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Die Braut von Messina – 4. Akt, 9. Auftritt

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Donna Isabella. Don Cesar. Der Chor.

Isabella (kommt mit zögernden Schritten und wirft unschlüssige Blicke auf Don Cesar. Endlich tritt sie ihm näher und spricht mit gefaßtem Ton).
Dich sollten meine Augen nicht mehr schauen,
So hatt‘ ich mir’s in meinem Schmerz gelobt;
Doch in die Luft verwehen die Entschlüsse,
Die eine Mutter, unnatürlich wüthend,
Wider des Herzens Stimme faßt – Mein Sohn!
Mich treibt ein unglückseliges Gerücht
Aus meines Schmerzens öden Wohnungen
Hervor – Soll ich ihm glauben? Ist es wahr,
Daß mir ein Tag zwei Söhne rauben soll?

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Chor (Cajetan.)
Entschlossen siehst du ihn, festen Muths,
Hinab zu gehen mit freiem Schritte
Zu des Todes traurigen Thoren.
Erprobe du jetzt die Kraft des Blutes,
Die Gewalt der rührenden Mutterbitte!
Meine Worte hab‘ ich umsonst verloren.

Isabella.
Ich rufe die Verwünschungen zurück,
Die ich im blinden Wahnsinn der Verzweiflung
Auf dein geliebtes Haupt herunter rief.
Eine Mutter kann des eignen Busens Kind,
Das sie mit Schmerz geboren, nicht verfluchen.
Nicht hört der Himmel solche sündige
Gebete; schwer von Thränen, fallen sie
Zurück von seinem leuchtenden Gewölbe.
– Lebe, mein Sohn! Ich will den Mörder lieber sehn
Des einen Kindes, als um beide weinen.

Don Cesar.
Nicht wohl bedenkst du, Mutter, was du wünschest
Dir selbst und mir – Mein Pfad kann nicht mehr sein
Bei den Lebendigen – Ja, könntest du
Des Mörders gottverhaßtes Antlitz auch
Ertragen, Mutter, ich ertrüge nicht
Den stummen Vorwurf deines ew’gen Grams.

Isabella.
Kein Vorwurf soll dich kränken, keine laute,
Noch stumme Klage in das Herz dir schneiden.
In milder Wehmuth wird der Schmerz sich lösen,
Gemeinsam trauernd, wollen wir das Unglück
Beweinen und bedecken das Verbrechen.

Don Cesar (faßt ihre Hand, mit sanfter Stimme).
Das wirst du, Mutter. Also wird’s geschehn.
In milder Wehmuth wird dein Schmerz sich lösen –
Dann, Mutter, wenn ein Todtenmal den Mörder
Zugleich mit dem Gemordeten umschließt,
Ein Stein sich wölbet über beider Staube,
Dann wird der Fluch entwaffnet sein – Dann wirst
Du deine Söhne nicht mehr unterscheiden,
Die Thränen, die dein schönes Auge weint,
Sie werden einem wie dem andern gelten,
Ein mächtiger Vermittler ist der Tod.
Da löschen alle Zornesflammen aus,
Der Haß versöhnt sich, und das schöne Mitleid
Neigt sich, ein weinend Schwesterbild, mit sanft
Anschmiegender Umarmung auf die Urne.
Drum, Mutter, wehre du mir nicht, daß ich
Hinuntersteige und den Fluch versöhne.

Isabella.
Reich ist die Christenheit an Gnadenbildern,
Zu denen wallend ein gequältes Herz
Kann Ruhe finden. Manche schwere Bürde
Ward abgeworfen in Lorettos Haus,
Und segensvolle Himmelskraft umweht
Das heil’ge Grab, das alle Welt entsündigt.
Vielkräftig auch ist das Gebet der Frommen,
Sie haben reichen Vorrath an Verdienst,
Und auf der Stelle, wo ein Mord geschah,
Kann sich ein Tempel reinigend erheben.

Don Cesar.
Wohl läßt der Pfeil sich aus dem Herzen ziehn,
Doch nie wird das verletzte mehr gesunden.
Lebe, wer’s kann, ein Leben der Zerknirschung,
Mit strengen Bußkasteiungen allmählich
Abschöpfend eine ew’ge Schuld – Ich kann
Nicht leben, Mutter, mit gebrochnem Herzen.
Aufblicken muß ich freudig zu den Frohen
Und in den Aether greifen über mir
Mit freiem Geist – Der Neid vergiftete mein Leben,
Da wir noch deine Liebe gleich getheilt.
Denkst du, daß ich den Vorzug werde tragen,
Den ihm dein Schmerz gegeben über mich?
Der Tod hat eine reinigende Kraft,
In seinem unvergänglichen Palaste
Zu echter Tugend reinem Diamant
Das Sterbliche zu läutern und die Flecken
Der mangelhaften Menschheit zu verzehren.
Weit, wie die Sterne abstehn von der Erde,
Wird er erhaben stehen über mir,
Und hat der alte Neid uns in dem Leben
Getrennt, da wir noch gleich Brüder waren,
So wurd er rastlos mir das Herz zernagen,
Nun er das Ewige mir abgewann
Und, jenseits alles Wettstreits, wie ein Gott
In der Erinnerung der Menschen wandelt.

Isabella.
O, hab‘ ich euch nur darum nach Messina
Gerufen, um euch Beide zu begraben!
Euch zu versöhnen, rief ich euch hieher,
Und ein verderblich Schicksal kehret all
Mein Hoffen in sein Gegentheil mir um!

Don Cesar.
Schilt nicht den Ausgang, Mutter! Es erfüllt
Sich Alles, was versprochen ward. Wir zogen ein
Mit Friedenshoffnungen in diese Thore,
Und friedlich werden wir zusammen ruhn,
Versöhnt auf ewig, in dem Haus des Todes.

Isabella.
Lebe, mein Sohn! Laß deine Mutter nicht
Freundlos im Land der Fremdlinge zurück,
Rohherziger Verhöhnung preisgegeben,
Weil sie der Söhne Kraft nicht mehr beschützt.

Don Cesar.
Wenn alle Welt dich herzlos kalt verhöhnt
So flüchte du dich hin zu unserm Grabe
Und rufe deiner Söhne Gottheit an;
Denn Götter sind wir dann, wir hören dich,
Und wie des Himmels Zwillinge, dem Schiffer
Ein leuchtend Sternbild, wollen wir mit Trost
Die nahe sein und deine Seele stärken.

Isabella.
Lebe, mein Sohn! Für deine Mutter lebe!
Ich kann’s nicht tragen, Alles zu verlieren!

(Sie schlingt ihre Arme mit leidenschaftlicher Heftigkeit um ihn; er macht sich sanft von ihr los und reicht ihr die Hand mit abgewandtem Gesicht.

Don Cesar.
Leb wohl!

Isabella.
Ach, wohl erfahr‘ ich’s schmerzlich fühlend nun,
Daß nichts die Mutter über dich vermag!
Gibt’s keine andre Stimme, welche dir
Zum Herzen mächt’ger als die meine dringt?
(Sie sieht nach dem Eingang der Scene.)
Komm, meine Tochter! Wenn der todte Bruder
Ihn so gewaltig nachzieht in die Gruft,
So mag vielleicht die Schwester, die geliebte,
Mit schöner Lebenshoffnung Zauberschein
Zurück ihn locken in das Licht der Sonne.