Theseus. Oenone.
Theseus.
Was hör’ ich! Götter! Solchen Angriff wagte
Ein Rasender auf seines Vaters Ehre!
Wie hart verfolgst du mich, ergrimmtes Schicksal!
Ich weiß nicht was ich soll, nicht was ich bin!
O wird mir solcher Dank für meine Liebe?
Fluchwerte Tat! Verdammliches Erkühnen!
Und seiner wilden Lust genug zu tun,
Erlaubte sich der Freche gar Gewalt!
Erkannt hab’ ich’s, das Werkzeug seiner Wut,
Dies Schwert, zu edlerm Dienst ihm umgehangen;
Nicht heilt ihn selbst die heil’ge Scheu des Bluts!
Und Phädra säumte noch, ihn anzuklagen,
Und Phädra schwieg und schonte des Verräters.
Oenone.
Des unglücksel’gen Vaters schonte Phädra.
Vom Angriff dieses Wütenden beschämt
Und dieser frevelhaften Glut, die sie
Schuldlos entzündet, wollte Phädra sterben.
Schon zuckte sie die mörderische Hand,
Das schöne Licht der Augen auszulöschen;
Da fiel ich ihr in den erhobnen Arm,
Ja, ich allein erhielt sie deiner Liebe.
Und jetzt, o Herr, von ihrem großen Leiden,
Von deiner Furcht gerührt, entdeckt’ ich dir,
Ich tat’s nicht gern, die Ursach’ ihrer Tränen.
Theseus.
Wie er vor mir erblasste, der Verräter!
Er konnte mir nicht ohne Zittern nahn;
Ich war erstaunt, wie wenig er sich freute!
Sein frostiger Empfang erstickte schnell
Die frohe Wallung meiner Zärtlichkeit.
– Doch dieser Liebe frevelhafte Glut,
O sprich, verriet sie sich schon in Athen*?
Oenone.
Denk’ an die Klagen meiner Königin,
O Herr! Aus einer frevelhaften Liebe
Entsprang ihr ganzer Hass.
Theseus.
Und diese Liebe
Entflammte sich von neuem in Trözene?
Oenone.
Herr, alles, was geschehen, sagt’ ich dir! –
Zu lang ließ ich die Königin allein
In ihrem Schmerz; erlaube, dass ich dich
Verlasse, Herr, und meiner Pflicht gehorche.
(Oenone geht ab.)