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Die Braut von Messina – 2. Akt, 1. Auftritt

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Die Scene verwandelt sich in einen Garten, der die Aussicht auf das Meer eröffnet. Aus einem anstoßenden Gartensaale tritt

Beatrice, geht unruhig auf und nieder, nach allen Seiten umherspähend. Plötzlich steht sie still und horcht.

Es ist es nicht – Es war der Winde Spiel,
Die durch der Pinie Wipfel sausend streichen;
Schon neigt die Sonne sich zu ihrem Ziel,
Mit trägem Schritt seh‘ ich die Stunden schleichen,
Und mich ergreift ein schauderndes Gefühl,
Es schreckt mich selbst das wesenlose Schweigen.
Nichts zeigt sich mir, wie weit die Blicke tragen;
Er läßt mich hier in meiner Angst verzagen.

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Und nahe hör‘ ich, wie ein rauschend Wehr,
Die Stadt, die völkerwimmelnde, ertosen;
Ich höre fern das ungeheure Meer
An seine Ufer dumpferbrandend stoßen.
Es stürmen alle Schrecken auf mich her,
Klein fühl‘ ich mich in diesem Furchtbargroßen,
Und fortgeschleudert, wie das Blatt vom Baume,
Verlier‘ ich mich im grenzenlosen Raume.

Warum verließ ich meine stille Zelle?
Da lebt‘ ich ohne Sehnsucht, ohne Harm!
Das Herz war ruhig, wie die Wiesenquelle,
An Wünschen leer, doch nicht an Freuden arm.
Ergriffen jetzt hat mich des Lebens Welle,
Mich faßt die Welt in ihren Riesenarm;
Zerrissen hab‘ ich alle frühern Bande,
Vertrauend eines Schwures leichtem Pfande.

Wo waren die Sinne?
Was hab‘ ich gethan?
Ergriff mich bethörend
Ein rasender Wahn?

Den Schleier zerriß ich
Jungfräulicher Zucht,
Die Pforten durchbrach ich der heiligen Zelle!
Umstrickte mich blendend ein Zauber der Hölle?
Dem Manne folgt‘ ich,
Dem kühnen Entführer, in sträflicher Flucht.

O, komm, mein Geliebter!
Wo bleibst du und säumest? Befreie, befreie
Die kämpfende Seele! Mich naget die Reue,
Es faßt mich der Schmerz;
Mit liebender Nähe versichre mein Herz.

Und sollt‘ ich mich dem Manne nicht ergeben,
Der in der Welt allein sich an mich schloß?
Denn ausgesetzt ward ich ins fremde Leben,
Und frühe schon hat ich ein strenges Loos
(Ich darf den dunkeln Schleier nicht erheben)
Gerissen von dem mütterlichen Schooß.
Nur einmal sah ich sie, die mich geboren,
Doch wie ein Traum ging mir das Bild verloren.

Und so erwuchs ich still am stillen Orte,
In Lebens Gluth den Schatten beigesellt,
– Da stand er plötzlich an des Klosters Pforte,
Schön, wie ein Gott, und männlich, wie ein Held.
O, mein Empfinden nennen keine Worte!
Fremd kam er mir aus einer fremden Welt,
Und schnell, als wär‘ es ewig so gewesen,
Schloß sich der Bund, den keine Menschen lösen.

Vergib, du Herrliche, die mich geboren,
Daß ich, vorgreifend den verhängten Stunden,
Mir eigenmächtig mein Geschick erkoren.
Nicht frei erwählt‘ ich’s, es hat mich gefunden;
Ein dringt der Gott auch zu verschloßnen Thoren,
Zu Perseus‘ Thurm hat er den Weg gefunden,
Dem Dämon ist sein Opfer unverloren.
Wär‘ es an öde Klippen angebunden
Und an des Atlas himmeltragende Säulen,
So wird ein Flügelroß es dort ereilen.

Nicht hinter mich begehr‘ ich mehr zu schauen,
In keine Heimath sehn‘ ich mich zurück;
Der Liebe will ich liebend mich vertrauen,
Gibt es ein schönres als der Liebe Glück?
Mit meinem Loos will ich mich gern bescheiden,
Ich kenne nicht des Lebens andre Freuden.

Nicht kenn‘ ich sie und will sie nimmer kennen,
Die sich die Stifter meiner Tage nennen,
Wenn sie von dir mich, mein Geliebter, trennen.
Ein ewig Räthsel bleiben will ich mir;
Ich weiß genug, ich lebe dir! (Aufmerkend.)
Horch, der lieben Stimme Schall!
– Nein, es war der Wiederhall
Und des Meeres dumpfes Brausen,
Das sich an den Ufern bricht,
Der Geliebte ist es nicht!
Weh mir! Weh mir! Wo er weilet?
Mich umschlingt ein kaltes Grausen!
Immer tiefer
Singt die Sonne! Immer öder
Wird die Oede! Immer schwerer
Wird das Herz – Wo zögert er? (Sie geht unruhig umher.)

Aus des Gartens sichern Mauern
Wag‘ ich meinen Schritt nicht mehr.
Kalt ergriff mich das Entsetzen,
Als ich in die nahe Kirche
Wagte meinen Fuß zu setzen;
Denn mich trieb’s mit mächt’gem Drang
Aus der Seele tiefsten Tiefen,
Als sie zu der Hora riefen,
Hinzuknien an heil’ger Stätte,
Zu der Göttlichen zu flehn,
Nimmer konnt‘ ich widerstehn.
Wenn ein Lauscher mich erspähte?
Voll von Feinden ist die Welt,
Arglist hat auf allen Pfaden,
Fromme Unschuld zu verrathen,
Ihr betrüglich Netz gestellt.
Grauend hab‘ ich’s schon erfahren,
Als ich aus des Klosters Hut
In die fremden Menschenschaaren
Mich gewagt mit frevelm Muth.
Dort, bei jenes Festes Feier,
Da der Fürst begraben ward,
Mein Erkühnen büßt‘ ich theuer,
Nur ein Gott hat mich bewahrt –
Da der Jüngling mir, der fremde,
Nahte, mit dem Flammenauge,
Und mit Blicken, die mich schreckten,
Mir das Innerste durchzuckten,
In das tiefste Herz mir schaute –
Noch durchschauert kaltes Grauen,
Da ich’s denke, mir die Brust!
Nimmer, nimmer kann ich schauen
In die Augen des Geliebten,
Dieser stillen Schuld bewußt! (Aufhorchend.)
Stimmen im Garten!
Er ist’s, der Geliebte!
Er selber! Jetzt täuschte
Kein Blendwerk mein Ohr.
Es naht, es vermehrt sich!
In seine Arme!
An seine Brust!

(Sie eilt mit ausgebreiteten Armen nach der Tiefe des Gartens. Don Cesar tritt ihr entgegen.)