HomeDie Horen1796 - Stück 4I. Benvenuto Cellini. [Benvenuto Cellini]

I. Benvenuto Cellini. [Benvenuto Cellini]

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Mein Vater fing an mich die Flöte zu lehren und unterwieß mich im Singen, aber ungeachtet meines zarten Alters, in welchem die kleinen Kinder sich an einem Pfeifchen und anderm solchen Spielzeuge ergötzen, missfiel mirs unsäglich, und ich sang und blies nur aus Gehorsam. Mein Vater machte zu selbiger Zeit wundersame Orgeln mit hölzernen Pfeifen, Claviere so schön und gut, als man sie damals nur sehen konnte, Violen, Lauten und Harfen auf das beste.

Er war auch in der Kriegsbaukunst erfahren und verfertigte mancherley Werkzeuge, als Modelle zu Brücken, Mühlen und andere Maschinen; er arbeitete wundersam in Elfenbein, und war der erste, der in dieser Kunst etwas leistete; aber, da er sich in meine nachherige Mutter verliebt hatte, mochte er sich mehr als billig mit der Flöte beschäftigen, und ward von den Rathspfeifern ersucht, mit ihnen zu blasen. So trieb er es eine Weile zu seinem Vergnügen, bis sie ihn endlich festhielten, anstellten und unter ihre Gesellschaft aufnahmen. Lorenz Medicis und Peter sein Sohn, die ihm sehr günstig waren, sahen nicht gern, daß er, indem er sich ganz der Musik ergab, seine übrigen Fähigkeiten und seine Kunst vernachlässigte, und entfernten ihn von gedachter Stelle. Mein Vater nahm es sehr übel, er glaubte man thue ihm das größte Unrecht an.

Nun begab er sich wieder zur Kunst und machte einen Spiegel ungefähr eine Elle im Durchmesser, von Knochen und Elfenbein, Figuren und Laubwerk waren sehr zierlich und wohlgezeichnet. Das Ganze war wie ein Rad gebildet, in der Mitte befand sich der Spiegel, und ringsherum waren sieben Rundungen angebracht, in welchen die sieben Tugenden aus Elfenbein und schwarzen Knochen geschnitten waren. Sowohl der Spiegel als die Tugenden hingen im Gleichgewicht, so, daß wenn man das Rad drehte, sich die Figuren bewegten, sie hatten ein Gegengewicht, das sie grad hielte, und da mein Vater einige Kenntniß der lateinischen Sprache besaß, setzte er einen Vers umher, welcher sagte, daß bey allen Umwälungen des Glücksrads die Tugend immer aufrecht bleibe.

Rota sum, semper, quò quò me verto, stat virtus.

Nachher ward ihm bald sein Platz unter den Rathspfeifern wiedergegeben. Damals, vor der Zeit meiner Geburt, wurden zu diesen Leuten lauter geehrte Handwerker genommen, einige arbeiteten Wolle und Seide im großen, daher verschmähte mein Vater auch nicht, sich zu ihnen zu gesellen, und das größte Verlangen, das er in der Welt für ich hatte, war, daß ich ein großer Musikus werden möchte. Dagegen war mirs äusserst unangenehm, wenn er mir davon erzählte und mir versicherte: wenn ich nur wollte könnte ich der erste Mensch in der Welt werden.

Wie gesagt war mein Vater ein treuer und verbundener Diener des Hauses Medicis, und da Peter vertrieben wurde, vertraute er meinem Vater viele Dinge von großer Bedeutung. Als nun darauf Peter Soderino Gonfaloniere ward, und mein Vater unter den Rathspfeifern sein Amt fortthat, erfuhr jener, wie geschikt der Mann übrigens war, und bediente sich seiner als Kriegsbaumeister in bedeutenden Fällen. Um diese Zeit ließ mein Vater mich schon vor dem Rathe mit den andern Musicis den Discant blasen, und, da ich noch so jung und zart war, trug mich ein Rathsdiener auf dem Arme. Soderino fand Vergnügen, sich mit mir abzugeben und mich schwätzen zu lassen, er gab mir Zuckerwerk und sagte zu meinem Vater: Meister Johann, lehre ihn, neben der Musik, auch die beyden andern schönen Künste. Mein Vater antwortete: Er soll keine andere Kunst treiben als blasen und komponiren, und auf diesem Wege, wenn ihm Gott das Leben läßt, hoffe ich ihn zum ersten Mann in der Welt zu machen. Darauf sagte einer von den alten Herrn: thue nur ja, was der Gonfalonier sagt, denn warum sollte er nichts anders als ein guter Musikus werden?

So ging eine Zeit vorbey, bis die Medicis zurükkamen. Der Cardinal, der nachher Pabst Leo wurde, begegnete meinem Vater sehr freundlich. Aus dem Wappen am Medicäischen Pallast hatte man die Kugeln genommen, sobald die Familie vertrieben war, und man hatte das Wappen der Gemeine, ein rothes Kreutz, in das Feld mahlen lassen. Als die Medicis zurükkehrten, ward das Kreutz wieder ausgekratzt, die rothen Kugeln kamen wieder hinein, und das goldne Feld ward vortrefflich ausstaffirt.

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Wenig Tage nachher starb Pabst Julius II, der Cardinal Medicis ging nach Rom und ward gegen alles Vermuthen zum Pabst erwählt, er ließ meinen Vater berufen und wohl wär es diesem gewesen, wenn er gegangen wäre, denn er verlohr seine Stelle im Pallast, sobald Jacob Salviati Gonfalonier geworden war. Nun bestimmte ich mich ein Goldschmied zu werden, und lernte zum theil diese Kunst, zum theil mußte ich viel, gegen meinen Willen, blasen. Ich bat meinen Vater, er möchte mich nur gewiße Stunden des Tages zeichnen lassen, die übrige Zeit wollte ich Musik machen, wenn er es beföhle. Darauf sagte er zu mir: so hast du denn kein Vergnügen am Blasen? ich sagte: Nein! denn diese Kunst schien mir zu niedrig gegen jene, die ich im Sinn hatte.

Mein guter Vater gerieth darüber in Verzweiflung und that mich in die Werkstatt des Vaters des Cavalier Bandinello, der Michel Agnolo hieß, trefflich in seiner Kunst war, aber von geringer Geburt, denn er war der Sohn eines Kohlenhändlers. Ich sage das nicht, um den Baninello zu schelten, der sein Haus zuerst gegründet hat, wäre er nur auf dem rechten Wege dazu gelangt! Doch wie es zugegangen ist, davon hab ich nichts zu reden. Nur einige Tage blieb ich daselbst, als mein Vater mich wieder wegnahm, denn er konnte nicht leben, ohne mich immer um sich zu haben, und so mußte ich wider Willen blasen, bis ich fünfzehn Jahr alt war. Wollte ich die sonderbaren Begebenheiten erzählen, die ich bis zu diesem Alter erlebt, und die Lebensgefahren, in welchen ich mich befunden habe, so würde sich der Leser gewiß verwundern.

Als ich funfzehn Jahr alt war, begab ich mich wider den Willen meines Vaters in die Werkstatt eines Goldschmiedes, der Antonio Sandor hieß, er war ein trefflicher Arbeiter, stolz und frey in seinen Handlungen, mein Vater wollte nicht, daß er mir Geld gäbe, wie es andere Unternehmer thun, damit ich, bey meiner freywilligen Neigung zur Kunst, auch zeichnen könnte, wann es mir gefiele. Das war mir sehr angenehm, und mein redlicher Meister hatte große Freude daran. Er erzog einen einzigen, natürlichen Sohn bey sich, dem er manches befahl, um mich zu schonen. Meine Neigung war so groß, daß ich, in wenig Monaten, die besten Gesellen einholte, und ich fing an Vortheil von meinen Arbeiten zu ziehen. Demohngeachtet verfehlte ich nicht, meinem Vater zu Liebe bald auf der Flöte bald auf dem Hörnchen zu blasen, und so oft er mich hörte fielen ihm, unter vielen Seufzern, die Thränen aus den Augen. Ich that mein möglichstes zu seiner Zufriedenheit, und stellte mich, als wenn ich auch großes Vergnügen dabey empfände.

