledermaus sey. Er befahl seinen Leuten wenn sie hörten, daß Benvenuto weggeflogen wäre, sollten sie ihn nur gewähren lassen, er wolle mich gewiss wieder einholen, denn bei Nacht würde er gewiss stärker fliegen als ich. Benvenuto, pflegte er zu sagen, ist nur eine nachgemachte Fledermaus, ich aber bin es wahrhaftig. Mir ist er anbefohlen, ich will ihn schon wieder habhaft werden. So war es viele Nächte fortgegangen, er hatte alle seine Diener ermüdet, ich erfuhr was vorging auf verschiedenen Wegen, besonders durch den Savoiarden, der mir sehr wohl wollte.

An eben diesem Abende hatte ich mich entschlossen, es koste was es wolle, zu entfliehn. Ich wendete mich vor allen Dingen zu Gott und bat seine göttliche Majestät, in so einem gefährlichen Unternehmen, mich zu beschützen und mir beizustehn. Hernach legte ich Hand ans Werk, und arbeitete die ganze Nacht an den Sachen, die ich brauchen wollte. Zwey Stunden vor Tage nahm ich die Bänder mit großer Mühe herunter, denn das Thürgewünde und der Riegel hinderten mich dergestalt, daß ich nicht aufmachen konnte, und ich mußte daher das Holz zersplittern, doch brachte ich sie endlich auf, nahm die Binden auf den Rücken, die ich auf zwey Hölzer, nach Art der Hanfspindeln gewunden hatte. Nun ging ich hinaus und an der rechten Seite des Thurms herum, ich deckte von innen zwey Ziegel des Dachs auf und hub mich mit Leichtigkeit hinauf. Ich hatte ein weisses Nachtwestchen an, auch weisse Beinkleider und Halbstiefeln und in die Stiefeln hatte ich meinen Dolch gesteckt. Nachher nahm ich ein Ende meiner Binden und hing es an ein Stück Ziegel das in den Thurm gemauert war und ohngefähr vier Finger herausstand. Die Binde hatte ich auf die Art eines Steigbiegels zubereitet. Darauf wendete ich mich zu Gott und sagte: hilf mir nun, weil ich recht habe, wie du weißt, und weil ich mir selbst zu helfen gedenke.

Nun ließ ich mich sachte hinab, und indem ich mich durch die Gewalt der Arme erhielt, kam ich endlich bis auf den Boden. Es war kein Mondenschein, aber ein schöne Helle. Da ich unten war, betrachtete ich die große Höhe, von der ich so kühn heruntergekommen war, und ging vergnügt weg, denn ich glaubte befreyt zu seyn. Es fand sich aber anders, denn der Castellan hatte an dieser Seite zwey hohe Mauren aufführen lassen, wo er seine Ställe und seinen Hühnerhof hatte, und es waren die Thüren von außen mit großen Riegeln verschlossen. Da ich sah, daß ich nicht hinaus konnte, ging ich hin und wieder und überlegte, was zu thun sey? Unversehens stieß ich wider eine große Stange, die mit Stroh bedeckt war, richtete sie mit großer Schwierigkeit gegen die Mauer und half mir mit der Gewalt meiner Arme in die Höhe, weil aber die Mauer sehr scharf war, so konnte ich nicht ganz hinauf kommen, und entschloß mich ein Stück meiner neuen Binde, von der andern Spindel, dazu anzuwenden, denn die andere war am Thurm des Schlosses hängen geblieben. Da ich sie nun an den Balken gebunden hatte, ließ ich mich auch diese Mauer hinunter, doch hatte ich dabei große Mühe und ward sehr ermüdet, denn die Hände waren mir innwendig aufgeschunden und bluteten. Ich ruhte deshalb ein wenig aus und wusch mir die Hände mit meinem eigenen Wasser. Als ich nun glaubte meine Kräfte wären wieder hergestellt, griff ich zu meinen noch übrigen Binden und wollte sie um einen Zacken des Mauerkranzes winden, um, wie von der größern Höhe, so auch von der kleinern herunterzukommen. Da bemerkte mich eine Schildwache, und in dieser Gefahr meinen Zweck vereitelt und mein Leben ausgesetzt zu sehen, nahm ich mir vor die Wache anzugreifen, die, als sie meinen entschiedenen Vorsatz bemerkte, und wie ich ihr mit gewaffneter Hand zu Leibe ging, größere Schritte machte, und mir auswich.

Ich kehrte schnell zu meinen Binden zurück, und ob ich gleich wieder eine andere Schildwache sah, so wollte doch diese mich dießmal nicht sehen. Nun hatte ich meine Binden am Mauerkranz befestigt, und ließ mich hinab. Ob ich nun zu früh glaubte, daß ich schon nahe genug an der Erde sey, und die Hände aufthat um hinab zu springen, oder ob sie mir zu müde waren und die Anstrengung nicht mehr ausdauern konnten, weiß ich nicht zu sagen, genug ich fiel, verletzte mir den Kopf, und blieb betäubt liegen.

Es mochten ohngefähr anderthalb Stunden vergangen seyn als der Thau, der eine Stunden vor Sonnen Aufgang fällt, mich wieder erfrischte und munter machte, doch war ich noch immer wie schlaftrunken, ob ich gleich einen Versuch machte mich aufzuheben. Noch immer war ich nicht bei mir, es kam mir vor, als hätte man mir das Haupt abgeschlagen, und ich befände mich im Fegefeuer. So kamen wir nach und nach die Kräfte wieder, und der Gebrauch der Sinne stellte sich her, dann sah ich daß ich außerhalb des Castells war, und ich erinnerte mich alles dessen was ich gethan hatte. Vor allem andern fühlte ich die Verletzung meines Hauptes und als ich es mit den Händen befühlte, brachte ich sie ganz blutig wieder herunter. Darauf betastete ich mich überall und glaubte mich nicht sonderlich beschädigt zu haben, als ich mich aber von der Erde aufheben wollte, fand ich, daß ich meine rechten Fuß gebrochen hatte, drey Finger über dem Knöchel worüber ich sehr erschrack. Ich zog meine Dolch aus dem Stiefel zusammt der Scheide, dieser hatte leider an der Spitze des Ortbandes ein ziemlich großes Kügelchen, und da sich nun der Fuß deshalb auf keine Weise biegen konnte, so war es die Ursache, daß er an dieser Stelle brach. Darauf warf ich die Scheide des Dolchs weg, und schnitt mit demselben ein Stück von der Binde, die mir übrig geblieben war, herunter, womit ich den Fuß, so gut ich konnte, zusammenband, dann kroch ich auf allen Vieren mit dem Dolche nach dem Thor, das noch verschlossen war. Genau unter demselben bemerkte ich einen Stein, den ich nicht für sehr stark hielt, ich gedachte ihn loszubringen, deßwegen legte ich Hand an, und als ich eine Bewegung fühlte, kam ich leicht zu Stande, zog den Stein heraus und schlüpfte hinein. Es mochten mehr als fünfhundert Schritte seyn, vom Orte da ich herunter fiel, bis zum Thore.

Kaum war ich wieder nach Rom hinein, als einige große Hunde sich auf mich warfen, die mich übel bissen. Da sie nun verschiedene Male mich zu quälen wieder kamen, stach ich mit meinem Dolch unter sie, und traf einen so tüchtig, daß er laut aufschrie, und davon lief. Die andern Hunde, wie es ihre Art ist, liefen ihm nach, und ich gedachte die nächste Kirche zu erreichen, immer auf allen Vieren. Als ich nun an das Ende der Straße gekommen war, wo man sich nach St. Angelo umkehrt, veränderte ich meinen Vorsatz und ging gegen Sanct Peter, und da es hell genug um mich wurde, betrachtete ich die Gefahr in der ich schwebte. Da begegnete mir ein Wasserhändler mit seinem beladenen Esel und gefüllten Krügen, ich rief ihn zu mir, und bat ihn er sollte mich aufheben, und mich auf die Höhe der Treppe von Sanct Peter tragen, dabei sagte ich ihm: ich bin ein armer Jüngling, der bei einem Liebeshandel sich zum Fenster herunter lassen wollte; ich bin gefallen und habe mir einen Fuß gebrochen, und da der Ort, von dem ich komme, von großer Bedeutung ist, so bin ich in Gefahr, in Stücken zerhauen zu werden, deswegen bitte ich dich, hebe mich schnell auf, du sollst einen Goldgülden haben.

Ich griff sogleich nach dem Beutel in welchem eine gute Menge sich befanden. Er fasste mich unverzüglich an, nahm mich auf den Rücken, und trug mich auf die Stufen von Sanct Peter, da sagte ich ihm, er solle mich nur lassen und zu seinem Esel zurücklaufen, alsdenn kroch ich nach dem Hause der Herzogin, Gemahlin des Herzogs Ottario, einer natürlichen Tochter des Kaisers, die vorher Gemahlin Herzog Alexanders von Florenz gewesen war. Ich wußte gewiss, daß bei dieser grossen Fürstin viele von meinen Freunden sich befanden, die mit ihr von Florenz gekommen waren, auch hatte sie schon gelegentlich Gutes von mir gesprochen.

Denn als sie ihren Einzug in Rom hielt, war ich Ursache, daß ein Schade von mehr als tausend Scudi verhindert wurde: es regnete sehr stark und der Castellan war äuserst verdrießlich, ich aber sprach ihm Muth ein, und sagte ihm, wie ich mehrere Kanonen nach der Gegend gerichtet hätte, wo die stärksten Wolken wären; und als ich mitten in einem dichten Regen anfing die Stücke abzufeuern, hörte es auf, und viermal zeigte sich die Sonne, und so war ich Ursache daß dieses Fest aufs glücklichste vorbeiging. Das hatte der Castellan dem Papst erzählt, um etwas zu meinen Gunsten vorzubringen. Als es die Herzogin hörte, sagte sie: der Benvenuto ist einer von den geschickten Leuten, die mit meinem seligen Herrn waren, und ich werde es ihm immer gedenken, wenn es Gelegenheit giebt. Auch hatte sie von mir mit ihrem jezigen Gemahle gesprochen. Deßwegen ging ich gerade nach Ihro Excellenz Wohnung, die im alten Borgo, in einem sehr schönen Pallaste war. Da wäre ich nun ganz sicher gewesen, und der Papst hätte mich nicht angerührt, aber weil das, was ich bisher gethan hatte, zu außerordentlich für einen sterblichen Menschen war, so wollte Gott nicht, daß ich mich dieses eigenen Ruhms überheben sollte, vielmehr sollte ich zu meinem Besten noch größere Prüfungen ausstehn, als jene waren, die ich schon erlitten hatte.

