Agnes Sorel. Johanna
Sorel (kommt in lebhafter Rührung, wie sie die Jungfrau erblickt, eilt sie auf sie zu und fällt ihr um den Hals; plötzlich besinnt sie sich, läßt sie los und fällt vor ihr nieder).
Nein! Nicht so! Hier im Staub vor dir –
Johanna (will sie aufheben).
Steh auf!
Was ist dir? Du vergissest dich und mich.
Sorel.
Laß mich! Es ist der Freude Drang, der mich
Zu deinen Füßen niederwirft – ich muß
Mein überwallend Herz vor Gott ergießen,
Den Unsichtbaren bet ich an in dir.
Du bist der Engel, der mir meinen Herrn
Nach Reims geführt und mit der Krone schmückt.
Was ich zu sehen nie geträumt, es ist
Erfüllt! Der Krönungszug bereitet sich,
Der König steht im festlichen Ornat,
Versammelt sind die Pairs, die Mächtigen
Der Krone, die Insignien zu tragen,
Zur Kathedrale wallend strömt das Volk,
Es schallt der Reigen und die Glocken tönen,
O dieses Glückes Fülle trag ich nicht!
(Johanna hebt sie sanft in die Höhe. Agnes Sorel hält einen Augenblick inne, indem sie der Jungfrau näher ins Auge sieht)
Doch du bleibst immer ernst und streng, du kannst
Das Glück erschaffen, doch du teilst es nicht.
Dein Herz ist kalt, du fühlst nicht unsre Freuden,
Du hast der Himmel Herrlichkeit gesehn,
Die reine Brust bewegt kein irdisch Glück.
(Johanna ergreift ihre Hand mit Heftigkeit, läßt sie aber schnell wieder fahren)
O könntest du ein Weib sein und empfinden!
Leg diese Rüstung ab, kein Krieg ist mehr,
Bekenne dich zum sanfteren Geschlechte!
Mein liebend Herz flieht scheu vor dir zurück,
Solange du der strengen Pallas gleichst.
Johanna.
Was foderst du von mir!
Sorel.
Entwaffne dich! Leg diese Rüstung ab, die Liebe fürchtet,
Sich dieser stahlbedeckten Brust zu nahn.
O sei ein Weib und du wirst Liebe fühlen!
Johanna.
Jetzt soll ich mich entwaffnen! Jetzt! Dem Tod
Will ich die Brust entblößen in der Schlacht!
Jetzt nicht – o möchte siebenfaches Erz
Vor euren Festen, vor mir selbst mich schützen!
Sorel.
Dich liebt Graf Dunois. Sein edles Herz,
Dem Ruhm nur offen und der Heldentugend,
Es glüht für dich in heiligem Gefühl.
O es ist schön, von einem Helden sich geliebt
Zu sehn – es ist noch schöner, ihn zu lieben!
(Johanna wendet sich mit Abscheu hinweg)
Du hassest ihn! – Nein, nein, du kannst ihn nur
Nicht lieben – Doch wie solltest du ihn hassen!
Man haßt nur den, der den Geliebten uns
Entreißt, doch dir ist keiner der Geliebte!
Dein Herz ist ruhig – Wenn es fühlen könnte –
Johanna.
Beklage mich! Beweine mein Geschick!
Sorel.
Was könnte dir zu deinem Glücke mangeln?
Du hast dein Wort gelöst, Frankreich ist frei,
Bis in die Krönungsstadt hast du den König
Siegreich geführt, und hohen Ruhm erstritten,
Dir huldiget, dich preist ein glücklich Volk,
Von allen Zungen überströmend fließt
Dein Lob, du bist die Göttin dieses Festes,
Der König selbst mit seiner Krone strahlt
Nicht herrlicher als du.
Johanna.
O könnt ich mich
Verbergen in den tiefsten Schoß der Erde!