Ich hatte einen Bruder, zwey Jahr jünger als ich, der sehr kühn und heftig war. Er ward nachher einer der besten Soldaten, die in der Schule des vortrefflichen Herrn Johannes von Medicis, Vater des Herzogs Cosmus, gebildet worden. Dieser Knabe war ohngefähr vierzehn Jahr alt und bekam eines Sonntags, zwey Stunden vor Nacht, zwischen dem Thor St. Gallo und Pinti mit einem Menschen von zwanzig Jahren Händel, forderte ihn auf den Degen, setzte ihm tapfer zu und wollte nicht ablassen, ob er ihn gleich schon übel verwundet hatte. Viele Leute sahen zu, und unter ihnen mehrere Verwandte des jungen Menschen. Da sie merkten, daß die Sache übel ging, griffen sie nach Steinen, trafen meinen armen Bruder an den Kopf, der für todt zur Erden fiel. Zufällig kam ich auch in die Gegend, ohne Freunde und ohne Waffen, ich hatte meinem Bruder aus allen Kräften zugerufen: er solle sich zurük ziehen! Als er fiel nahm ich seinen Degen und hielt mich, in seiner Nähe, gegen viele Degen und Steine, einige tapfre Soldaten kamen mir zu Hülfe und befreyten mich von der Wuth der Gegner. Ich trug meinen Bruder für todt nach Hause, mit vieler Mühe ward er wieder zu sich selbst gebracht und geheilt. Die Achte verbannten unsere Gegner auf einige Jahre und uns auf sechs Monate zehn Meilen von der Stadt. So schieden wir von unserm armen Vater, der uns seinen Segen gab, da er uns kein Geld geben konnte. Ich ging nach Siena zu einem braven Manne, der Meister Franzesco Castoro hieß, ich war vorher schon einmal bey ihm gewesen, denn ich war meinem Vater entlaufen und hatte dort gearbeitet, nun erkannte er mich wieder, gab mir zu thun und freyes Quartier, so lange ich in Siena blieb, wo ich mich mit meinem Bruder mehrere Monate aufhielt.

Sodann ließ uns der Cardinal Medicis, der nachher Pabst Clemens ward, auf die Bitte meines Vaters wieder nach Florenz zurükkehren. Ein gewisser Schüler meines Vaters sagte aus böser Absicht zum Cardinal: er solle mich doch nach Bologna schicken, damit ich dort von einem geschikten Meister das Blasen in Vollkommenheit lernen möchte. Der Cardinal versprach meinem Vater, mir Empfehlungsschreiben zu geben, mein Vater wünschte nichts besseres und ich ging gerne, aus Verlangen die Welt zu sehen. In Bologna gab ich mich zu einem in die Lehre, der Meister Herkules der Pfeifer hieß. Ich fing an Geld zu verdienen, nahm zugleich täglich meine Lektionen in der Musik, und in kurzer Zeit brachte ich es weit genug in dem verfluchten Blasen. Aber weit mehr Vortheil zog ich von der Goldschmiedekunst; denn da mir der Cardinal keine Hülfe reichte, begab ich mich in das Haus eines Bologneser Miniaturmahlers, der Scipio Cavalletti hieß, ich zeichnete und arbeitete für einen Juden, und gewann genug dabei.

Nach sechs Monaten kehrte ich nach Florenz zurück, worüber der ehemalige Schüler meines Vaters, Peter der Pfeifer, sehr verdrießlich war; aber ich ging doch meinem Vater zu Liebe in sein Haus und bließ mit seinem Bruder Hieronymus auf der Flöte und dem Hörnchen. Eines Tages kam mein Vater hin um uns zu hören, er hatte große Freude an mir und sagte: ich will doch einen großen Musikus aus dir machen zum Trotz eines jeden, der mich daran zu verhindern wünscht. Darauf antwortete Peter: weit mehr Ehre und Nutzen wird euer Benvenuto davon haben, wenn er sich auf die Goldschmiedekunst legt, als von dieser Pfeiferey. Das war nun freylich wahr gesprochen, aber es verdroß meinen Vater um desto mehr, je mehr er sahe, daß ich auch derselben Meinung war, und sagte sehr zornig zu Peter: ich wußte wohl, daß du der seyst, der sich meinem so erwünschten Zwecke entgegen sezt, durch dich habe ich meine Stelle im Pallast verlohren, mit solchem Undank hast du meine große Wohlthat belohnt, dir hab ich sie verschaft, mit hast du sie entzogen; aber merke diese prophetischen Worte! Nicht Jahre und Monate, nur wenig Wochen werden vorbey gehen, und du wirst wegen deines schändlichen Undanks umkommen. Darauf antwortete Peter: Meister Johann, viele Menschen werden im Alter schwach und kindisch, wie es euch auch geht, man muß euch nichts übel nehmen, denn ihr habt ja alles verschenkt und nicht bedacht, daß eure Kinder etwas nöthig haben dürften. Ich denke das Gegentheil zu thun und meinen Söhnen so viel zu hinterlassen, daß sie den euern allenfalls zu Hülfe kommen können.

Darauf antwortete mein Vater: kein schlechter Baum bringt gute Früchte hervor, und ich sage dir, da du böß bist, werden deine Söhne arm und Narren werden, und werden bey meinen braven und reichen Söhnen in Diensten gehen.

So eilten wir aus dem Hause und es fielen noch heftige Worte, ich nahm die Parthie meines Vaters und sagte im Herausgehn zu ihm: wenn er mich wollte bey der Zeichenkunst lassen, so wollte ich ihn an dem unartigen Menschen rächen. Er sagte darauf: Lieber Sohn! ich bin auch ein guter Zeichner gewesen und habe es mir in meinem Leben sauer werden lassen, willst du nun nicht deinen Vater, der dich gezeugt und erzogen und den Grund zu so vieler Geschicklichkeit gelegt hat, manchmal erquicken und die Flöte, und das allerliebste Hörnchen in die Hand nehmen? Darauf sagte ich, aus Liebe zu ihm wollte ichs gerne thun! Der gute Vater versetzte: mit solchen Geschicklichkeiten und Tugenden würde man sich am sichersten an seinen Feinden rächen.

Kein ganzer Monat war vorbey und Pierrino hatte in seinem Hause ein Gewölbe machen lassen, und war mit mehrern Freunden in einem Zimmer über dem Gewölbe, sprach über meinen Vater, seinen Meister, und scherzte über die Drohung, daß er zu Grunde gehen solle. Kaum war es gesagt, so fiel das Gewölbe ein, entweder weil es schlecht gesprengt war, oder durch Gottes Schikung, der die Frevler bestraft. Er fiel hinunter und die Steine und Ziegeln des Gewölbes, die mit ihm hinabstürzten, zerbrachen ihm beyde Beine, aber alle, die mit ihm waren, blieben auf dem Rand des Gewölbes, und niemand that sich ein Leid. Sie waren erstaunt und verwundert genug, besonders, da sie sich erinnerten, wie er kurz vorher gespottet hatte. Sobald mein Vater das erfuhr, eilte er zu ihm und sagte, in Gegenwart seines Vaters: Piero, mein lieber Schüler, wie betrübt mich dein Unfall, aber erinnerst du dich, wie ich dich vor kurzem warnte? und so wird auch das, was ich von deinen und meinen Söhnen gesagt habe, wahr werden. Bald darauf starb der undankbare Piero an dieser Krankheit, er hinterließ ein liederliches Weib und einen Sohn, der einige Jahre nachher in Rom mich um Almosen ansprach, ich gab sie ihm, denn es ist in meiner Natur, und erinnerte mich mit Thränen an den glücklichen Zustand Pierins, zur Zeit, da mein Vater zu ihm die Prophetischen Worte gesagt hatte.