Daher begab sich, daß als ich so auf Händen und Füssen die Treppe hinunter kroch, ein Bedienter des Cardinal Cornaro mich erkannte, dieser lief sogleich zu seinem Herrn, der im Vatikanischen Pallast wohnte, weckte ihn und sagte: Hochwürdigster Herr! da ist euer Bonvenuto aus dem Castell geflohen, und kriecht ganz blutig auf allen Vieren, so viel sich bemerken läßt, hat er ein Bein gebrochen, und wir wissen nicht wo er hin will. Darauf sagte der Cardinal: sogleich lauft und tragt mir ihn hierher in mein Zimmer. Als ich vor ihn kam, sagte er, ich solle ruhig seyn! und schickte sogleich nach den ersten Ärzten von Rom, die mich in die Kur nahmen. Unter denselben war Meister Jacob von Perugia, der trefflichste Chirurgus, der richtete mir den Fuß ein, verband mich und ließ mir selbst zur Ader; da nun die Gefäße übermässig aufgetrieben waren, er auch die Öfnung etwas groß gemacht hatte, so fuhr eine Menge Bluts dergestalt gewaltsam heraus, ihm ins Gesicht, und bedeckte ihn über und über, daß er sich entfernen mußte. Er nahm die Sache für ein böses Anzeichen, und kurirte mich mit grossem Widerwillen, ja einige Male wollte er mich gar verlassen, denn er fürchtete, diese Kur könnte ihm sehr übel bekommen. Der Kardinal ließ mich in ein geheimes Zimmer legen, und ging in der Absicht weg, mich von dem Papste zu erbitten.

Indessen war in Rom ein entsetzlicher Lärm entstanden, man hatte die Binden am großen Thurme hängen sehen, und ganz Rom lief, um diese unschätzbare Begebenheit zu betrachten. Indessen war der Kastellan in seine größte Tollheiten verfallen, wollte mit aller Gewalt sich von seinen Dienern losreissen, und auch vom Thurme herunter fliegen, denn er behauptete, es könne mich niemand erreichen als er, wenn er mir nachflöge.

Indessen war Herr Robert Pucci, Vater des Herrn Pantolfo, da er diese große Sache vernommen, auch selbst gegangen um sie zu sehen, er kam darauf in den Pallast, wo er dem Kardinal Cornaro begegnete, der ihm den ganzen Erfolg erzählte, und wie ich mich in einem seiner Zimmer schon verbunden befände. Diese zwey braven Männer gingen zusammen, sich zu den Füssen des Papstes zu werfen, der sie nicht zum Worte kommen ließ, sondern sogleich sagte: ich weiß was ihr von mir wollt. Herr Robert Pucci versetzte: Heiligster Vater! wir bitten um Gnade für den armen Mann, der wegen seiner Geschicklichkeit einiges Mitleiden verdient, und der außerdem so viel Muth und Verstand gezeigt hat, daß es gar keine menschliche Sache zu seyn scheint. Wir wissen nicht, wegen welcher Vergehungen er so lange im Gefängniß war, sind sie allzu groß und schwer, so wird Ew. Heiligkeit, heilig und weise wie sie ist, nach Gefallen verfahren, aber sind es Dinge die läßlich sind, so bitten wir um Gnade für ihn. Der Papst schämte sich und sagte: er habe mich auf Ansuchen einiger der Seinigen inne behalten, weil ich ein wenig gar zu verwegen sey. Da er aber meine guten Eigenschaften kenne, so wolle er mich bei sich behalten, und mir so viel gutes erzeigen, daß ich nicht Ursache haben sollte, wieder nach Frankreich zu gehen. Sein großes Übel thut mir leid, setzte er hinzu, er soll für seine Gesundheit sorgen, und wenn er genesen ist, gedenken wir ihn von seinen andern Übeln zu heilen. Sogleich kamen die beyden wackern Männer und brachten mir diese gute Nachricht.

Indessen nun der römische Adel mich besuchte, junge, alte und von aller Art, ließ sich der Castellan, noch ganz außer sich, zum Papste tragen, und als er vor ihn kam, schrie er: wenn seine Heiligkeit den Benvenuto nicht wieder ins Gefängniß stellten, so geschähe ihm das größte Unrecht. Er ist, rief er aus, gegen sein gegebenes Wort geflohen; wehe mir! er ist davon geflohen, und hat mir doch versprochen nicht wegzufliegen. Der Papst sagte lachend: geht nur, geht! ihr sollt ihn auf alle Fälle wieder haben. Dann bat noch der Castellan und sagte: sendet doch den Gouverneur zu ihm, daß er vernehme, wer ihm geholfen hat, denn wenn es einer von meinen Leuten ist, so soll er an der Zinne hängen, von der sich Benvenuto herunter ließ.

Als der Castellan weg war, rief der Papst lächelnd den Gouverneur, und sagte: das ist ein braver Mann, und die Sache ist wundersam genug, doch als ich jung war, habe ich mich auch da oben herunter gelassen.

Daran sagte er nun freylich die Wahrheit, denn er hatte gefangen im Castell gesessen, weil er, als Abbreviator, ein Breve verfälscht hatte; Papst Alexander ließ ihn lange sitzen, und weil die Sache gar zu arg war, wollte er ihm den Kopf nach dem Frohnleichnamsfeste abschlagen lassen. Farnese wußte das alles, und ließ Peter Chiavelluzzi mit Pferden bestellen, bestach einige von der Wache, so daß, am Frohnleichnamstage, indessen der Papst in Procession zog, Farnese in einem Korb an einem Seil zur Erde gelassen wurde. Damals war das Castell noch nicht mit Mauren umgeben, sondern der Thurm stand frey und er hatte keinesweges die großen Hindernisse bei seiner Flucht, als ich, auch saß er mit Recht und ich mit Unrecht gefangen; genug er wollte gegen den Gouverneur sich rühmen, daß er auch in seiner Jugend brav und lebhaft gewesen sey, und bemerkte nicht, daß er zu gleicher Zeit seine Niederträchtigkeit verrieth. Darauf sagte er zu dem Gouverneur: gehet und sagt ihm, er soll bekennen wer ihm geholfen hat? Es mag seyn wer es will, genug ihm ists verziehen, das könnt ihr ihm frey versprechen.

Der Gouverneur, der einige Tage vorher Bischoff von Jesi geworden war, kam zu mir, und sagte: mein Benvenuto! wenn schon mein Amt die Menschen erschreckt, so komme ich doch dießmal dich zu beruhigen, und ich habe dazu den eigensten Befehl und Auftrag vom Papste. Er hat mir gesagt, daß er auch von dort entflohen sey, und es wäre ihm nicht ohne viele Helfer und Gesellen möglich gewesen. Ich schwöre dir, bei dem Eid den ich auf mir habe, denn ich bin seit zwei Tagen Bischof, daß dir der Papst vergiebt, und dich frey spricht, ja sogar dien Übel bedauert, sorge für deine Gesundheit, und nimm alles zum Besten. Selbst dieses Gefängniß in das du, ohne die mindeste Schuld, gekommen bist, wird auf immer zu deinem Wohl gereichen, denn du wirst der Armuth entgehen, und nicht nöthig haben wieder nach Frankreich zurückzukehren, und dirs da dort sauer werden zu lassen. Daher gestehe mir frey wie die Sache zugegangen ist, und wer dir beigestanden hat? Dann sey getrost und ruhig, und genese.

Da fing ich an und erzählte ihm die ganze Geschichte, wie sie sich ereignet hatte, und gab ihm die genauesten Merkzeichen, sogar von dem Wassermanne, der mich getragen hatte. Darauf sagte der Gouverneur, wahrlich das ist zu viel für Einen Mann, und keines Menschen, als deiner würdig. Darauf ließ er mich die Hand ausstrecken, und sagte: sey munter und getrost, bei dieser Hand die ich berühre, du bist frey, und so lange du lebst wirst du glücklich seyn.

Da er weg war, traten viele große Edelleute und Herren herein, die so lange gewartet hatten, denn jeder wollte den Mann sehen, der so viel Wunder thäte. Dieser Besuch blieb lange bei mir, manche boten mir Unterstüzungen an, manche brachten mir Geschenke. Indessen war der Gouverneur zum Papste gekommen, und fing an die Geschichte zu erzählen, wie er sie von mir gehört hatte, und zufälligerweise war Herr Peter Ludwig sein Sohn gegenwärtig. Alle verwunderten sich höchlich, und der Papst sagte: wahrhaftig, diese Begebenheit ist allzu groß. Darauf versetzte Herr Peter Ludwig: Heiligster Vater! wenn ihr ihn befreyt, so wird er euch noch grössere sehen lassen, denn er ist ein allzukühner Mann, ich will euch etwas anders erzählen, was ihr noch nicht wißt. Euer Benvenuto, ehe er noch gefangen gesetzt wurde, hatte einen Wortwechsel mit einem Edelmann des Cardinals Santa Fiore, über eine Kleinigkeit. Benvenuto antwortete so heftig und kühn, beinah als wenn er ihn herausfodern wollte; alles das hinterbrachte der Edelmann dem Kardinal, welcher sagte: wenn Benvenuto zu Thätigkeiten käme, so wollte er ihm den Narren schon aus dem Kopfe treiben. Benvenuto hatte das vernommen, gleich hielt er seine kleine Büchse parat, mit der es jedes Mal einen Pfennig trifft, seine Werkstatt ist unter den Fenstern des Kardinals, und als dieser eines Tages heraus sah, ergriff jener seine Büchse um nach dem Kardinal zu schießen, der, weil man ihn warnte, sogleich zurücktrat; Benvenuto, damit es keinen Anschein haben sollte, schoß nach einer Feldtaube, die auf der Höhe des Pallastes in einer Öfnung nistete, und traf sie an den Kopf, was kaum zu glauben ist. Nun thue Ew. Heiligkeit mit ihm was Ihnen beliebt, ich habe es wenigstens sagen wollen, denn es könnte ihm einmal die Lust ankommen, nach Ew. Heiligkeit zu schießen, da er glaubt, man habe ihn unschuldig gefangen gesetzt. Es ist ein zu wildes, ein allzu sicheres Gemüth. Als er den Pompeo ermordete, gab er ihm zwey Stiche in den Hals, in der Mitte von zehen Männern die ihn bewachten, und rettete sich sogleich, worüber jene, die doch brave und zuverlässige Leute waren, nicht wenig gescholten wurden. Der Edelmann des Kardinals Santa Fiore, der so eben gegenwärtig war, bekräftigte dem Papst alles was sein Sohn gesagt hatte; der Papst schien verdrießlich und sagte nichts.

