Raimond.
Und diese Wunder,
Ihr hättet sie vollbracht mit Gottes Kraft
Und seiner Heiligen?
Johanna.
Mit welcher sonst!
Raimond.
Und Ihr verstummtet auf die gräßliche
Beschuldigung? – Ihr redet jetzt, und vor dem König,
Wo es zu reden galt, verstummtet Ihr!
Johanna.
Ich unterwarf mich schweigend dem Geschick,
Das Gott, mein Meister, über mich verhängte.
Raimond.
Ihr konntet Eurem Vater nichts erwidern!
Johanna.
Weil es vom Vater kam, so kams von Gott,
Und väterlich wird auch die Prüfung sein.
Raimond.
Der Himmel selbst bezeugte Eure Schuld!
Johanna.
Der Himmel sprach, drum schwieg ich.
Raimond.
Wie? Ihr konntet
Mit einem Wort Euch reinigen, und ließt
Die Welt in diesem unglückselgen Irrtum?
Johanna.
Es war kein Irrtum, eine Schickung wars.
Raimond.
Ihr littet alle diese Schmach unschuldig,
Und keine Klage kam von Euren Lippen!
– Ich staune über Euch, ich steh erschüttert,
Im tiefsten Busen kehrt sich mir das Herz!
O gerne nehm ich Euer Wort für Wahrheit,
Denn schwer ward mirs, an Eure Schuld zu glauben.
Doch könnt ich träumen, daß ein menschlich Herz
Das Ungeheure schweigend würde tragen!
Johanna.
Verdient ichs, die Gesendete zu sein,
Wenn ich nicht blind des Meisters Willen ehrte!
Und ich bin nicht so elend, als du glaubst.
Ich leide Mangel, doch das ist kein Unglück
Für meinen Stand, ich bin verbannt und flüchtig,
Doch in der Öde lernt ich mich erkennen.
Da, als der Ehre Schimmer mich umgab,
Da war der Streit in meiner Brust, ich war
Die Unglückseligste, da ich der Welt
Am meisten zu beneiden schien – Jetzt bin ich
Geheilt, und dieser Sturm in der Natur,
Der ihr das Ende drohte, war mein Freund,
Er hat die Welt gereinigt und auch mich.
In mir ist Friede – Komme, was da will,
Ich bin mir keiner Schwachheit mehr bewußt!
Raimond.
O kommt, kommt, laßt uns eilen, Eure Unschuld
Laut, laut vor aller Welt zu offenbaren!
Johanna.
Der die Verwirrung sandte, wird sie lösen!
Nur wenn sie reif ist, fällt des Schicksals Frucht!
Ein Tag wird kommen, der mich reiniget.
Und die mich jetzt verworfen und verdammt,
Sie werden ihres Wahnes inne werden,
Und Tränen werden meinem Schicksal fließen.
Raimond.
Ich sollte schweigend dulden, bis der Zufall –
Johanna (ihn sanft bei der Hand fassend).
Du siehst nur das Natürliche der Dinge,
Denn deinen Blick umhüllt das irdsche Band.
Ich habe das Unsterbliche mit Augen
Gesehen – ohne Götter fällt kein Haar
Vom Haupt des Menschen – Siehst du dort die Sonne
Am Himmel niedergehen – So gewiß
Sie morgen wiederkehrt in ihrer Klarheit,
So unausbleiblich kommt der Tag der Wahrheit!