Ich fuhr fort der Goldschmiedekunst mich zu ergeben und stand meinem Vater mit meinem Verdienste bey. Mein Bruder Cecchino mußte anfangs lateinisch lernen, denn, wie der Vater aus mir den größten Tonkünstler bilden wollte, so sollte mein Bruder, der jüngere, ein gelehrter Jurist werden, nun konnte er aber in uns beyden die natürliche Neigung nicht zwingen, ich legte mich aufs Zeichnen und mein Bruder, der von schöner und angenehmer Gestalt war, neigte sich ganz zu den Waffen. Einst kam er aus der Schule des Herrn Johann von Medicis nach Hause, wo ich mich eben nicht befand, und, weil er sehr schlecht mit Kleidern versehen war, bewegte er unsere Schwestern, daß sie ihm ein ganz neues Kleid gaben das ich mir hatte machen lassen, denn ausserdem daß ich meinem Vater und meinen guten Schwestern durch meinen Fleis beystand, hatte ich mir auch ein hübsches ansehnliches Kleid machen lassen. Ich kam und fand mich hintergangen und beraubt, mein Bruder hatte sich davon gemacht und ich sezte meinen Vater zur Rede, warum er mir so großes Unrecht geschehen ließe, da ich doch so gerne arbeitete um ihm beyzustehen. Darauf antwortete er mir: ich sey sein guter Sohn, was ich glaubte verloren zu haben würde mir Gewinst bringen, es sey nöthig, es sey Gottes Gebot, daß derjenige, der etwas besitzt, dem Bedürftigen gebe, und wenn ich dieses Unrecht aus Liebe zu ihm ertrüge, so würde Gott meine Wohlfahrt auf alle Weise vermehren. Ich antwortete meinem armen, bekümmerten Vater wie ein Knabe ohne Erfahrung, nahm einen armseligen Rest von Kleidern und Geld und ging grade zu einem Stadtthor hinaus, und da ich nicht wußte, welches Thor nach Rom führte, fand ich mich in Lucca und von da ging ich nach Pisa, ich mochte ohngefähr sechzehn Jahr alt seyn, und blieb auf der mittelsten Brücke, wo sie es zum Fischstein nenne, bey einer Goldschmiedwerkstatt stehen, und sah mit Aufmerksamkeit, auf das, was der Meister machte. Er fragte: wer ich sey und was ich gelernt hätte? Darauf antwortete ich: daß ich ein wenig in seiner Kunst arbeitete. Er hieß mich herein kommen und gab mir gleich etwas zu thun, wobey er sagte: dein gutes Ansehn überzeugt mich, daß du ein wakrer Mensch bist, und so gab er mir Gold, Silber und Juwelen hin. Abends führte er mich in sein Haus, wo er mit einer schönen Frau und einigen Kindern wohl eingerichtet lebte.

Nun erinnerte ich mich der Betrübniß, die mein Vater wohl empfinden mochte, und schrieb ihm, daß ich in dem Hause eines sehr guten Mannes aufgenommen sey, und mit ihm große und schöne Arbeiten verfertigte, er möchte sich beruhigen, ich suchte was zu lernen, und hoffe mit meiner Geschicklichkeit ihm bald Nutzen und Ehre zu bringen. Geschwind antwortete er mir: Mein lieber Sohn! meine Liebe zu dir ist so groß, daß ich, wenn es nur schicklich wäre, mich gleich aufgemacht hätte zu dir zu kommen, denn gewiß! mir ists als wenn ich des Lichts dieser Augen beraubt wäre, daß ich dich nicht täglich sehe und zum Guten ermahnen kann. Diese Antwort fiel in die Hände meines Meisters, er las sie heimlich und gestand es mir dann mit diesen Worten: Wahrlich, mein Benvenuto, dein gutes Ansehn betrog mich nicht, ein Brief deines Vaters, der ein recht braver Mann seyn muß, giebt dir das beste Zeugniß, rechne als wenn du in deinem Hause und bey deinem Vater seyst.

Ich ging nun, den Gottesacker von Pisa zu besehen, und fand dort besonders antike Sarkophagen von Marmor, und an vielen Orten der Stadt noch mehr Alterthümer, an denen ich mich, so bald ich in der Werkstatt frey hatte, beständig übte. Mein Meister fasste darüber große Liebe zu mir, besuchte mich oft auf meiner Kammer, und sah mit Freuden, daß ich meine Stunden so gut anwendete.

Das Jahr, das ich dort blieb, nahm ich sehr zu, arbeitete in Gold und Silber, schöne und bedeutende Sachen, die meine Lust weiter vorwärts zu gehen immer vermehrten.

Indessen schrieb mir mein Vater auf das liebreichste, ich möchte doch wieder zu ihm kommen, dabey ermahnte er mich in allen Briefen, daß ich doch das Blasen nicht unterlassen sollte, das ich mich mit so großer Mühe gelehrt hatte. Darüber verging mir die Lust, jemals wieder zu ihm zurückzukehren, dergestalt haßte ich das abscheuliche Blasen, und wirklich ich glaubte das Jahr in Pisa im Paradiese zu seyn, wo ich niemals Musik machte.

Am Ende des Jahrs, fand mein Meister Ursache nach Florenz zu reisen, um einige Gold- und Silberabgänge zu verkaufen, und weil mich in der bösen Luft ein kleines Fieber angewandelt hatte, so ging ich mit ihm nach meiner Vaterstadt, wo ihn mein Vater ins geheim, und auf das inständigste bat, mich nicht wieder nach Pisa zu führen.

So blieb ich krank zurück und mußte ungefähr zwey Monate das Bette hüten. Mein Vater sorgte für mich mit großer Liebe, und sagte immer, es schienen ihm tausend Jahre bis ich gesund wäre, damit er mich wieder könnte blasen hören. Als er nun zugleich den Finger an meinem Puls hatte, denn er verstand sich ein wenig auf die Medicin und auf die lateinische Sprache, so fühlt’ er daß in meinem Blute, da ich vom Blasen hörte, die größte Bewegung entstand, und er gieng ganz bekümmert und mit Thränen von mir. Da ich nun sein großes Herzeleid sahe, sagte ich zu einer meiner Schwestern, sie sollte mir eine Flöte bringen, und ob ich gleich ein anhaltendes Fieber hatte, so machte mir doch dies Instrument, das keine große Anstrengung erfordert, nicht die mindeste Beschwerlichkeit, ich bließ mit so glücklicher Disposition der Finger und der Zunge, daß mein Vater, der eben unvermuthet hereintrat, mich tausendmal segnete, und mich versicherte, daß ich in der Zeit, die ich auswärts gewesen, unendlich gewonnen habe, er bat mich, daß ich vorwärts gehen, und ein so schönes Talent nicht vernachläßigen sollte.

Als ich nun wieder gesund war, kehrte ich zu meinem braven Marcone, dem Goldschmied zurück, und mit dem was er mir zu verdienen gab unterstüzte ich meinen Vater und mein Haus. Zu dieser Zeit kam ein Bildhauer nach Florenz der Peter Torrigiani hieß, er hatte sich lange in England aufgehalten und kam täglich zu meinem Meister, zu dem er große Freundschaft hegte. Da er meine Zeichnungen und meine Arbeiten gesehen hatte, sagte er: Ich bin zurückgekommen um so viel junge Leute als möglich anzuwerben, und da ich eine große Arbeit für meinen König zu machen habe, so will ich mir besonders meine Florentiner zu Gehülfen nehmen, deine Arbeiten und deine Zeichnungen sind mehr eines Bildhauers als eines Goldschmieds, und da ich große Werke von Erz zu machen habe, so sollst du bey mir zugleich geschickt und reich werden.

Es war dieser Mann von der schönsten Gestalt und von dem kühnsten Betragen, er sah eher einem großen Soldaten als einem Bildhauer ähnlich, seine entschiedenen Gebährden, seine klingende Stimme, das Runzeln seiner Augbraunen hätten auch einen braven Mann erschrecken können, und alle Tage sprach er von seinen Händeln mit den Bestien, von Engländern. So kam er auch einmal auf Michelagnolo Buonarotti zu reden, und zwar bei Gelegenheit einer Zeichnung, die ich nach dem Carton dieses göttlichsten Mannes gemacht hatte.