Nun will ich aber das wahre Verhältniß dieser Sache genau und treulich erzählen: Gedachter Edelmann kam eines Tages zu mir, und zeigte mir einen kleinen goldenen Ring, der von Quecksilber ganz verunreinigt war, und sagte: reinige mir den Ring! und mach geschwind! Ich hatte viel wichtige Werke und Arbeiten von Gold und Edelsteinen vor mir, und da mir jemand so gerade zu befahl, den ich niemals weder gesprochen noch gesehen hatte, sagte ich ihm: ich hätte das Putzzeug so eben nicht bei der Hand, er möchte zu einem andern gehen. Darauf sagte er mir, ohne irgend einen Anlaß: ich sey ein Esel! Darauf antwortete ich: er rede nicht die Wahrheit, ich sey in jedem Betracht mehr als er, wenn er mich aber anstieße, so wollte ich ihm Tritte geben, ärger als ein Esel. Das hinterbrachte er dem Kardinal und mahlte ihm eine Hölle vor. Zwey Tage darauf schoß ich nach einer wilden Taube in ein hohes Loch, an dem Pallast, sie hatte dort genistet, und ich hatte einen Goldschmidt, Johann Franziscus della Tacca, einen Mailänder, schon oft darnach schießen sehen, der sie nie getroffen hatte. Diesmal sah die Taube nur mit dem Kopf heraus, da ihr verdächtig war, daß man schon einige Male nach ihr geschossen hatte. Franziscus und ich waren auf der Jagd mit der Büchse, Nebenbuhler und einige Edelleute, meine Freunde, die an meiner Werkstatt lehnten, sagten zu mir: siehe, da droben ist die Taube, nach der Francesco so lange geschossen, und sie niemals getroffen hat; sieh nur, wie das arme Thier in Furcht ist, kaum läßt es den Kopf sehen. Da hob ich die Augen in die Höhe und sagte: der Kopf allein wäre mir genug, um das Thier zu erlegen; wenn es nur warten wollte bis ich meine Büchse angelegt hätte, gewiss ich wollte nicht fehlen. Darauf sagten meine Freunde: dem Erfinder der Büchse selbst würde ein solcher Schuß nicht gelingen; ich aber versetzte: wetten wir einen Becher griechischen Weins, von dem guten des Wirthes Palombo! wartet sie auf mich, bis ich meinen wundersamen Broccardo nur anlege, (denn so nannte ich meine Büchse) so will ich sie auf das Bischen Kopf treffen, das sie mir zeigt. Sogleich zielte ich aus freyer Hand, ohne irgendwo anzulehnen, und hielt mein Wort. Ich dachte dabei weder an Kardinal, noch an irgend einen Menschen, vielmehr heilt ich den Kardinal Santa Fiore für meinen großen Gönner. Daraus kann man nun sehen, was das Glück für mancherley Wege nimmt, wenn es einen einmal beschädigen und zu Grunde richten will.

So war der Papst innerlich voll Ärger und Verdruß, und bedachte was ihm sein Sohn gesagt hatte. Nun begehrte, zwey Tage hernach, der Cardinal Cornaro ein Bisthum für einen seiner Edelleute, welcher Andrea Contano hieß. Der Papst erinnerte sich wohl, daß er gedachtem Manne das erste zu erledigende Bisthum versprochen hatte, und war auch bereit, es ihm zu geben, nur verlangte er eine Gegengefälligkeit, und zwar wollte er mich wieder in seine Hände haben. Darauf sagte der Cardinal: da Ew. Heiligkeit ihm schon verziehen haben, was wird die Welt sagen? und da Sie ihn frey in meine Hände gaben, was werden die Römer von Ew. Heiligkeit, und von mir sagen? Darauf antwortete der Papst: ich verlange den Benvenuto, wenn ihr das Bisthum verlangt, und jeder denke was er will. Der gute Cardinal versetzte: Seine Heiligkeit möchte ihm das Bisthum geben, dabei aber die Sache doch bedenken, und übrigens nach Belieben verfahren. Darauf antwortete der Papst, der sich doch einigermaßen seines schändlich gebrochenen Wortes schämte: ich werde den Benvenuto holen lassen, und zu meiner kleinen Satisfaction soll man ihn unten in die Zimmer des geheimen Gartens bringen, wo er völlig genesen mag; ich will nicht verbieten, daß ihn alle seine Freunde besuchen können, und für seinen Unterhalt sorgen, bis ihm alle Grillen wieder aus dem Kopfe sind.

Der Cardinal kam nach Hause und ließ mir durch den, der das Bisthum erwartete, sogleich sagen: der Papst wolle mich wieder in seine Hände haben, ich sollte aber in einem untern Zimmer des geheimen Gartens bleiben, wo mich jedermann besuchen könnte, so wie bisher in seinem Zimmer. Darauf bat ich Herrn Andreas, er möge dem Cardinal sagen, daß er mich dem Papst doch ja nicht ausliefern sollte. Wenn er mirs gewähren liesse, so wollte ich mich, in eine Matrazze gewickelt, ausserhalb Rom an einen sichern Ort bringen lassen, denn wenn ich wieder in die Hände des Papstes geriethe, würde ich gewiss umkommen.

Wären meine Worte dem Cardinal hinterbracht worden, so glaube ich, er hätte es wohl gethan, aber der Herr Andreas, der das Bisthum erwartete, entdeckte die Sache, der Papst schickte geschwind nach mir und ließ mich, wie er gesagt hatte, in eines der untern Zimmer seines geheimen Gartens bringen. Der Cardinal ließ mir sagen, ich sollte nichts von den Speisen essen, die mir der Papst schicke, er wolle mir essen senden. Was er gethan habe, sey aus Nothwendigkeit geschehen, ich sollte gutes Muthes seyn, er wolle mir schon beistehen und mich befreyen helfen.

Während dieses Aufenthalts hatte ich täglich Besuch, und grosse Dinge wurden mir von den Edelleuten angeboten, vom Papst kam das Essen, das ich aber nicht anrührte, vielmehr nur das genoß, was der Cardinal mir schickte, und so ging es eine Weile. Unter andern Freunden hatte ich einen griechischen Jüngling von fünf und zwanzig Jahren; derselbe war sehr munter, focht besser als irgend ein andrer in Rom, dabei war er kleinmüthig, äusserst treu, redlich und leichtgläubig. Nachdem ich vernommen hatte, wie der Papst von Anfang, und wie er nachher das Gegentheil gesprochen, vertraute ich mich dem jungen Griechen und sagte zu ihm: Lieber Bruder, sie wollen mich umbringen, und es wird Zeit, daß ich mich rette; sie denken, ich merke es nicht, und erzeigen mir deswegen solche besondere Gunst, das alles nur lauter Verrätherey ist. Der gute Jüngling sagte zu mir: mein Benvenuto! in Rom erzählt man, der Papst habe dir eine Stelle von fünfhundert Scudi gegeben, ich bitte dich, bringe dich nicht durch deinen Verdacht um ein solches Glück. Ich aber bat ihn mit den Armen auf der Brust, er möchte mir forthelfen, ich wisse wohl, daß ein solcher Papst mir viel Gutes thun könne, es sey aber leider nur zu gewiss, daß mir dieser, in so fern er es nur mit Ehren thun könne, heimlich alles mögliche Böse zufügen werde. So beschwur ich meinen Freund, er solle mir das Leben retten, und wenn er mich wegbrächte, wie ich ihm die Mittel dazu angeben wollte, so würde ich anerkennen, daß ich ihm mein Leben schuldig sey, und es im Nothfall auch wieder für ihn verwenden.

Der arme Jüngling sagte weinend zu mir: lieber Bruder, du willst dein eignes Verderben, und doch kann ich dir das, was du befiehlst, nicht versagen; zeige mir die Art und Weise, und ich will alles verrichten, obschon wider meinen Willen.

So waren wir entschlossen, ich hatte ihm die Art gesagt und alles bestellt, so daß es leicht hätte gehen müssen. Er kam, und ich glaubte, er werde nun ins Werk richten, was ich angeordnet hatte. Da sagte er, um meines eignen Heils willen, wolle er ungehorsam seyn, er wisse wohl, was er von Leuten gehört habe, die immer um den Papst seyne, und denen mein wahres Verhältniß bekannt sey. Da ich mir nun nicht anders zu helfen wußte, war ich höchst verdrießlich und voller Verzweiflung.

Unter diesem Zwist war der ganze Tag vergangen, es war Frohnleichnam 1539 und man brachte mir aus der Küche des Papstes reichliches Essen, nicht weniger gute Speisen aus der Küche des Cardinals. Es kamen verschiedene Freunde und ich bat sie zu Tische, hielt meinen verbundenen Fuß auf dem Bette und aß frölich mit ihnen. Sie gingen nach Ein Uhr hinweg, zwey meiner Diener brachten mich zu Bette und legten sich darauf ins Vorzimmer.

