Chor (Cajetan.)
Sagt mir! Ich kann’s nicht fassen und deuten,
Wie es so schnell sich erfüllend genaht.
Längst wohl sah ich im Geist mit weiten
Schritten das Schreckensgespenst herschreiten
Dieser entsetzlichen, blutigen That.
Dennoch übergießt mich ein Grauen,
Da sie vorhanden ist und geschehen,
Da ich erfüllt muß vor Augen schauen,
Was ich in ahnender Furcht nur gesehen.
All mein Blut in den Adern erstarrt
Vor der gräßlich entschiedenen Gegenwart.
Einer aus dem Chor (Manfred.)
Lasset erschallen die Stimme der Klage!
Holder Jüngling!
Da liegt er entseelt,
Hingestreckt in der Blüthe der Tage,
Schwer umfangen von Todesnacht,
An der Schwelle der bräutlichen Kammer!
Aber über dem Stummen erwacht
Lauter, unermeßlicher Jammer.
Ein Zweiter (Cajetan.)
Wir kommen, wir kommen
Mit festlichem Prangen
Die Braut zu empfangen,
Es bringen die Knaben
Die reichen Gewande, die bräutlichen Gaben,
Das Fest ist bereitet, es warten die Zeugen;
Aber der Bräutigam höret nicht mehr,
Nimmer erweckt ihn der fröhliche Reigen,
Denn der Schlummer der Todten ist schwer.
Ganzer Chor.
Schwer und tief ist der Schlummer der Todten,
Nummer erweckt ihn die Stimme der Braut,
Nimmer des Hifthorns fröhlicher Laut,
Starr und fühllos liegt er am Boden!
Ein Dritter (Cajetan.)
Was sind die Hoffnungen, was sind Entwürfe,
Die der Mensch, der vergängliche, baut?
Heute umarmtet ihr euch als Brüder,
Einig gestimmt mit Herzen und Munde,
Diese Sonne, die jetzo nieder
Geht, sie leuchtete eurem Bunde!
Und jetzt liegst du, dem Staube vermählt,
Von des Brudermords Händen entseelt,
In dem Busen die gräßliche Wunde!
Was sind Hoffnungen, was sind Entwürfe,
Die der Mensch, der flüchtige Sohn der Stunde,
Aufbaut auf dem betrüglichen Grunde?
Chor (Berengar.)
Zu der Mutter will ich dich tragen,
Eine unbeglückende Last!
Diese Cypresse laßt uns zerschlagen
Mit der mörderischen Schneide der Axt,
Eine Bahre zu flechten aus ihren Zweigen,
Nimmer soll sie Lebendiges zeugen,
Die die tödtliche Frucht getragen,
Nimmer in fröhlichem Wuchs sich erheben,
Keinem Wandrer mehr Schatten geben;
Die sich genährt auf des Mordes Boden,
Soll verflucht sein zum Dienst der Todten!
Erster (Cajetan.)
Aber wehe dem Mörder, wehe,
Der dahin geht in thörichtem Muth!
Hinab, hinab in der Erde Ritzen
Rinnet, rinnet, rinnet sein Blut.
Drunten aber im Tiefen sitzen
Lichtlos, ohne Gesang und Sprache,
Der Themis Töchter, die nie vergessen,
Die Untrüglichen, die mit Gerechtigkeit messen,
Fangen es auf in schwarzen Gefäßen,
Rühren und mengen die schreckliche Rache.
Zweiter (Berengar.)
Leicht verschwindet der Thaten Spur
Von der sonnenbeleuchteten Erde,
Wie aus dem Antlitz die leichte Geberde –
Aber nichts ist verloren und verschwunden,
Was die geheimnißvoll waltenden Stunden
In den dunkel schaffenden Schooß aufnahmen –
Die Zeit ist eine blühende Flur,
Ein großes Lebendiges ist die Natur,
Und alles ist Frucht, und alles ist Samen.
Dritter (Cajetan.)
Wehe, wehe dem Mörder, wehe,
Der sich gesät die tödtliche Saat!
Ein andres Antlitz, eh sie geschehen,
Ein anderes zeigt die vollbrachte That.
Muthvoll blickt sie und kühn dir entgegen,
Wenn der Rache Gefühle den Busen bewegen;
Aber ist sie geschehn und begangen,
Blickt sie dich an mit erbleichenden Wangen.
Selber die schrecklichen Furien schwangen
Gegen Orestes die höllischen Schlangen,
Reizten den Sohn zu dem Muttermord an;
Mit der Gerechtigkeit heiligen Zügen
Wußte sie listig sein Herz zu betrügen,
Bis er die tödtliche That nun gethan –
Aber, da er den Schooß jetzt geschlagen,
Der ihn empfangen und liebend getragen,
Siehe, da kehrten sie
Gegen ihn selber
Schrecklich sich um –
Und er erkannte die furchtbaren Jungfraun
Die den Mörder ergreifend fassen,
Die von jetzt an ihn nimmer lassen,
Die ihn mit ewigem Schlangenbiß nagen,
Die von Meer zu Meer ihn ruhelos jagen
Bis in das delphische Heiligthum.
(Der Chor geht ab, den Leichnam Don Manuels auf einer Bahre tragend.)