Dieser Carton war das erste Werk, in welchem Michelagnolo sein erstaunliches Talent zeigte, er hatte ihn in die Wette mit Leonard da Vinci gemacht, der einen andern in die Arbeit nahm, beyde waren für das Zimmer des Conseils, im Palast der Signorie bestimmt; sie stellten einige Begebenheiten der Belagerung von Pisa vor, durch welche die Florentiner die Stadt eroberten. Der treffliche Leondard da Vinci hatte ein Treffen der Reuterey unternommen, dabey einige Fahnen erobert werden, so göttlich gemacht, als man sichs nur vorstellen kann; Michelagnolo dagegen hatte eine Menge Fußvolks vorgestellt, die bey dem heißen Wetter sich im Arno badeten, der Augenblik war gewählt, wie unverhoft das Zeichen zur Schlacht gegeben wird und diese nakten Völker schnell nach den Waffen rennen; so schön und vortrefflich waren die Stellungen und Gebährden, daß man weder von alten noch neuen ein Werk gesehen hatte das auf diesen hohen und herrlichen Grad gelangt wäre, so war auch die Arbeit des großen Leonard höchst schön und wunderbar. Es hingen diese Cartone einer in dem Palast der Medicis, einer in dem Saale des Pabstes, und, so lange sie ausgestellt blieben, waren sie die Schule der Welt. Denn ob gleich der göttliche Michelagnolo die große Kapelle des Pabstes Julius mahlte, so erreichte er doch nicht zur Hälfte die Vortrefflichkeit dieses ersten Werks und sein Talent erhob sich niemals zur Stärke dieser früheren Studien wieder.

Um nun wieder auf Peter Torrigiani zu kommen! Er hatte meine Zeichnung in der Hand und sagte: dieser Buonarotti und ich gingen als Knaben in die Kirche del Carmine, um in der Kapelle des Masaccio zu studiren, und Buonarotti hatte die Art alle zu foppen, die dort zeichneten. Eines Tages machte er sich unter andern auch an mich, und es verdroß mich mehr als sonst, ich ballte die Faust und schlug ihn so heftig auf die Nase, daß ich Knochen und Knorpel zu mürbe fühlte als wenn es eine Oblate gewesen wäre, und so habe ich ihn für sein ganzes Leben gezeichnet.

Diese Worte erregten in mir einen solchen Haß, da ich die Arbeiten dieses unvergleichlichen Mannes vor Augen hatte, daß ich, weit entfernt mit Torrigiani nach England zu gehen, ihn nicht wieder ansehen mochte.

Und so fuhr ich fort mich nach der schönen Manier des Michelagnolo zu bilden, von der ich mich niemals getrennt habe, und zu gleicher Zeit ging ich mit einem liebenswürdigen jungen Menschen um, zu dem ich die größte Freundschaft fasste. Er war von meinem Alter, gleichfalls ein Goldschmied und der Sohn des trefflichen Mahlers Filippo di fra Filippo. Wir liebten uns so sehr, daß wir uns weder Tags noch Nachts trennen konnten, sein Haus war voller schöner Studien, die sein Vater nach den Römischen Alterthümern gezeichnet hatte, die in mehrern Büchern aufbewahrt wurden, von diesen Dingen war ich ganz hingerissen, und fast zwey Jahre arbeiteten wir zusammen.

Alsdann machte ich eine erhobene Arbeit in Silber, so groß wie eine kleine Kindshand, sie diente zum Schloß für einen Mannsgürtel, das man damals so groß trug. Es war auf demselben, nach antiker Art, eine Verwicklung von Blättern, Kindern und artigen Masken zu sehen. Ich machte diese Arbeit in der Werkstatt eines Francesco Salimbeni und die Gilde der Goldschmiede, der sie vorgezeigt wurde, erklärte mich für den geschicktesten Gesellen.

Zu der Zeit entzweyte ich mich wieder mit meinem Vater über das Blasen, und ein gewisser Holzschneider, den man Tasso nannte, hatte sich auch mit seiner Mutter überworfen. Ich sagte zu ihm: wenn du nur der Mensch wärst, statt vieler Worte etwas zu unternehmen! Er antwortete mir: hätte ich nur so viel Geld um nach Rom zu kommen, so wollte ich nicht einmal umkehren, um meine armselige Werkstatt zu verschließen. Darauf sagte ich: wenn ihn weiter nichts hindere, so hätte ich so viel bey mir, als wir beyde bis Rom brauchten. Da wir so im Gehen zusammen sprachen, fanden wir uns unvermuthet am Thore St. Peter Gattolini, darauf sagte ich: mein Tasso das ist göttliche Schickung, daß wir, ohne daran zu denken, an dies Thor gekommen sind, nun da ich hier bin ist mirs als wenn ich schon die Hälfte des Wegs zurückgelegt hätte. Wir gingen weiter und sprachen zusammen, was werden unsere Alten diesen Abend sagen? Dann nahmen wir uns vor nicht weiter daran zu denken, bis wir nach Rom gekommen wären, banden unsre Schurzfelle auf den Rücken und gingen stillschweigend bis nach Siena.

Tasso hatte sich wund gegangen, wollte nicht weiter, und bat mich daß ich ihm Geld borgen sollte, um wieder zurückzukehren; ich antwortete: daran hättest du denken sollen ehe du von Hause weggingst, ich habe nur noch so viel um nach Rom zu kommen, kannst du zu Fuße nicht fort, so ist da ein Pferd das retour nach Rom geht zu haben, und du hast keine weitere Entschuldigung. Ich miethete das Pferd, und, da er mir nicht antwortete, ritt ich gegen das Römische Thor zu. Als er mich entschlossen sah, kam er murrend und hinkend hinter mir drein, am Thore wartete ich mitleidig auf ihn, nahm ihn hinter mich und sagte zu ihm: was würden morgen unsere Freunde von uns sagen, wenn wir den Entschluß nach Rom zu gehen, nicht weiter als Siena hätten fest halten können? Er gab mir recht, und weil er ein froher Mensch war, fing er an zu lachen und zu singen, und so kamen wir immer lachend und singend nach Rom.

Ich zählte neunzehn Jahre mit dem Jahrhundert und begab ich gleich in die Werkstatt eines Meisters der Firenzuola di Lombardia hieß und in Gefäßen und großen Arbeiten höchst geschickt war. Ich zeigte ihm das Modell des Schloßes, das ich gearbeitet hatte, es gefiel ihm ausserordentlich, und er sagte zu einem florentiner Gesellen, der schon einige Jahre bey ihm stand: das ist ein Florentiner der’s versteht, und du bist einer von denen die’s nicht verstehen. Ich erkannte darauf den Menschen, und wollte ihn grüssen, denn wir hatten ehemals oft mit einander gezeichnet, und waren viel mit einander umgegangen; er aber, höchst missvergnügt über die Worte seines Meisters, behauptete, mich nicht zu kennen, noch etwas von mir zu wissen. Ich antwortete ihm mit Verdruß: o Gianotto! ehmals mein Hausfreund, mit dem ich da und da zusammen gezeichnet, auf dessen Landhaus ich gegessen und getrunken habe, ich brauche dein Zeugniß nicht bey diesem braven Manne, deinem Meister, und hoffe daß meine Hände ohne deinen Beystand beweisen sollen wer ich bin. Hierauf wendete sich Firenzuola, der ein lebhafter und wackrer Mann war, zu seinem Gesellen und sagte: schlechter Mensch! schämst du dich nicht, einem alten Freund und Bekannten so zu begegnen! und mit eben der Lebhaftigkeit wendet er sich zu mir und sagte: Komm herein und thue wie du gesagt hast, deine Hände mögen sprechen wer du bist, und sogleich gab er mir eine schöne Silberarbeit für einen Kardinal zu machen. Es war ein Kästchen nach dem porphyrnen Sarg vor der Thüre der Rotonde. Was ich von dem meinen dazu that, und womit ich die Arbeit bereicherte, die Menge schöner kleiner Masken, erfreuten meinen Meister so sehr, daß er das Werk überall zeigte und sich rühmte, daß ein solches aus seiner Werkstatt gekommen sey. Das Kästchen war ungefähr eine halbe Elle groß, und eingerichtet das Salzfaß bey Tafel aufzunehmen.

Das war mein erster Verdienst in Rom, einen Theil schickte ich meinem Vater, von dem andern lebte ich, indessen ich nach den Alterthümern studirte. Endlich, da mir das Geld ausging, war ich genöthigt mich wieder an die Arbeit zu begeben. Tasso aber, mein Geselle, kehrte bald nach Florenz zurück.