Ich hatte einen Hund, wie ein Mohr so schwarz, von der zottigen Art, der mir auf der Jagd trefflich diente und der keinen Schritt von mir wich. Er lag unter dem Bette, und ich rief meinen Diener wohl dreymal, er solle ihn hervorholen, denn das Thier heulte schrecklich. Sobald meine Diener kamen, warf er sich auf sie und biß um sich, meine Leute fürchteten sich, sie glaubten der Hund sey toll, weil er beständig heulte. So brachten wir zu bis vier Uhr in der Nacht. Wie die Stunde schlug, trat der Bargell mit vielen Gehülfen in mein Zimmer, da fuhr der Hund hervor und fiel grimmig über sie her, zerriß ihnen Jacken und Strümpfe und jagte ihnen solche Furcht ein, daß sie ihn auch vor wüthend hielten. Deswegen sagte der Bargell, als ein erfahrner Mann, das ist die Art der guten Hunde, daß sie das Übel, das ihren Herrn bevorsteht, rathen und voraussagen, wehrt euch mit ein paar Stöcken gegen das Thier, bindet mir Benvenuto auf diesen Tragsessel und ihr bringt ihn an den bewussten Ort. Das war nun, wie ich schon sagte, am Frohnleichnamstage, ohngefähr um Mitternacht, so trugen sie mich bedeckt und verstopft, und vier gingen voraus, die wenigen Menschen, die noch auf der Strasse waren, bei Seite zu weisen. Sie trugen mich nach Torre de Nona, und brachten mich in das Gefängniß auf Leben und Tod, legten mich auf eine schlechte Matratze und liessen mir einen Wächter da, welcher die ganze Nacht mein übles Schiksal beklagte, und immer ausrief: Armer Benvenuto, was hast du diesen Leuten gethan? da begriff ich wohl, was mir begegnen konnte, theils weil man mich an einen solchen Ort gebracht hatte, theils weil der Mensch solche Worte wiederhohlte.

Einen Theil dieser Nacht quälte mich der Gedanke, aus was für Ursache Gott mir eine solche Busse auflege? und da ich sie nicht finden konnte, war ich äusserst unruhig. Indessen bemühte sich die Wache, mich so gut sie wußte zu trösten und zu stärken, ich aber beschwor sie, um Gottes Willen, sie sollte schweigen und nichts zu mir sprechen, denn ich würde selbst am besten einen Entschluß zu fassen wissen und sie versprach mir auch meinen Willen zu thun. Dann wendete ich mein ganzes Herz zu Gott, und bat ihn, inbrünstig, er möge mir beistehn, denn ich habe mich allerdings über mein Schicksal zu beklagen. Meine Flucht sey eine unschuldige Handlung, nach den Gesetzen, wie die Menschen solche erkennten. Habe ich auch Todschläge begangen, so habe mich doch sein Statthalter aus meinem Vaterlande zurückgerufen, und mir, Kraft der göttlichen Gesetze, verziehn, und was ich auch gethan hätte, habe ich zur Vertheidigung des Leibes gethan, den mir Seine göttliche Majestät geliehen habe, so daß ich nicht einsehe, wie ich nach den Einrichtungen, die wir auf der Welt befolgen, einen solchen Tod verdient, vielmehr schien es, daß es mir wie unglücklichen Personen begegne, die auf der Strasse von einem Ziegel todtgeschlagen würden. Daran sehe man eben die Macht der Gestirne, nicht daß sie sich etwa verbänden, um uns Gutes oder Böses zu erzeigen, sondern weil sie, durch ihr Zusammentreffen, solches Übel bewirkten. Ich erkenne zwar recht gut an, daß ich einen freyen Willen habe, und daß, wenn mein Glaube recht geübt wäre, die Engel des Himmels mich aus diesem Gefängnisse heraustragen, und mich von jedem Unglück retten könnten; allein weil ich einer solchen göttlichen Gnade nicht werth sey, so würden jene astralischen Einflüsse wohl ihr Bösartigkeit an mir beweisen. Nachdem ich das so ein wenig durchgedacht hatte, fasste ich mich und schlief sogleich ein.

Als es Tag ward, weckte mich die Wache auf und sagte: unglücklicher guter Mann, es ist nicht mehr Zeit zu schlafen, denn es ist einer gekommen, der dir eine böse Neuigkeit zu bringen hat. Darauf antwortete ich: je geschwinder ich aus diesem irrdischen Gefängiß befreyet werde, desto angenehmer ist es mir, besonders da ich sicher bin, daß meine Seele gerettet ist, und daß ich widerrechtlich sterbe; Christus, unser herrlicher und göttlicher Erlöser, gesellt mich zu seinen Schülern und Freunden, die auch unschuldig den Tod erduldeten und ich habe deswegen Gott zu loben. Warum tritt der nicht hervor, der mir das Urtheil anzukündigen hat? Darauf sagte die Wache: er bedauert dich gar zu sehr und er weint. Darauf nannte ich ihn beim Nahmen, er heiß Herr Benedetto da Cagli, und sagte zu ihm: kommt näher, mein Herr Benedetto, denn ich bin gegenwärtig sehr gut gefaßt und entschlossen. Es ist mir rühmlicher, daß ich unschuldig sterbe, als wenn ich schuldig umkäme. Tretet herbei, ich bitte euch, und gebt mir einen Priester, mit dem ich wenige Worte reden kann, denn meine fromme Beichte habe ich schon meinem Herrn und Gott abgelegt, allein ich möchte doch auch die Befehle unserer heiligen Mutter, der Kirche, erfüllen, der ich von Herzen das abscheuliche Unrecht, das sie mir anthut, verzeihe. So kommt nur, mein Herr Benedetto, und vollzieht euer Amt, ehe ich etwa wieder kleinmüthig werde.

Als ich diese Worte gesprochen, entfernte sich der gute Mann und sagte zur Wache: sie sollte die Thüre verschliessen, denn ohne ihn könne nichts vorgehn. Er eilte darauf zur Gemahlin des Herrn Peter Ludwig, die bei obgedachter Herzogin war und sagte, indem er vor die Damen trat: Erlauchte Frau, erzeigt mir um Gottes willen die Gnade, den Papst bitten zu lassen, daß er einen andern schicke, das Urtheil an Benvenuto zu vollstrecken und mein Amt zu verrichten, dem ich auf immer entsage. Und so ging er mit grossen Schmerzen hinweg. Die Herzogin, welche gegenwärtig war, verzog das Gesicht und sagte: das ist eine schöne Gerechtigkeit, die der Statthalter Gottes in Rom ausübt; der Herzog, mein Gemahl, wollte diesem Manne sehr wohl, wegen seiner Kunst und seiner Tugenden und sah nicht gern, daß er nach Rom zurückkehrte, er hätte ihn viel lieber bei sich behalten. Und so ging sie mit vielen verdrießlichen Worten hinweg. Die Gemahlin des Herrn Peter Ludwig, welche Frau Hieronima hieß, ging sogleich zum Papste, warf sich, in Gegenwart vieler Cardinäle, ihm zu Füssen, und sagte so grosse Dinge, daß der Papst sich schämen mußte. Er versetzte darauf: euch zu Liebe mag es ihm hingehen! Auch sind wir niemals übel gegen ihn gesinnt gewesen. So äusserte sich der Papst, weil so viel Cardinäle die Worte dieser kühnen, bewundernswerthen Frau gehört hatten.

Indessen befand ich mich in den schlimmsten Umständen, das Herz schlug mir in einem fort, und auch diejenigen, die den bösen Auftrag verrichten sollten, waren missbehaglich. Es ward immer später und endlich Tischzeit, da ging jeder seiner Wege, und mir brachte man auch zu essen. Darüber verwunderte ich mich und sagte: hier hat die Wahrheit mehr vermocht als der schlimme Einfluß der himmlischen Gestirne, und ich bitte Gott, daß er, nach seinem Gefallen, mich von diesem Unheil errette. So fing ich an zu essen, und wie ich mich vorher in mein grosses Übel ergeben hatte, so schöpfte ich nun gute Hoffnung. Ich speißte mit gutem Appetit, und sah und hörte nichts weiter, bis in der ersten Stunde der Nacht, da kam der Bargell mit mehrern seiner Leute, setzte mich wieder in den Sessel, worauf sie mich Abends vorher an diesen Ort getragen hatten, und sagte mir, mit vielen freundlichen Worten, ich solle ruhig seyn! und den Häschern befahl er, sie sollten mich wohl in Acht nehmen und nicht an meinen zerbrochenen Fuß stossen. So trugen sie mich ins Castell wieder zurück und da wir auf der Höhe des Thurms waren, wo ein kleiner Hof ist, hielten sie stille.

Darauf ließ sich der Castellan, krank und elend wie er war, gleichfalls an diesen Ort tragen und sagte: nicht wahr, ich habe dich wieder? Ja! versetzte ich; aber nicht wahr, ich bin euch entkommen? und wäre ich nicht unter päpstlicher Treue um ein Bisthum, zwischen einem Venezianischen Cardinal und einem Römer Farnese, verhandelt worden, welche beyde den heiligen Gesetzen sehr das Gesicht zerkratzt haben; so hättest du mich nicht wieder erwischen sollen, weil sie sich aber so schlecht betragen haben, so thu nun auch das schlimmste was du kannst, denn ich bekümmere mich um nichts mehr in der Welt. Da fing der arme Mann an gewaltig zu schreyen und rief: wehe mir! dem ist Leben und Sterben einerley, und er ist noch kühner, als da er gesund war. Bringt ihn unter den Garten und redet mir nicht mehr von ihm, denn er ist Ursache an meinem Tode.

Man trug mich in den Garten in ein dunkles Behältniß, das sehr feucht war, voll Taranteln und giftiger Würmer. Man warf mir eine Matratze von Werk auf die Erde, gab mir diesen Abend nichts zu essen und verschloß mich mit vier Thüren. So blieb ich bis neunzehen Uhr des andern Tages, da brachte man mir zu essen, und ich verlangte einige meiner Bücher zum Lesen. Ohne mir zu antworten, hinterbrachten sie es dem Castellan, welcher gefragt hatte, was ich denn sagte. Den andern Morgen reichten sie mir eine Bibel und die Chronik des Villani. Ich verlangte noch einige andere Bücher, aber sie sagten mir: daraus würde nichts werden, ich hätte an diesen schon zu viel. So lebte ich elend genug, auf der ganz verfaulten Matratze, denn in drey Tagen war alles naß geworden. Wegen meines zerbrochenen Fusses konnte ich mich nicht regen und wenn ich, um einer Nothdurft willen, aus dem Bette mußte, so hatte ich mit grosser Noth, auf allen vieren zu kriechen, um den Unrath nur nicht nahe zu haben.

