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Phädra (Racine) – Dritter Aufzug. Dritter Auftritt.

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Oenone.
Das wird gewiss geschehen; zweifle nicht!
O wahrlich, nie war eine Furcht gerechter.
Doch warum willst du sie der Schmach bloß stellen?
Warum dich selbst anklagen? – Ach, es ist
Um uns geschehen! Phädra, hör’ ich sagen,
Bekennt sich schuldig! Phädra trägt ihn nicht
Den furchtbar’n Anblick des verratnen Gatten,
Wie glücklich ist dein Feind, dass du ihm selbst
Gewonnen gibst auf Kosten deines Lebens!
Was werd’ ich ihm antworten, wenn er nun
Als Kläger auftritt? Ach, ich muss verstummen!
Er aber wird sich seines grässlichen
Triumphs mit Übermut erfreun, und jedem,
Der’s hören will, von deiner Schmach erzählen.
Eh dies geschieht, zerschmettre mich der Blitz!
– Sag mir die Wahrheit! Ist er dir noch teuer?
Mit welchem Auge siehst du jetzt den Stolzen?

Phädra.
Ein Ungeheu’r ist er in meinen Augen.

Oenone.
Warum den leichten Sieg ihm also lassen?
Du fürchtest ihn – So wag’ es, ihn zuerst
Der Schuld, die er dir vorwirft, anzuklagen.
Wer kann dich Lügen strafen? Alles verdammt ihn.
Sein Schwert, zum Glück in deiner Hand gelassen,
Dein jetz’ger Schrecken, dein bisher’ger Gram,
Die vorgefasste Meinung seines Vaters,
Und deine frühern Klagen über ihn,
Auch dies, dass du schon einmal ihn verbannt –

Phädra.
Ich soll die Unschuld unterdrücken, lästern?

Oenone.
Mir ist an deinem Schweigen schon genug.
Ich zittre, so wie du; auch mein Gewissen
Regt sich und tausend Tode stürb’ ich lieber!
Doch ohne dieses Mittel der Verzweiflung
Verlier’ ich dich! Es gilt zu hohen Preis!
So weiche jedes andre deinem Leben!
– Ich werde reden – Theseus, glaube mir,
Wenn mein Bericht ihn aufgereizt, wird sich
Mit der Verbannung seines Sohns begnügen;
Ein Vater bleibt auch Vater noch im Strafen!
Doch müsst’ auch selbst das Blut der Unschuld fließen,
Dein Ruf steht auf dem Spiel, es gilt die Ehre;
Der muss man alles opfern, auch die Tugend.
Man kommt. Ich sehe Theseus.

Phädra.
Wehe mir!
Ich sehe Hippolyt. Ich lese schon
In seinen stolzen Blicken mein Verderben.
– Tu, was du willst! Dir überlass’ ich mich;
In meiner Angst kann ich mir selbst nicht raten.

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