Da meine neue Arbeit geendigt war, kam mir die Lust zu einem andern Meister zu gehen. Ein gewisser Mailänder Paul Arsago hatte mich an sich gezogen. Darüber fing Firenzuola mit ihm große Händel an, und sagte ihm in meiner Gegenwart beleidigende Worte. Ich nahm mich meines neuen Meisters an und versezte, daß ich frey geboren sey und auch frey leben wolle, ich habe mich nicht über ihn, und er sich nicht über mich zu beklagen, vielmehr habe er mir noch einiges heraus zu zahlen, und, als ein freyer Arbeiter, wolle ich hingehen, wohin es mir gefiele, weil ich dadurch Niemand ein leid thäte. Auch mein neuer Meister sagte ohngefähr dasselbe, und versicherte, daß er mich nicht verleitet habe, und daß es ihm angenehm seyn werde, wenn ich zu meinem ersten Meister zurückginge. Auf das sagte ich: ich wollte niemanden schaden, ich hätte meine angefangenen Arbeiten geendigt, würde immer nur mir selbst und niemand anders angehören, und wer mich brauchte, möchte mit mir übereinkommen.

Ich habe nichts mehr mit dir zu thun, versezte Firenzuola, du sollst mir nicht mehr unter die Augen kommen! Da erinnerte ich ihn an mein Geld, worauf er mir spöttisch antwortete: Hab’ ich, so sagte ich darauf, Stahl und Eisen gebraucht, um deine Arbeiten zu machen, so sollen sie mir auch zu dem Lohn meiner Arbeit verhelfen. Als ich so sprach, bleib ein alter Mann am Lande stehen, der Meister Antonio von St. Marino hieß, der erste vortrefflichste Goldschmied von Rom und Meister des Firenzuola, er hörte meine Gründe an, gab mir recht und verlangte, daß Firenzuola mich bezahlen solle.

Man stritt sich lebhaft, denn Firenzuola, ein weit besserer Fechter als Goldschmied, wollte nicht nachgeben, doch zulezt fand die Vernunft ihren Plaz, und meine Festigkeit verschafte mir Recht, er bezahlte mich und in der Folge erneuerten wir unsre Freundschaft und er ersuchte mich bey ihm Gevatter zu stehn.

Bey meinem neuen Meister verdiente ich genug und schickte den größten Theil meinem guten Vater. dem ohngeachtet lag dieser mir immer an, nach Florenz zurückzukehren, und am Ende von zwey Jahren that ich ihm seinen Willen. Ich arbeitete wieder bey Salimbeni, verdiente viel, und suchte immer zu lernen; ich erneuerte meinen Umgang mit Francesco di Philippo und ob mir gleich das verwünschte Blasen viel Zeit verdarb, so unterließ ich doch nicht, gewisse Stunden des Tags und der Nacht zu studiren.

Ich machte damals ein silbernes Herzschoß, so nannten man einen Gürtel, drey Finger breit, den die Bräute zu tragen pflegten, er war in halb erhobener Arbeit gemacht, und einige runde Figuren dazwischen, und ob ich gleich äusserst schlecht bezahlt ward, so war mir doch die Ehre, die ich dadurch erlangte, unschätzbar.

Indessen hatte ich bey verschiedenen Meistern gearbeitet und sehr wohldenkende Männer, wie zum Beyspiel Marcone darunter gefunden. Andere hatten einen sehr guten Nahmen und bevortheilten mich aufs äusserste; sobald ich es merkte, machte ich mich von ihnen loß und hütete mich vor diesen Räubern. Als ich nun fortfuhr zu arbeiten und zu gewinnen, besonders da ein Meister, Sogliani genannt, freundlich seine Werkstatt mit mir theilte, waren jene gehässigen Leute neidisch, und, da sie drey große Werkstätten und viel zu thun hatten, druckten sie mich auf alle mögliche Weise. Ich beklagte mich darüber gegen einen Freund und sagte: es sollte ihnen genug seyn, daß sie mich unter dem Schein der Güte beraubt hätten. Sie erfuhren es wieder und schwuren, ich sollte meine Worte bereuen; ich aber, der ich nicht wußte, was die Furcht für eine Farbe hatte, achtete ihre Drohungen nicht. Eines Tages trat ich an den Laden des einen, er hatte mich gerufen und wollte mich schelten und gegen mich großthun, dagegen sagte ich: sie möchten sich’s selbst zuschreiben, denn ich hätte von ihren Handlungen gesprochen wie sie wären.

Indessen da ich so sprach paßte ein Vetter, den sie wahrscheinlich angestiftet hatten, heimtückisch auf, als ein Maulthier mit Ziegeln vorbeygetrieben wurde, und schob mir den Korb so auf den Leib, daß mir sehr weh geschah. Schnell kehrte ich mich um, sah daß er lachte und schlug ihn mit der Faust so tüchtig auf den Schlaf, daß er für todt zur Erden fiel, dann rief ich seinen Vettern zu: so behandelt man feige Spitzbuben eures gleichen! und da sie Mine machten, so viel ihrer waren, auf mich zu fallen, zog ich in der Wuth ein Messer und rief: Kommt einer zum Laden heraus, so laufe der andere zum Beichtvater, denn der Arzt soll hier nichts zu thun kriegen. Sie erschracken hierüber so sehr, daß keiner von der Stelle ging.

Als ich weg war, liefen Väter und Söhne zu dem Collegio der Achte und klagten, ich habe sie mit bewaffneter Hand angefallen, was in Florenz unerhört sey. Die Herrn Achte liessen ich rufen und machten mich tüchtig herunter, sowohl, weil ich in der Jacke gelaufen kam, da die andern Mäntel umgenommen hatten, als weil die Herren schon zu Hause einzeln durch meine Gegner eingenommen waren, welches ich als ein unerfahrner Knabe versäumt hatte, der ich mich auf mein vollkommenes Recht verließ.

Ich sagte: daß ich, aufgebracht durch die große Beleidigung, dem Gherardo nur eine Ohrfeige gegeben hätte, und deßhalb keinen so heftigen Ausputzer verdiente.

Kaum ließ mich Prinzivalle della Stuffa, der von den Achten war, das Wort: Ohrfeige, aussprechen, so rief er: keine Ohrfeige, einen Faustschlag hast du ihm gegeben! Er zog darauf die Glocke, schickte uns alle hinaus und sprach, wie ich nachher vernahm, zu meinen Gunsten. Betrachtet, sagte er, ihr Herren! die Einfalt dieses armen Menschen, er klagt sich an eine Ohrfeige gegeben zu haben, da seine Gegner nur von einem Faustschlag reden. Eine Ohrfeige auf dem neuen Markt kostet fünf und zwanzig Scudi, ein Faustschlag wenig oder nichts, es ist ein braver Junge und erhält sein Haus durch anhaltende Arbeit. Wollte der Himmel, es gäbe viel solche in unserer Stadt!

Es waren aber einige unter den Rothkappen durch Bitten und falsche Vorstellungen meiner Feinde bewegt, auch ohnedies von ihrer Parthey, die mich gern ins Gefängniß geschickt und mir eine starke Strafe auferlegt hätten; aber der gute Prinzivalle gewann die Oberhand und verurtheilte ich vier Maas Mehl, als Almosen, in ein Kloster zu geben. Man ließ uns wieder hereinkommen, er verbot mir bey Strafe ihrer Ungnade nicht zu reden und meine Buse sogleich zu erlegen. Sie wiederholten ihren derben verweiß und schickten uns zum Aktuarius; ich aber murmelte immer vor mich hin: Ohrfeige! keinen Faustschlag! so daß die Achte über mich lachen mußten. Der Aktuarius befahl uns, daß wir einander Bürgschaft leisten sollten. So gingen die andern frey aus und mich allein verdammten sie in die vier Maas Mehl, welches mir die größte Ungerechtigkeit schien. Ich schickte nach einem Vetter, der sich für mich verbürgen sollte, er aber wollte nicht kommen, darüber wurd’ ich ganz rasend, und giftig wie eine Otter, da ich bedachte, wie sehr dieser Mann meinem Hause verbunden war. Ich faßte mich in meiner Wuth so gut ich konnte und wartete, bis das Collegium der Achte zu Tische ging. Da ich nun allein war, und niemand von den Gerichtsdienern auf mich acht gab, sprang ich wüthend aus dem Pallast, lief nach meiner Werkstatt, ergriff einen Dolch und rannte in das Haus meiner Gegner, die ich beym Essen fand. Gherardo, der Urheber des Streits, fiel gleich über mich her, ich stieß ihm aber den Dolch nach der Brust und durchbohrte Rock und Weste, sonst geschah ihm kein Leid, ob ich gleich dachte, er wäre schwer verwundet, weil der Stoß ein gewaltig Geräusch in den Kleidern machte, und er vor Schrecken zur Erde fiel. Verräther! rief ich aus, heut sollt ihr alle sterben!

