HomeText: Die Jungfrau von Orleans2. AktDie Jungfrau von Orleans – 2. Aufzug, 7. Auftritt

Die Jungfrau von Orleans – 2. Aufzug, 7. Auftritt

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Johanna. Montgomery

Johanna.
Du bist des Todes! Eine britsche Mutter zeugte dich.

Montgomery (fällt ihr zu Füßen).
Halt ein, Furchtbare! Nicht den Unverteidigten
Durchbohre. Weggeworfen hab ich Schwert und Schild,
Zu deinen Füßen sink ich wehrlos, flehend hin.
Laß mir das Licht des Lebens, nimm ein Lösegeld.
Reich an Besitztum wohnt der Vater mir daheim
Im schönen Lande Wallis, wo die schlängelnde
Savern‘ durch grüne Auen rollt den Silberstrom,
Und fünfzig Dörfer kennen seine Herrschaft an.
Mit reichem Golde löst er den geliebten Sohn,
Wenn er mich im Frankenlager lebend noch vernimmt.

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Johanna.
Betrogner Tor! Verlorner! In der Jungfrau Hand
Bist du gefallen, die verderbliche, woraus
Nicht Rettung noch Erlösung mehr zu hoffen ist.
Wenn dich das Unglück in des Krokodils Gewalt
Gegeben oder des gefleckten Tigers Klaun,
Wenn du der Löwenmutter junge Brut geraubt,
Du könntest Mitleid finden und Barmherzigkeit,
Doch tödlich ists, der Jungfrau zu begegnen.
Denn dem Geisterreich, dem strengen, unverletzlichen,
Verpflichtet mich der furchtbar bindende Vertrag,
Mit dem Schwert zu töten alles Lebende, das mir
Der Schlachten Gott verhängnisvoll entgegenschickt.

Montgomery.
Furchtbar ist deine Rede, doch dein Blick ist sanft,
Nicht schrecklich bist du in der Nähe anzuschaun,
Es zieht das Herz mich zu der lieblichen Gestalt.
O bei der Milde deines zärtlichen Geschlechts
Fleh ich dich an. Erbarme meiner Jugend dich!

Johanna.
Nicht mein Geschlecht beschwöre! Nenne mich nicht Weib.
Gleichwie die körperlosen Geister, die nicht frein
Auf irdsche Weise, schließ ich mich an kein Geschlecht
Der Menschen an, und dieser Panzer deckt kein Herz.

Montgomery.
O bei der Liebe heilig wallendem Gesetz,
Dem alle Herzen huldigen, beschwör ich dich.
Daheimgelassen hab ich eine holde Braut,
Schön wie du selbst bist, blühend in der Jugend
Sie harret weinend des Geliebten Wiederkunft,
O wenn du selber je zu lieben hoffst, und hoffst
Beglückt zu sein durch Liebe! Trenne grausam nicht
Zwei Herzen, die der Liebe heilig Bündnis knüpft!

Johanna.
Du rufest lauter irdisch fremde Götter an,
Die mir nicht heilig, noch verehrlich sind. Ich weiß
Nichts von der Liebe Bündnis, das du mir beschwörst,
Und nimmer kennen werd ich ihren eiteln Dienst.
Verteidige dein Leben, denn dir ruft der Tod.

Montgomery.
O so erbarme meiner jammervollen Eltern dich,
Die ich zu Haus verlassen. Ja gewiß auch du
Verließest Eltern, die die Sorge quält um dich.

Johanna.
Unglücklicher! Und du erinnerst mich daran,
Wie viele Mütter dieses Landes kinderlos,
Wie viele zarte Kinder vaterlos, wie viel
Verlobte Bräute Witwen worden sind durch euch!
Auch Englands Mütter mögen die Verzweiflung nun
Erfahren, und die Tränen kennenlernen,
Die Frankreichs jammervolle Gattinnen geweint.

Montgomery.
O schwer ists, in der Fremde sterben unbeweint.

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