Ohngefähr anderthalb Stunden des Tages drang ein wenig Wiederschein durch ein kleines Loch in die unglückseligste Höhle; nur diese kurze Zeit konnte ich lesen, übrigens war ich Tag und Nacht in der Finsterniß, und nicht ohne Gedanken an Gott und unsere menschliche Gebrechlichkeit. Ja es schien mir gewiss, daß ich in wenigen Tagen mein unglückliches Leben, auf diese Weise, endigen würde. Ich tröstete mich so gut ich konnte, und betrachtete, wie viel trauriger es gewesen wäre, dieses Leben durch den schmerzlichen Tod des Henkerbeiles zu endigen als jetzt, da ich durch eine Art on Traum hinausgehen würde, den ich nach und nach angenehm fand. Denn ich fühlte meine Kräfte von Zeit zu Zeit abnehmen bis meine gute Natur sich an dieses Fegefeuer gewöhnte. Da ich nun einmal so weit gekommen war so faßte ich Muth das ungaubliche Elend so lange zu erdulden als meine Kräfte noch hinreichten. Ich fing die Bibel von Anfang an und so fuhr ich täglich mit lesen und frommen Betrachtungen fort, und ich war so verliebt darin, daß ich nichts anders gethan haben würde; aber sobald mir das Licht mangelte, fiel der Verdruß mich wieder an und quälte mich so, daß ich mehr als einmal entschlossen war, mich selbst umzubringen. Weil sie mir aber kein Messer gelassen hatten, so war die Sache schwer zu verrichten. Doch hatte ich unter andern einmal ein grosses Holz zu rechte gestellt und wie ein Falle unterstüzt, und wollte es auf meinen Kopf schlagen lassen, so daß ich gewiss gleich todt geblieben wäre. Als ich nun das ganze Gestelle zurechte gemacht hatte, und eben um los zu drücken die Hand hineinsteckte, ward ich von einem unsichtbaren Wesen ergriffen und vier Ellen weit weggeworfen, worüber ich so erschrack, daß ich für todt liegen blieb. Dieser Zustand dauerte von Tages Anbruch bis neun-zehn Uhr, da sie mir das Essen brachten. Sie mochten oft hin und her gegangen seyn, ehe ich sie bemerkte, denn zuletzt, als ich zu mir kam, hörte ich den Capitain Sandrino Monaldi, der im Hereintreten sagte: welches Ende haben so seltene Tugenden genommen! Als ich diese Worte vernahm, schlug ich die Augen auf und sah die Priester in ihren Chorhemden, welche ausriefen: ihr habt ja gesagt, daß er todt sey. Darauf antwortete Bozza: für todt habe ich ihn gefunden, und so sagte ichs auch. Schnell huben sie mich auf, nahmen die Matrazze weg, die ganz faul, und wie Nudeln geworden war, warfen sie vor die Thüre und erzählten den Vorfall dem Castellan, der mir eine andere Matratze geben ließ.

Da ich nun überlegte, was das wohl gewesen seyn könnte, das mich von meinem Vorsatz abgehalten hatte? so konnte ich wohl denken, daß es eine göttliche Kraft sey, die sich meiner annähme. Die Nacht darauf erschien mir eine wundersame Gestalt im Träume, es war der schönste Jüngling, er sagte mir mit zorniger Stimme: weißt du, wer dir den Körper geliehen hat, den du vor der Zeit verderben wolltest? Mir schien als antwortete ich, daß ich alles nur Gott und der Natur schuldig sey. Nun, versetzte er, du verachtest seine Werke, indem du sie zerstören willst. Laß dich von ihm führen und verliere die Hoffnung nicht auf seine Macht. Er fügte noch viele der herrlichsten Worte hinzu, deren ich mich nicht den tauendsten Theil erinnere. Nun fing ich an zu betrachten, daß diese Engelsgestalt mir die Wahrheit gesagt habe. Ich sah mich im Gefängniß um, und erblickte einen verwitterten Ziegel, ich rieb die Stücke gegen einander und machte eine Art von Teig daraus; alsdann kroch ich an die Thüre und arbeitete mit den Zähnen so lange, bis ich einen Splitter ablöste, und erwartete die Stunde, da mir das Licht ins Gefängniß kam, welches gegen Abend war. Dann fing ich an, so gut ich konnte, auf weisse Blätter, die an die Bibel angebunden waren, zu schreiben. Ich schalt meine Seelenkräfte, daß sie nicht mehr in diesem Leben bleiben wollten, sie antworteten meinem Körper, daß sie zu viel dulden müßten, und der Körper gab ihnen Hoffnung besserer Tage, und so brachte ich ein Gespräch in Versen zu Stande.

Nachdem ich mich also selbst gestärkt hatte, fühlte ich neue Kraft, fuhr fort meine Bibel zu lesen und hatte meine Augen so an die Dunkelheit gewöhnt, daß ich nunmehr, statt anderthalb Stunden, schon drey lesen konnte. Ich betrachtete mit Erstaunen die Gewalt des göttlichen Einflusses auf diese einfältigen Menschen, die mit so grosser Inbrunst glaubten, daß Gott ihnen alles zu Gefallen thun würde, was sie sich nur ausgedacht hatten, und so versprach ich mir auch die Hülfe Gottes, sowohl weil er so erhaben und gnädig, als auch weil ich so unschuldig sey und beständig, bald mit Gebet, bald mit Gespräch, wendete ich mich zu Gott, und fühlte ein so grosses Vergnügen an diesen Gedanken, daß ich mich keines andern Verdrusses erinnerte, den ich gehabt haben möchte. So sang ich auch den ganzen Tag Psalmen, und viele andere meiner Gedichte, alle an Gott gerichtet. Nur machten mir meine Nägel, die immer fortwuchsen, das größte Übel, ich konnte mich nicht anrühren, ohne daß sie mich verwundeten, noch mich ankleiden, ohne daß sie innwendig oder auswendig hängen blieben und mir grosse Schmerzen verursachten, auch fingen mir die Zähne an im Munde abzusterben, und, weil sie sich an den gesunden stiessen, so wurden sie endlich ganz los in der Kinnlade, und die Wurzeln wollten nicht mehr in ihren Einfassungen bleiben. Wenn ich das merkte, zog ich sie heraus, wie aus einer Scheide, ohne Schmerz und Blut, und so hatte ich leider viele verlohren. Indessen schickte ich mich auch in diese neuen Übel, bald sang ich, bald betete ich, auch fing ich ein Gedicht zum Lob des Gefängnisses an, und erzählte in demselben alle die Vorfälle, die mir begegnet waren.

Der gute Castellan schickte oft heimlich zu vernehmen, was ich mache, und ich hatte mich, eben den letzten July, mit mir selbst ergötzt und mich des grossen Festes erinnert, das man in Rom am ersten August feyert; ich sagte zu mir: alle vergangene Jahre habe ich dieses angenehme Fest mit der vergänglichen Welt gefeyert, dießmal will ich es mit der Gottheit des Herrn zubringen. O! wie viel erfreulicher ist dieses, als jenes. Die Abgeschickten des Castellans hörten diese Worte und sagten ihm alles wieder. Dieser versetzte mit unglaublichem Verdrusse: Bey Gott, soll dieser, der in so grossem Elend lebt, noch triumphiren? indessen ich bey aller Bequemlichkeit mich abzehre, und bloß um seinet willen sterbe. Gehet geschwind und werft ihn in die unterste Höhle, wo man den Prediger Fojano verhungern ließ, vielleicht wird sich ihm alsdann in diesem elenden Zustande der Muthwill aus dem Kopf verliehren.

Sogleich kam Capitain Sandrino Monaldi, mit ohngefähr zwanzig Dienern des Castellans, in mein Gefängniß. Sie fanden mich auf meinen Knieen, und ich kehrte mich nicht nach ihnen um, vielmehr betete ich einen Gott Vater an, von Engeln umgeben und einen auferweckten tirumphirenden Christus, die ich, mit einem Stückchen Kohle, an die Mauer gezeichnet hatte, das ich in meinem Kerker von Schutt bedeckt fand.

Nachdem ich vier Monate rücklings auf dem Bette wegen des zerbrochenen Fusses gelegen, und so oft geträumt hatte, die Engel kämen mich zu heilen, so war ich zuletzt ganz gesund geworden, als wenn ich niemals beschädigt gewesen wäre. Nun kamen so viele Bewaffnete zu mir, und schienen sich zu fürchten, wie vor einem giftigen Drachen. Darauf sagte der Capitain: du hörst doch, daß wir Leute genug sind, und mit grossem Geräusch zu dir kommen, und du wendest dich nicht zu uns. Als ich diese Worte vernahm, dachte ich mir recht gut das schlimmste, was mir begegnen konnte, und indem ich mich sogleich mit dem Übel bekannt machte, und mich dagegen stärkte, sagte ich zu ihm: zu diesem Gott und König des Himmels habe ich meine Seele gewendet, meine Betrachtung und alle meine Lebensgeister, und euch habe ich gerade das zugekehrt, was euch angehört. Was gut an mir ist, seyd ihr nicht werth zu sehen, deswegen macht nun mit dem was euer ist, alles was ihr könnt.

Der Capitain, der nicht wußte, was ich thun wollte, schien furchtsam und sagte zu vier der stärksten unter allen: legt eure Waffen ab! Als sie es gethan hatten, rief er: schnell, packt ihn an und faßt ihn, und wenn er der Teufel wäre, so sollten wir uns so sehr nicht vor ihm fürchten, haltet ihn fest, daß er euch nicht entwische. So ward ich von ihnen überwältigt und übel behandelt, und dachte mir viel was schlimmers, als das, was mir zubereitet war; da hub ich die Augen zu Christus auf und sagte: Gerechter Gott! der du auf dem hohen Holze alle unsere Schulden bezahlt hast, warum soll meine Unschuld für Schulden büssen, die ich nicht kenne? Doch dein Wille geschehe.