Vater, Mutter und Schwester glaubten, der jüngste Tag sey gekommen, sie warfen sich auf die Knie und flehten schreyend um Barmherzigkeit. Da sie sich nicht gegen mich vertheidigten und der andere für todt auf der Erde lag, schien es mir niedrig sie zu verlezen. Wüthend sprang ich die Stiegen hinunter und fand auf der Straße die ganze Sippschaft beysammen. Mehr als zwölfe waren herbey gelaufen; einer hatte einen eisernen Stab, der andere einen Flintenlauf, die übrigen Hämmer und Stöcke; ich fuhr unter sie hinein wie ein wüthender Stier, und warf vier oder fünfe nieder, ich stürzte mit ihnen und führte meinen Dolch bald gegen diesen, bald gegen jenen; die noch standen schlugen tüchtig auf mich zu, und doch lenkte es Gott, daß wir einander keinen Schaden thaten, nur blieb ihnen meine Mütze zurück, auf die sie, weil ich ihnen entgangen war, wacker zuschlugen, dann wollten sie nach ihren Verwundeten und Todten sehen, aber es war niemand beschädigt. Ich ging in das Kloster St. Maria Novella, und gleich begegnete ich dem Bruder Alexius Strozzi, dem ich mich empfahl, ohne ihn zu kennen. Ich bat ihn, mir das Leben zu retten, denn ich hätte einen großen Fehler begangen. Der gute Frater sagte zu mir: ich sollte mich nicht fürchten, denn wenn ich alles Übel auf der Welt angestellt hätte, wäre ich doch in seiner Kammer vollkommen sicher. Ohngefähr eine Stunde nachher hatten sich die Achte ausserordentlich versammelt, sie liessen einen schrecklichen Bann ausgehen, und drohten dem die größten Strafen, der mich verbärge, oder von meinem Aufenthalt wisse, ohne Ansehn des Orts und der Person. Mein betrübter armer Vater kam zu den Achten hinein, warf sich auf die Knie, und bat um Barmherzigkeit; da stand einer von ihnen auf und schüttelte die Quaste seines Käppchens und sagte, unter andern beleidigenden Worten, zu meinem Vater: Hebe dich weg und mache daß du fortkommst! Morgen des Tags soll er seinen Lohn empfangen. Mein Vater antwortete: was Gottes Wille ist, werdet ihr thun, und nicht mehr; aber der andre sagte drauf: das wird wohl Gottes Wille seyn. Mein Vater versetzte dagegen: es ist mein Trost, daß ihr das gewiss nicht wißt.

Er kam sogleich mich aufzusuchen, mit einem jungen Menschen von meinem Alter, der Peter Landi hieß, wir liebten uns als leibliche Brüder. Dieser hatte, unter seinem Mantel, einen trefflichen Degen und das schönste Panzerhemd. Mein lebhafter Vater erzählte wie es ihm bey den Achten ergangen sey, dann küßte er mir die Stirne und beyde Augen, segnete mich von Herzen und sagte: die Macht Gottes stehe dir bey! und so reichte er mir Degen und Waffen und half mir mit eignen Händen sie anlegen. Dann fuhr er fort: Lieber Sohn! mit diesen in der Hand leb oder stirb.

Peter Landi hörte indessen nicht auf zu weinen und gab mir zehn Goldgulden. Ich ließ mir noch einige Haare aus dem Barte wegnehmen, die eben hervorzukeimen anfingen. Frater Alexius gab mir die Kleidung eines Geistlichen und einen Layenbruder zum Begleiter. Ich ging aus dem Kloster und längst der Mauer bis auf dem Platz, nicht weit davon fand ich in einem Hause einen Freund, entmönchte mich sogleich, ward wieder Mann, wir bestiegen zwey Pferde, die man bereit hielt, und ritten die Nacht auf Siena. Als mein Freund zurückkam und meinem Vater meldete, daß ich glücklich entkommen sey, hatte derselbe eine unendliche Freude, und konnte nicht erwarten, den von den Achten zu finden, der ihn so angefahren hatte. Endlich begegnete er ihm und sagte: seht, Antonio, Gott wußte besser als ihr, was aus meinem Sohn werden sollte. Jener antwortete: Er soll uns nur wieder unter die Hände kommen! Indeß, versetzte mein Vater, will ich Gott danken, der ihn dießmal glücklich errettet hat.

In Siena wartete ich den ordinären Postreuter von Rom ab und verdung mich bey ihm, unterwegs begegnete uns ein Courier, der den neu erwählten Pabst Clemens ankündigte.

(1523).

In Rom arbeitete ich wieder in der Werkstatt des Meister Santi, der verstorben war, und dessen Sohn sein Gewerb fortsezte, nicht selbst arbeitete, sondern alles in der Werkstatt durch einen jungen Menschen besorgen ließ, der sich Lucagnolo von Jesi nannte. Er war Sohn eines Mailändischen Bauren und hatte von Jugend auf bey Meister Santi gearbeitet, klein von Statur und wohlgebildet. Dieser junge Mensch arbeitete besser als irgend einer, den ich bis dahin gekannt hatte, mit der größten Leichtigkeit, und zwar nur große Gefässe, Becken und solche Dinge.

Ich übernahm für den Bischoff von Salamanka, einen Spanier, Leuchter zu machen, sie wurden sehr reich gearbeitet, wie es für solche Werke gehört. Ein Schüler Raphaels, Johann Franziskus Penni, mit dem Zunahmen il Fattore, ein trefflicher Mahler und Freund des gedachten Bischoffs, setzte mich bey ihm in Gunst, man gab mir viel zu arbeiten und ich ward gut bezahlt.

Zu derselbigen Zeit ging ich an Festtagen manchmal in der Kapelle des Michelagnolo und manchmal in das Haus des Augustin Chigi von Siena, um zu zeichnen. Hier waren sie schönsten Arbeiten von der Hand des vortrefflichen Mahlers Raphael vom Urbino, und Gismondo Chigi, der Bruder, wohnte daselbst. Sie waren stolz darauf, wenn junge Leute meines gleichen bey ihnen studiren kamen. Die Frau des gedachten Gismondo, welche sehr angenehm und äusserst schön war, hatte mich oft in ihrem Hause gesehen; sie trat eines Tages zu mir, besah meine Zeichnungen und fragte, ob ich Mahler oder Bildhauer sey? Ich antwortete ihr, ich sey ein Goldschmied, worauf sie versetzte, daß ich zu gut für einen Goldschmied zeichnete. Sie ließ sich durch ihr Kammermädchen eine Lilie von schönen Diamanten bringen, die in Gold gefaßt waren, und verlanget, daß ich sie schätzen sollte. Ich schätzte sie auf achthundert Scudi; sie sagte, ich habe es getroffen und fragte, ob ich Lust hätte, sie recht gut umzufassen? Ich versicherte, daß ich es mit Freuden thun würde und machte auf der Stelle eine kleine Zeichnung, die ich um desto besser ausführte, je mehr ich Lust hatte, mich mit dieser schönen und angenehmen Frau zu unterhalten. Als die Zeichnung fertig war, kam eine andere schöne, edle Römerin aus dem Hause herunter und fragte ihre Freundin, was sie da mache? Porzia antwortete lächelnd, ich sehe diesem wackern jungen Menschen mit Vergnügen zu, der so schön als gut ist. Ich ward roth und versetzte halb verschämt und halb muthig: wie ich auch sey, bin ich bereit Euch zu dienen. Die schöne Frau erröthete auch ein wenig und sagte: Du weißt, daß ich deine Dienste verlange. Sie gab mir die Lilie und zwanzig Goldgulden, die sie in der Tasche hatte. Fasse mir die Steine nach deiner Zeichnung sagte sie und bringe mir das alte Gold zurük. Ihre Freundin sagte darauf: wenn ich in dem jungen Menschen stäke, so ging ich in Gottes Nahmen durch. Prozia antwortete: solche Talente sind selten mit Lastern verbunden, er wird das Ansehen eines braven Jünglings nicht zu Schanden machen; sie nahm ihre Freundin bey der Hand, und, indem sie sich umwendete, sagte sie mit dem freundlichsten Lächeln: Lebe wohl Benevenuto.

Ich vollendete noch erst meine Zeichnung, die ich nach Raphaels Jupiter angefangen hatte, dann ging ich, ein kleines Wachsmodell zu machen und zu zeigen, wie die Arbeit werden sollte. Ich weiß es den beyden Damen, die mich so sehr lobten und mir so artig begegneten, daß ich kühn genug war zu versprechen, die Arbeit solle doppelt so schön als das Modell werden. So machte ich mich daran, und endigte das Werk in zwölf Tagen, zwar wieder in Gestalt einer Lilie, aber mit so viel Masken, Kindern und Thieren gezieret, und so sorgfältig emaillirt, daß die Diamanten dadurch einen doppelten Werth erhielten.

Indessen ich daran arbeitete, war der geschikte Lucagnolo mit mir unzufrieden und behauptete: es würde mir zu viel mehr Nutzen und Ehre gereichen, wenn ich ihm an seinen silbernen Gefässen hülfe; ich aber behauptete, daß Arbeiten, wie die meine, nicht alle Tage kämen, und daß man damit eben so viel Ehre und Geld erwerben könne. Er lachte mich aus und sagte: wir wollen sehen! Ich habe dieses Gefäß zugleich mit dir angefangen, und denke auch mit dir zu endigen, wir können alsdann vergleichen, was wir beyde gewinnen. Ich sagte es würde mich freuen, mit einem so geschickten Manne in die Wette zu arbeiten, und so bückten wir, ein wenig verdrießlich, unsere Köpfe über die Arbeit und hielten uns beyde so fleißig daran, daß, in zehn Tagen ohngefähr, jeder mit aller Kunst und Reinlichkeit sein Werk geendigt hatte.

Das Gefäß des Lucagnolo sollte dem Pabst Klemens bey Tafel dienen, um Knochen und Schaalen der Früchte hinein zu werfen, überhaupt mehr zur Pracht als zur Nothwendigkeit. Es war mit zwey schönen Henkeln geziert und mit vielen Masken, großen und kleinen, und mit den schönsten Blättern; alles von solcher Zeichnung und Zierde, als man nur wünschen konnte. Ich versicherte in meinem Leben nichts schöners gesehen zu haben!

Lucagnolo glaubte ich habe meinen Sinn verändert, lobte gleichfalls meine Arbeit, sagte aber: den Unterschied werden wir bald sehen. Er trug sein Gefäß zum Pabst und ward nach dem Maaßstab dieser grossen Arbeiten bezahlt; indessen trug ich meinen Schmuck zur Frau Porzia, die mich mit großer Verwunderung versicherte, daß ich mein Versprechen weit übertroffen habe, ich solle für meine Arbeit was ich wolle verlangen, denn sie glaube nicht mich belohnen zu können, und wenn sie im Stande wäre mir ein Landgut zu schenken. Ich versetzte, meine größte Belohnung sey ihr Beyfall, ich verlange keine andere, und so wollte ich mich ihr empfehlen.

Porzia sagte darauf zu ihrer Freundin: sehet, wie sich in Gesellschaft seiner Talente auch die Tugenden befinden, und so schienen beyde Frauen verwundert zu seyn. Darauf sagte Porzia: du hast wohl sagen hören, wenn der Arme dem Reichen schenkt, so lacht der Teufel. Ich versetzte, der Böse habe Verdruß genug, diesmal möchte er immer lachen. Darauf ging ich weg und sie riefen mir nach: er solle den Spaß nicht haben.

Als ich in die Werkstatt zurückkam zeigte Lucagnolo eine Rolle Geld und sagte: laß nun einmal deinen Verdienst neben dem meinigen sehen. Ich ersuchte ihn, bis auf den nächsten Tag zu warten, da ich denn, weil ich mich in meiner Arbeit so brav wie er in der seinigen gehalten hätte, auch in Absicht der Belohnung nicht mit Schande zu bestehen hoffte.

Den andern Tag kam ein Hausmeister der Frau Porzia, rief mich aus der Werkstatt, und gab mir eine Rolle Geld. Sie wolle nicht, sagte er, daß der Teufel sich gar zu lustig machen sollte; doch seye das, was sie mir schicke, weder mein ganzes Verdienst noch die ganze Belohnung. Er setzte noch mehr freundliche Worte hinzu, wie eine solche vortreffliche Dame sich ausdrückt. Lucagnolo konnte nicht erwarten, meine Rolle mit der seinen zu vergleichen, und brachte sie, sobald ich zurückkam, in Gegenwart von zwölf Arbeitern und andern Nachbarn, die, auf die Entscheidung des Streits neugierig, herbeygekommen waren, hervor, lachte verächtlich, sagte drey oder viermal Au! und goß mit vielem Lärm sein Geld auf die Tafel aus. Es waren fünf und zwanzig Scudi in Münze. Mich hatten sein Geschrey, seine Blicke, die Spässe und das Gelächter der Umstehenden ein wenig irre gemacht, ich schielte nur in die Hülse hinein und da ich merkte, daß es lauter Gold war, hub ich, am andern Ende der Tafel, mit niedergeschlagenen Augen und ohne Geräusch, mit beyden Händen, meine Rolle stark in die Höhe, und ließ das Geld wie aus einem Mühltrichter auf den Tisch laufen. Da sprangen noch die Hälfte so viel Stücke als bey ihm hervor, und alle Augen, die mich erst mit einiger Verachtung angeblickt hatten, wendeten sich auf ihn. Man rief: hier siehts viel besser aus; hier sind Goldstücke und die Hälfte mehr.

Ich dachte er wollte für Neid und Verdruß auf der Stelle umkommen, und ob er gleich als Meister den dritten Theil meines Verdienstes erhielt; so kannte er sich doch nicht vor Boßheit. Auch ich war verdrießlich und sagte: jeder Vogel singe nach seiner Weise. Er verfluchte darauf seine Kunst und den, der sie ihn gelehrt hatte und schwur, er wolle keine großen Arbeiten mehr machen, sondern sich auf solche Lumpereyen legen, da sie so gut bezahlt würden. Ich antwortete darauf: er möchte es immer versuchen, aber ich sagte ihm voraus: seine Arbeiten wollte ich wohl auch machen, aber diese Lumpereyen würden ihm nicht gelingen. So ging ich erzürnt weg und schwur, ich wolle es ihm schon zeigen. Die Umstehende gaben ihm laut Unrecht und schalten ihn, wie ers verdiente, von mir aber sprachen sie, wie ich mich erwiesen hatte.

Den andern Tag ging ich Mad. Porzia zu danken und sagte, daß sie, gerade umgekehrt, anstatt dem Teufel Gelegenheit zum lachen zu geben, Ursache wäre, daß er nochmals Gott verläugnete. Wir lachten freundlich zusammen und sie bestellte bey mir noch mehr schöne und gute Arbeiten.

Zu derselben Zeit verschaffte mir Franz Penni abermals Arbeit vom Bischoff von Salamanka. Dieser Herr wollte zwey grosse Wasserkessel von gleicher Grösse auf die Kredenztische haben, den einen sollt’ ich, den andern Lucagnolo machen, und, wie es bey solchen Werken gebräuchlich war, gab uns Penni die Zeichnungen dazu.