Indessen trugen sie mich fort, beym Scheine der Fackel, und ich glaubte, sie wollten mich in die Fallklappe des Sammalo stürzen; so heißt ein fürchterlicher Ort, der Lebendige genug verschlungen hat, denn sie fallen in den Grund des Castells hinunter, in einen Brunnen. Aber das begegnete mir nicht, und ich glaubte nun recht gut davon zu kommen, weil sie mich in die gedachte häßliche Höhle hineinschleppten, wo Fojano verhungert war. Dort verliessen sie mich und thaten mir weiter kein Leids. Da sang ich ein de Profundis, ein Miserere, ein in te Domine, und feyerte den ganzen ersten August mit Gott, und mein Herz jauchzte von Hoffnung und Glauben.

Den zweyten Tag zogen sie mich aus diesem Loche und trugen mich dahin zurück, wo die Zeichnungen der Bilder Gottes waren, und als ich diese wieder sah, weinte ich in ihrer Gegenwart vor süsser Freude. Nun wollte der Castellan alle Tage wissen, was ich mache? und was ich zu sagen hätte. Der Papst hatte den ganzen Vorgang vernommen, nicht weniger daß die Ärzte dem Castellan schon den Tod verkündigt hätten. Darauf sagte er: ehe mein Castellan stirbt, soll er auch den Benvenuto, der Schuld an seinem Tode ist, nach seiner Art aus der Welt schaffen. Als der Castellan diese Worte aus dem Munde des Herrn Peter Ludwigs hörte, sagte er zu diesem: so will also der Papst, daß ich meine Rache an Benvenuto nehmen soll? er schenkt mir ihn? Gut, er soll nur ruhig seyn und mich gewähren lassen.

So schlimm nun die Gesinnungen des Papstes gegen mich waren, so übel dachte auch der Castellan in diesem Augenblicke gegen mich, und sogleich kam das Unsichtbare, das mich vom Selbstmord abgehalten hatte, wieder unsichtbar zu mir, ließ sich aber mit lauter Stimme vernehmen, stieß mich an, daß ich mich aufrichtete, und sagte sodann: wehe, mein Benvenuto! eilig, eilig! wende dich mit deinem gewohnten Gebet zu Gott und schreye heftig zu ihm. Ich erschrack, warf mich auf die Knie, und sagte viele meiner Gebete, dann den ganzen Psalm: qui habitat in auditorio. Dann sprach ich mit Gott ein wenig, und auf einmal sagte eine helle und deutliche Stimme: ruhe nunmehr und fürchte dich nicht. Dieser Vorfall aber deutete darauf, daß der Castellan, der den abscheulichsten Auftrag wegen meines Todes schon gegeben hatte, augenblicklich seinen Entschluß wieder änderte und ausrief: Ist das nicht Benvenuto, den ich so sehr vertheidigt habe, von dem ich so gewiß weiß, daß er unschuldig ist, und dem alles dieses Übel wiederrechtlich begegnet? Wie soll Gott Barmherzigkeit mit mir und meinen Sünden haben, wenn ich denen nicht verzeihe, die auch mich äusserst beleidigen? Warum soll ich einen guten und unschuldigen Mann verletzen, der mir Dienst und Ehre erwiesen hat? Nein! anstatt ihn zu tödten, will ich ihm Leben und Freyheit verschaffen, und in meinem Testamente will ich verordnen, daß ihm niemand etwas wegen seines hiesigen Aufenthaltes abfodern soll, denn er hätte sonst eine grosse Zeche zu bezahlen. Das vernahm der Papst und war darüber sehr ungehalten.

Ich indessen setzte meine gewöhnlichen Gebete fort und meine Träume waren alle Nacht angenehmer und gefälliger, so daß sie alle Einbildungskraft überstiegen. Mir träumte immer, daß ich mich sichtlich bey dem befinde, den ich unsichtbar empfunden hatte und noch oft empfand; ich verlangte von ihm zur einzigen Gnade und bat ihn dringend, er möchte mich dahin führen, wo ich die Sonne sehen könnte, das sey das einzige Verlangen, das ich habe, ich wollte alsdann zufrieden sterben und allen Verdruß dieses Gefängnisses vergessen. Auch war der Jammer mein Freund und Geselle geworden und nichts konnte mich mehr irre machen. Anfangs erwarteten die Anhänger des Castellans, er solle mich, mach seiner Drohung, an den Mauerzacken hängen lassen, von dem ich mich herunter gelassen hatte. Da sie aber seine entgegengesetzte Entschließung sahen, waren sie verdrießlich, suchten mir auf alle Weise Furcht einzujagen, und mich in Besorgniß für mein Leben zu setzen. Das war ich aber, wie gesagt, alles so gewohnt, daß ich nichts fürchtete, nichts mich rührte, das einzige Verlagen blieb mir, daß ich möchte im Traum die Sonnenscheibe erblicken.

Darauf waren stets meine großen Gebete gerichtet, in welchen ich Christum inbrünstig anrief, und immer sagte: o! wahrhaftiger Sohn Gottes! ich bitte dich bey deiner Geburt, bey deinem Tod am Creutze, bey deiner herrlichen Auferstehung, daß du mich werth achtest, die Sonne wieder zu sehen, wo nicht wirklich, wenigstens im Träume. Aber solltest du mich würdig halten, daß ich sie mit meinen sterblichen Augen wieder sähe, so verspreche ich, dich an deinem heiligen Grabe zu besuchen. Diesen Vorsatz fasste ich, und that, unter großen Gebeten, dieses Gelübde am zweyten October 1539.

Den andern Morgen war ich bey Anbruch des Tages, etwa eine Stunde vor Sonnenaufgang, von meinem unglückseligen Lager aufgestanden, und hatte ein schlechtes Kleid angezogen, denn es fing an kalt zu werden. Ich stand und betete andächtiger als sonst, und sagte zu Christo: er möchte mir wenigstens durch göttliche Eingebung wissen lassen, für welche Sünde ich so schwer zu büßen hätte? Denn da seine göttliche Majestät mich nicht einmal werth hielte, die Sonne nur im Träume zu sehen, so bäte ich ihn bey aller seiner Krafft und Macht, daß er mir wenigstens die Ursache meiner Leiden entdecken möchte. Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, als der Unsichtbare nach Art eines Windes mich ergriff, und mich in ein Zimmer führte, wo er sich mir sichtbar in menschlicher Gestalt darstellte, als ein Jüngling, dem der Bart keimt, von wundersamer und schöner Bildung; aber ernst nicht wollüstig. Er deutete mir auf die vielen Menschen in dem Saal, und sagte: du siehst hier, die bisher gebohren und gestorben sind! Ich fragte ihn, warum er mich hierher führe? Er sagte: komm nur mit mir, und du wirst es bald sehen. Ich hatte in der Hand einen Dolch, und ein Panzerhemd über dem Leibe. So führte er mich durch den großen Saal, und zeigte mir diejenigen, die zu unendlichen tausenden darin hin und wieder gingen. Er brachte mich immer vorwärts, ging endlich zu einer kleinen Thüre hinaus, und ich hinter ihm drein, wir kamen in eine Art von engem Gässchen, und als er mich hinter sich da hinein aus dem Saale zog, fand ich mich entwafnet, ich hatte ein weißes Hemde an, nichts auf dem Haupte, und stand zur rechten Seite meines Gefährten. Da ich mich auf diese Weise fand, verwunderte ich mich, denn ich kannte die Straße nicht, und als ich die Augen erhub, sah ich den Theil einer Mauer, wider den die Sonne schien, es war als wenn ich nahe an einem großen Gebäude stünde. Da sagte ich: o! mein Freund, wie mache ich es wohl, um mich so hoch in die Höhe zu heben, daß ich die Scheibe der Sonne selbst sehen könne. Da zeigte er mir einige Stufen, die zu meiner Rechten waren, und sagte mir: steige du nur allein da hinauf. Ich entfernte mich von ihm ein wenig, und stieg einige der Stufen rückwärts hinauf, und nach und nach entdeckte ich die Nähe der Sonne; so eilte ich auf gedachte Art immer höher zu steigen, und entdeckte zuletzt den ganzen Kreis der Sonne. Die Gewalt der Strahlen nöthigte mich, wie gewöhnlich, die Augen zu schließen, aber ich erholte mich bald, öfnete die Augen wieder, sah unverwandt nach ihr, und sagte: o meine Sonne! Nach der ich so lange mich gesehnt habe, ich will nun nichts weiter sehen, wenn auch deine Strahlen mich blind machen sollten, und so blieb ich mit festem Blick stehen.

Nach einer kurzen Zeit bemerkte ich, daß die ganze Gewalt der Strahlen sich auf die linke Seite der Sonne warf, und die Scheibe ganz rein und klar blieb, ich betrachtete sie mit dem größten Erstaunen und Vergnügen, und mir schien es die wundersamste Sache von der Welt, daß sich die Strahlen auf diese Weise weggewendet hatten. Ich betrachtete die besondere Gnade, welche Gott mir diesen Morgen erzeigte, und sagte mit starker Stimme: wie wunderbar ist deine Macht! wie herrlich deine Kraft! Und wie viel größer ist deine Gnade, als ich nie erwartete! Mir schien die Sonne ohne ihre Strahlen vollkommen wie ein Bad des reinsten Goldes. Indessen ich diesen merkwürdigen Gegenstand betrachtete, sah ich, daß die Mitte des Kreises sich aufblähte, und in die Höhe strebte; auf einmal erzeugte sich ein Christus am Creutz, aus derselben Materie, woraus die Sonne war, so schön und gefällig gebildet, und von dem gütigsten Anblick, so daß der menschliche Geist ihn nicht den tausendsten Theil so schön hätte ersinnen können. Indessen ich ihn betrachtete, rief ich laut: Wunder! o Wunder! gnädiger und allvermögender Gott, was machst du mich würdig diesen Morgen zu sehen? Indessen ich nun so betrachtete, und sprach, bewegte sich Christus nach der Gegend, wo sich vorher die Strahlen hingezogen hatten, und die Mitte der Sonne fing abermals an sich aufzublähen. Diese Bewegung wuchs eine Weile, und verwandelte sich schnell in die Gestalt der schönsten heiligen Jungfrau. Sie saß erhaben, ihren Sohn auf dem Arm, in der gefälligsten Stellung, und gleichsam lächelnd. Von beyden Seiten standen zwey Engel, von solcher Schönheit als die Einbildungskraft nicht erreicht. Auch sah ich in der Sonne, zur rechten Hand, eine Gestalt, nach Art eines Priesters gekleidet, der mir den Rücken zukehrte, und gegen jene Mutter Gottes hinblickte. Alles dieses sah ich klar und wirklich, und dankte beständig Gott mit lauter Stimme.

Nachdem ich diese wunderbaren Dinge etwas über den achten Theil einer Stunde, vor den Augen gehabt hatte, entfernten sie sich, und ich ward wieder auf mein Lager zurückgetragen. Sogleich, rief ich mit lauter Stimme: die Kraft Gottes hat mich gewürdigt, mir seine ganze Herrlichkeit zu zeigen, wie sie vielleicht kein anderes sterbliches Auge gesehen hat; nun erkenne ich, daß ich frey und glücklich bin, und in der Gnade Gottes stehe, und ihr andern Bösewichter werdet unglücklich, und in seiner Ungnade bleiben. Wißt nur, ich bin ganz gewiss, am allerheiligsten Tage, als an meinem Geburtstage, genau den ersten November, Nachts um Viere, werdet ihr genöthigt seyn, mich aus diesem finstern Kerker zu befreyen. Weniger werdet ihr nicht thun können, denn ich habe es mit meinen Augen an dem Throne Gottes gesehen. Der Priester, welcher gegen den Herrn gekehrt stand, und mir den Rücken wies, war Sanct Peter selbst, der für mich sprach, und sich schämte, daß man in seinem Hause Christen so schändlich begegne. Sagt es nur wem ihr wollt! niemand hat Gewalt mir weiter ein Übel anzuthun; sagt nur eurem Herrn, er soll mir Wachs oder Papier geben, daß ich die Herrlichkeit Gottes ausdrücken kann, die ich gesehen habe. Wahrlich ich will es thun!

Der Castellan, ob gleich die Ärzte keine Hoffnung mehr zu seiner Genesung hatten, war doch wieder ganz zu sich gekommen, und die Launen seiner jährlichen Tollheit, hatten ihn ganz und gar verlassen. Da er nun allein für seine Seele besorgt war, machte ihm sein Gewissen Vorwürfe, und er überzeugte sich, daß man mir, sowohl vorher als bis auf diesen Augenblick, großes Unrecht angethan hatte. Er ließ deswegen den Papst von den großen Dingen berichten, die ich verkündigte. Der Papst als einer der nichts glaubte, weder an Gott noch an sonst was, ließ ihm antworten: ich sey toll geworden, und er solle nur was er könne für seine Gesundheit sorgen. Als der Castellan diese Antwort hörte, ließ er mich trösten, schickte mir Schreibzeug, Wachs und Bossierstäbchen, mit vielen freundlichen Worten, die mir einer seiner Diener hinterbrachte, der mir wohl wollte. Dieser war ganz das Gegentheil, von den andern sieben Schelmen, die mich gerne todt gesehen hätten. Ich nahm das Papier und das Wachs, fing an zu arbeiten, und schrieb dabey folgendes Sonnett, das ich an den Castellan richtete.

Um vor die Seele dir, mein Herr, zu bringen
Welch Wunder diese Tage Gott mir schickte,
Welch herrliches Gesicht mich hoch entzückte,
Wünscht’ ich die Kraft ein himmlisch Lied zu singen.

O! möchte nur zum heiligen Vater dringen,
Wie mich die Nacht der Gottheit selbst beglückte,
Aus meiner dumpfen Wohnung mich entrückte,
Er würde meine große Noth bezwingen.

Die Thore sprängen auf, ich könnte gehen,
Und Haß und Wuth entflöhn, die grimmig wilden,
Sie könnten künftig meinen Weg nicht hindern.
Ach! laß mich nur das Licht des Tages sehen,
Mit meiner Hand die Wunder nachzubilden!
Schon würden meine Schmerzen sich vermindern.

Den andern Tag brachte mir derselbe Diener zu essen, ich gab ihm das Gedicht, das er heimlich, ohne daß es die übrigen bösartigen Leute bemerken konnten, dem Castellan hinterbrachte, der mich gerne losgelassen hätte, denn er glaubte, das Unrecht, das er mir angethan habe, sey die eigentliche Ursache seines Todes. Er las das Sonett mehr als Einmal, das weder Begriffe noch Worte eines Wahnsinnigen, vielmehr eines guten und braven Mannes enthielt, und sogleich befahl er seinem Secretär, es dem Papste zu bringen, es in seine eigene Hände zu geben, und ihn zugleich um meine Freyheit zu bitten.

Indessen schickte mir der Castellan Licht, für Tag und Nacht, mit allen Bequemlichkeiten, die man an solchem Ort verlangen konnte, und so fing ich an, das Ungemach meines Lebens zu verbessern, das auf das höchste gestiegen war. Der Papst las das Sonnett, und ließ dem Castellan sagen: er werde bald etwas thun, das ihm angenehm seyn würde. Und gewiss der Papst hätte mich gerne gehen lassen, hätte ich nicht, um Herrn Peter Ludwigs willen, selbst, gegen die Neigung des Vaters müssen, verwahrt bleiben. Ich hatte jenes wunderbare Wunder gezeichnet, und bossirt, indessen nahte sich der Tod des Castelans, und er schickte mir am Allerheiligen Tage, des Morgens, durch Peter Ugolino, seinen Neffen, einige Juwelen zu beschauen. Als ich sie erblickte, sagte ich sogleich: das ist das Wahrzeichen meiner Freyheit! Darauf versetzte der Jüngling, der sehr wenig zu sprechen pflegte: daran denke nur nicht, Benvenuto! darauf versetzte ich: trag deine Juwelen weg, denn ich bin so zugerichtet, daß ich nur in der Dämmerung dieser finstern Höhle sehen kann, und dabey läßt sich die Eigenschaft der Juwelen nicht erkennen; aber ich werde bald aus diesem Gefängniß herausgehen, denn der ganze Tag wird nicht verstreichen, so werdet ihr mich abholen, das soll und muß geschehen, und ihr werdet nicht weniger thun können. Da ging jener weg und ließ mich wieder einschliessen. Nach Verlauf etwa zweyer Stunden kam er wieder zu mir, ohne Bewaffnete, mit zwey Knaben, die mich unterstützen sollten, und so führte er mich in die weiten Zimmer, in denen ich vorher gewesen war, nehmlich im Jahr 1538, und verschaffte mir daselbst alle Bequemlichkeit, die ich verlangte.

Wenig Tage darauf unterlag der Castellan, der mich in Freyheit glaubte, seinem grossen Übel und verließ das gegenwärtige Leben, an seine Stelle kam Herr Antonio Ugolini, sein Bruder, der ihm vorgespiegelt hatte, als habe er mich gehen lassen. Dieser Herr Antonio, so viel ich nachher vernahm, hatte Befehl vom Papste, mich in diesem weiten Gefängniß zu behalten, bis er ihm sagen würde, was mit mir geschehen sollte.

Indessen hatte obgedachter Herr Durante von Brescia mit jenem Soldaten, dem Apotheker von Prato, abgeredet, mir irgend einen Saft in dem Essen beyzubringen, der mich nicht gleich, sondern etwa in vier bis fünf Monaten tödtete. Nun dachten sie sich aus, sie wollten mir gestossenen Diamanten unter die Speise mischen, der an und für sich keine Art von Gift ist, aber, wegen seinen unschätzbaren Härte, die allerschärfsten Ecken behält, und nicht etwa wie die andern Steine, wenn man sie stößt, gewissermassen rundlich wird. Kommt er nun mit den übrigen Speisen, so scharf und spitzig, in den Körper, so hängt er sich, bey der Verdauung, an die Häute des Magens und der Eingeweide, und nach und nach, wenn andere Speisen darauf drücken, so durchlöchert er die Theile mit der Zeit und man stirbt daran, anstatt daß jede andere Art von Steinen, oder Glas keine Gewalt hat, sich anzuhängen, und so mit dem Essen fortgeht.

Wie gesagt, gab Herr Durante einen Diamanten von einigem Werth einer Wache, die sollte ihn, wie ich nachher vernahm, einem gewissen Lione von Arezzo, einem Goldschmied, meinem grossen Feinde, um den Stein in Pulver zu verwandeln, gebracht haben. Da nun dieser Lione sehr arm war, und der Diamant doch manche zehn Scudi werth seyn mochte, gab er ein falsches Pulver anstatt des gestossenen Steins, das sie mir denn auch sogleich zu Mittage an alle Essen thaten, an den Sallat, das Ragout und die Suppe. Ich speiste mit gutem Appetit, denn ich hatte den Abend vorher gefastet, und es war ein Sonntag, und ob ich gleich etwas unter den Zähnen knirschen fühlte, so dachte ich doch nicht an solche Schelmstücke. Nach Tische, als ein wenig Sallat in der Schüssel übrig geblieben war, betrachtete ich einige Splitterchen, die sich daran befanden. Sogleich ergriff ich sie und brachte sie ans helle Fenster; ich erinnerte mich, indem ich sie betrachtete, wie ausserordentlich die Speisen geknirscht hatten, und, so viel meine Augen urtheilen konnten, glaubte ich schnell, es sey gestossener Diamant. Ich hielt mich nun, entschieden, für ein Kind des Todes, und wendete mich schmerzlich zum heiligen Gebete, und, da ich mich in mein Schicksal ergeben hatte, betete ich zu Gott und dankte ihm für einen solchen leichten Tod. Da doch einmal meine Sterne es so bestimmt hatten, so schien es mir ein gutes Loos, auf eine so bequeme Weise aus der Welt zu gehen. Als ich nun die Welt und meine Lebenszeit gesegnet hatte, wendete ich mich mit meinen Gedanken zu dem bessern Reiche, das ich mit der Gnade Gottes erlangt zu haben hoffte, und in diesen Gedanken rieb ich einige sehr feine Körner zwischen den Fingern, die ich ganz gewiss für Diamant hielt.

Wie nun die Hoffnung nimmer stirbt, so regten sich auch bey mir wieder einige eitle Lebensgedanken. Ich legte die gedachten Körnchen auf eine eiserne Fensterstange und drückte stark mit dem flachen Messer darauf. Da fühlte ich, daß der Stein sich zerrieb und als ich recht genau darauf sah, fand ich auch, daß es sich also verhielt, und sogleich erquickte ich mich wieder mit neuer Hoffnung. Die Feindschaft des Herrn Durante sollte mir nicht schaden; es war ein schlechter Stein, der mir nicht das geringste Leid zufügen konnte, und, wie ich vorher entschlossen war, ruhig zu seyn und auf diese Weise in Frieden zu sterben, so machte ich nun aufs neue meine Plane und überlegte, was zu thun sey. Aber ich hatte vor allen Dingen Gott zu loben und die Armuth zu segnen, die, wie sie öfters den Menschen den Tod bringt, nun die Ursache meines Lebens war. Denn Herr Durante, mein Feind, oder wer es auch seyn mochte, hat seinen Endzweck nicht erreicht. Lione hat den Stein nicht gestossen, sondern ihn aus Armuth für sich behalten, für mich aber zerrieb er einen geringen Berill von wenigem Werth; vielleicht dachte er, weil es auch ein Stein sey, thue er dieselbigen Dienste.

Zu der Zeit war der Bischoff von Pavia, Bruder des Grafen San Secondo, Monsignor de Rossi von Parma genannt, gleichfalls Gefangener im Castell; ich rief ihm mit lauter Stimme und sagte, daß die Schelmen, mich umzubringen, mir einen gestossenen Diamanten unter das Essen gemischt hätten. Ich ließ ihn durch einen seiner Diener etwas von dem übergebliebenen Pulver zeigen, und sagte ihm nicht, daß ich es für keinen gestossenen Diamanten erkenne, vielmehr, daß sie mich gewiss nach dem Tode des guten Castellans vergiftet hätten. Ich bat ihn, er möchte mir für meine wenige Lebenszeit nur des Tages eines von seinen Broden geben, denn ich hätte mir vorgenommen, nichts zu essen, was von ihnen käme, und er versprach mir, von seinem Essen zu schicken. Dieser Bischoff war gefangen wegen einer Art von Verschwörung, die er in Pavia gemacht hatte, und ich, weil er so sehr mein Freund war, vertraute mich ihm.

Herr Antonio, der neue Castellan, der gewiss nichts von der Sache wußte, machte grossen Lärm, und auch er wollte den gestossenen Stein sehen, den er gleichfalls für Diamant hielt, doch, da er glaubte, der Anschlag käme vom Papste, ging er leicht darüber weg, und die Sache ward als ein Zufall behandelt.

Ich aß nunmehr die Speisen, welche mir der Bischoff sandte, schrieb beständig an meinem Gedichte über das Gefängniß, und setzte täglich, Punct vor Punct, die Begebenheiten hinzu, die sich zutrugen. Inzwischen schickte mir der Castellan mein Essen durch jenen Johannes, den ehemaligen Apothekersjungen von Prato, der nun hier Soldat war, dieser, mein größter Feind, hatte mir eben den gestossenen Diamanten gebracht, und ich sagte ihm, daß ich nicht eher von seinen Speisen essen würde, ehe er sie mir credenzt hätte. Er sagte darauf: das geschähe wohl dem Papste! Ich versetzte ihm: wie eigentlich Edelleute verbunden seyen, einem Papst zu credenzen, so seye er, Soldat, Apotheker und Bauer von Prato, schuldig, einem Florentiner meines gleichen aufzuwarten. Darüber sagte er mir harte Worte und ich erwiederte sie. Nun schämte sich Herr Antonio einigermassen über das, was vorgegangen war, und weil er Lust hatte, mich alle Kosten zahlen zu lassen, die mir von dem guten verstorbenen Castellan schon geschenkt waren, wählte er unter seinen Dienern einen andern, der mir wohl wollte, und schickte mir das Essen durch ihn, der mir mit vieler Gefälligkeit jedesmal credenzte. Auch sagte er mir alle Tage, daß der Papst beständig von Herrn von Morlüc angegangen werde, der von Seiten des Königs mich unablässig zurück verlangte, wobei der Papst wenig Lust zeige, mich herauszugeben, ja, daß sogar Cardinal Farnese, sonst mein so grosser Freund und Patron, sollte gesagt haben: ich würde wohl noch eine Weile mich gedulden müssen. Darauf versetzte ich: und ich werde ihnen allen zum Trutz doch frey werden. Der gute Mensch bat mich, ich möchte still seyn, daß niemand so etwas hörte, denn es könne mir grossen Schaden bringen, und mein Vertrauen auf Gott möchte ich doch ja im Stillen erhalten und mich damit stärken. Ich antwortete ihm darauf: die Kraft Gottes hat keine Furcht vor der bösartigen Ungerechtigkeit.

So vergingen wenige Tage, als der Cardinal von Ferrara in Rom erschien, der, als er dem Papst seine Aufwartung machte, so lange bey ihm aufgehalten wurde, bis die Stunde des Abendessens kam. Nun war der Papst ein sehr kluger Mann, und wollte bequem mit dem Cardinal über die Franzosereyen sprechen, weil man bei solchen Gelegenheiten sich freyer über viele Dinge als sonst herauslässt. Der Cardinal, indem er von der großmüthigen und freygebigen Art des Königs, die er sehr wohl kannte, sehr ausführlich sprach, gefiel dem Papste ausserordentlich wohl, der sich, wie er alle Woche einmal that, bei dieser Gelegenheit betrank, von welchem Rausch er sich denn gewöhnlich sogleich befreyete, indem er alles wieder von sich gab.

Da der Cardinal die gute Disposition des Papstes bemerkte, bey welcher wohl eine gnädige Gewährung zu hoffen war, verlangte er mich, von Seiten des Königs, auf das nachdrücklichste, und versicherte, daß Seine Majestät auf das lebhafteste nach mir begehre. Da nun der Papst sich nahe an der Zeit fühlte, wo er sich zu übergeben pflegte, auch sonst der Wein seine Wirkungen äusserte, so sagte er mit grossem Lachen zum Cardinal: nun sollt ihr ihn gleich mit euch nach Hause führen! Darauf gab er seinen besondern Befehl und stand vom Tische auf. Sogleich schickte der Cardinal nach mir, ehe es Herr Peter Ludwig erführe, denn der hätte mich auf keine Weise aus dem Gefängniß gelassen. Es kam der Befehl des Papstes und zwey der ersten Edelleute des Cardinals Ferrara. Nach vier Uhr in der Nacht befreyeten sie mich aus dem Gefängnisse, und führten mich vor den Cardinal, der mich mit unschätzbarer Freundlichkeit empfing, mich gut einquartieren und sonst aufs beste versorgen ließ. Herr Antonio, der neue Castellan, verlangte, daß ich alle Kosten, nebst allen Trinkgeldern für den Bargell und dergleichen Leute bezahlen sollte, und wollte nichts von alle dem beobachtet wissen, was sein Bruder, der Castellan, zu meinen Gunsten verordnet hatte. Das kostete mich noch manche zehn Scudi, aber der Cardinal sagte mir: ich sollte nur gutes Muths seyn und mich wohl in Acht nehmen, wenn mir mein Leben lieb wäre; denn, wenn er mich nicht selbigen Abend aus dem Gefängniß gebracht hätte, so wäre ich wohl niemals herausgekommen; er höre schon, daß der Papst sich beklage, mich losgelassen zu haben.

Nun muß ich noch einiger Vorfälle rückwärts gedenken, damit verschiedene Dinge deutlich werden, deren ich in meinem Gedicht erwähne.

Als ich mich einige Tage in den Zimmern des Cardinals Cornaro aufhielt, und nachher, als ich in dem geheimen Garten des Papstes war, kam, unter andern werthen Freunden, ein Cassier des Herrn Bindo Altoviti zu mir, der Bernhard Galluzzi heiß, dem ich den Werth von einigen hundert Scudi vertraut hatte. Er kam zu mir im geheimen Garten des Papstes, und wollte mir alles zurück geben, ich aber versetzte: ich wüßte meine Baarschaft keinem liebern Freunde zu geben, noch sie an einen Ort zu legen, wo sie sicherer stünde; da wollte er mir das Geld mit Gewalt aufdringen und ich hatte Noth ihn zu bewegen, daß er es behielte. Da ich nun aus dem Castell befreyt wurde, fand sichs, daß er verdorben war, und ich verlohr meine Baarschaft.

Ferner hatte ich noch im Gefängniß einen schrecklichen Traum, als wenn mir jemand mit der Feder Worte von der größten Bedeutung an die Stirne schriebe, und mir dreymal sagte, ich sollte schweigen und niemand nichts davon entdecken.

So erzählte man mir auch, ohne daß ich wußte, wer es war, alles, was nachher Herrn Peter Ludwig begegnete, so deutlich und so genau, daß ich nicht anders glauben konnte, als es habe mir es ein Engel des Himmels offenbaret.

Dann muß ich noch eine Sache nicht zurücklassen, die grösser ist, als daß sie einem andern Menschen begegnet wäre, ein Zeichen, daß Gott mich losgesprochen und mir seine Geheimnisse selbst offenbart hat. Denn seit der Zeit, daß ich jene himmlischen Gegenstände gesehen, ist mir ein Schein ums Haupt geblieben, den jedermann sehen konnte, ob ich ihn gleich nur wenigen gezeigt habe.

Diesen Schein sieht man des Morgens über meinem Schatten, wenn die Sonne aufgeht und etwa zwey Stunden darnach. Am besten sieht man ihn, wenn ein leichter Thau auf dem Grase liegt, ingleichen Abends bei Sonnenuntergang. Ich bemerkte ihn in Frankreich, in Paris, weil sie Luft in jener Gegend viel reiner von Nebeln ist, so daß man den Schein viel ausdrücklicher sah, als in Italien, wo die Nebel viel häufiger sind, demohngeachtet aber seh ich ihn auf alle Weise und kann ihn auch andern zeigen, nur nicht so gut wie in jenen Gegenden.

"]"]