So legte ich mit der größten Begierde Hand an das Gefäß. Ein Mailänder hatte mir ein Eckchen in seiner Werkstatt gegeben, dabey überschlug ich mein Geld und schickte, was ich entbehren konnte, meinem Vater, der, als es ihm in Florenz ausgezahlt wurde, zufällig jenem unfreundlichen Mitglied der Achte begegnete, dessen Söhne sich sehr schlecht aufführten. Mein Vater ließ ihn sein Unrecht und mein Glück recht lebhaft empfinden, wie er es denn mir auch gleich mit Freuden schrieb und mich dabey um Gott willen bat, daß ich doch von Zeit zu Zeit blasen und das schöne Talent, das er mich mit so vieler Mühe gelehrt hätte, nicht vernachlässigen sollte. Ich nahm mir vor, ihm noch vor seinem Ende die Freude zu machen, daß er mich recht gut sollte blasen hören, in Betrachtung da ja Gott selbst, wenn wir ihn darum bitten, uns ein erlaubtes Vergnügen gewährt.

Indessen ich an dem Gefäß des Salamanka arbeitete hatte ich, zu meiner Beyhülfe, nur einen Knaben, den ich auf inständiges Bitten meiner Freunde, halb wider Willen, zu meiner Aufwartung genommen hatte. Er war ungefähr vierzehn Jahr alt, hieß Paulin und war der Sohn eines Römischen Bürgers, der von seinen Einkünften lebte. Paulin war so glücklich gebohren, der ehrbarste und schönste Knabe, den ich im Leben gesehen hatte, sein gutes Wesen, sein angenehmes Betragen, seine unendliche Schönheit, seine Anhänglichkeit an mich waren die gerechten Ursachen, daß ich so große Liebe für ihn empfand, als die Brust eines Menschen fassen kann. Diese lebhafte Neigung bewog mich, um dieses herrliche Gesicht, das von Natur ernsthaft und traurig war, erheitert zu sehen, manchmal mein Hörnchen zur Hand zu nehmen. Denn wenn er mich hörte, so lächelte er so schön und herzlich, daß ich mich gar nicht mehr über jene Fabeln verwunderte, welche die Heiden von ihren Göttern des Himmels erzählten. Ja gewiss, wenn er zu jener Zeit gelebt hätte, so würde er die Menschen ganz ausser sich gebracht haben. Er hatte eine Schwester, die so schön war wie er und Faustina hieß, der Vater führte mich oft in seinen Weinberg, und ich konnte merken, daß er mich gern zu seinem Schwiegersohn gehabt hätte. Durch diese Veranlassung bließ ich mehr als gewöhnlich.

Um diese Zeit ließ mich ein gewisser Jacob von Cesena, ein trefflicher Musikus, der bey dem Pabste in Diensten war, fragen, ob ich ihnen am ersten August helfen und den Sopran blasen wollte? sie hätten auf diesen Tag die schönsten Stücke zu des Papstes Tafelmusik ausgesucht.

So ein großes Verlangen ich trug, mein schönes, angefangenes Gefäß zu endigen, so reizte mich doch die Musik, als eine wunderbare Sache an sich, wobey ich zugleich meinem Vater zu gefallen dachte, und ich nahm mir vor von der Gesellschaft zu seyn. Acht Tage vorher probirten wir täglich zwey Stunden und gingen sodann am Festtage ins Belvedere und bließen, als der Pabst speißte, die geübten Motetten, so daß der Pabst sagte, er habe keine angenehmere Musik gehört. Er rief jenen Jacob von Cesena zu sich und fragte ihn: wie er es angefangen habe um einen so guten Sopran zu finden, und fragte ihn genau wer ich wäre; als er meinen Nahmen erfuhr, sagte er: ist das ein Sohn des Meister Johannes? den will ich in meine Dienste haben. Jacob versetzte, er wird schwer zu bereden seyn, denn er ist ein Goldschmied, sehr fleißig bey seiner Kunst, in der er vortrefflich arbeitet, und die ihm mehr einbringt, als die Musik nicht thun würde. Desto besser, versetzte der Pabst, daß er noch ein anderes Talent hat, das ich nicht erwartete, er soll seine Besoldung, wie die übrigen empfangen, und mir dienen; in seiner andern Profession will ich ihm auch schon zu arbeiten geben. Darauf reichte ihm der Pabst ein Schnupftuch mit hundert Goldgulden, unter uns zu vertheilen. Jacob wiederholte uns des Pabstes Rede, und theilte das Geld unter uns Achte. Als er mir meinen Theil gab sagte er: ich will dich in unsere Zahl einschreiben lassen! Ich verlangte Bedenkzeit bis morgen.

Da ich allein war, dachte ich hin und her ob ich die Stelle annehmen sollte? denn ich sah wohl welchen Schaden meine Kunst darunter leiden würde. Die folgende Nacht erschien mir mein Vater im Traume, und bat mich mit den liebevollsten Thränen, daß ich, um Gott und um seinetwillen, doch das Anerbieten annehmen möchte. Ich glaubte ihm zu antworten, daß ich es auf keine Weise thun könne; schnell erschreckte mich seine fürchterliche Gestalt, er drohte mir mit seinem Fluch, wenn ich es ausschlüge, und versprach mir, wenn ich gehorchte, seinen ewigen Seegen. Kaum war ich erwacht, so lief ich, mich einschreiben zu lassen, und meldete es meinem Vater, der aus übergrosser Freude darüber, beynahe den Tod gehabt hätte. Er schrieb mir, daß auch er beynah dasselbe geträumt habe, und ich glaubte nun, da ich das billige Verlangen meines Vaters erfüllt hatte, daß mir auch alles zu Glück und Ehre gereichen müsse.

Inzwischen arbeitete ich, mit großer Sorgfalt, das angefangene Gefäß für den Bischoff von Salamanka zu endigen. Er war ein trefflicher Mann, sehr reich, aber schwer zu befriedigen, er schickte täglich, um zu erfahren was ich machte, und wenn der Abgeordnete mich nicht fand, war er wüthend, und drohte: er wolle mir die Arbeit wegnehmen, und sie durch einen andern endigen lassen. Daran war denn doch das verdammte Blasen schuld, denn übrigens arbeitete ich doch Tag und Nacht mit dem größten Fleiße, so, daß ich dem Bischoff das Gefäß wenigstens zeigen konnte.

Aber ich hatte es darum nicht besser, denn nun ward erst seine Lust so groß, daß ich viel Unbequemlichkeit davon empfand. Nach drey Monaten war das Gefäß endlich fertig, mit so viel schönen Thieren, Laubwerk und Masken, als man sich vorstellen kann. Sogleich schickte ich es durch meinen Paulin zu Lucagnolo, dem der Knabe mit seiner gewöhnlichen Zierlichkeit sagte: hier schickt euch Benvenuto sein Versprechen und eure H****eine, er hofft von euch bald auch seine Lumpereien zu sehn. Lucagnolo nahm das Gefäß in die Hand, und nachdem er es lang genug betrachtet hatte, sagte er zu Paulin: schöner Knabe! sage deinem Herrn daß er ein trefflicher Mann ist, er soll mein Freund seyn, und das übrige auf sich beruhen lassen. Der gute Knabe brachte mir freudig die Bothschaft, das Gefäß wurde zu Salamanka getragen, der verlangte, daß es geschätzt werden sollte. Lucagnolo kam dazu, seine Schätzung war ehrenvoll, und sein Lob weit größer, als ichs zu verdienen glaubte. Salamanka nahm das Gefäß, und sagte in spanischer Manier: bey Gott, er soll so lange auf die Zahlung warten, als er mich mit der Arbeit hat warten lassen. Hierüber ward ich äusserst verdrießlich, ich verfluchte ganz Spanien, und jeden der dem Volke wohlwollte.

Unter andern Zierrathen daran, war ein Henkel von Einem Stücke auf das zarteste gearbeitet, der durch Hülfe einer gewissen Stahlfeder grade über der Öfnung des Gefäßes gehalten wurde. Eines Tages zeigte der Bischoff, mit großer Zufriedenheit, einigen seiner Spanier dieses Gefäß, einer seiner Edelleute mochte mit dem Henkel nicht auf das feinste umgegangen seyn, die zarte Feder konnte seiner bäurischen Gewalt nicht widerstehen, und der Henkel brach ab. Der Bischoff war schon weggegangen, und der Edelmann, äusserst erschrocken, bat den Mundschenken: er möchte doch geschwind das Gefäß zum Meister tragen, damit es schnell wieder hergestellt würde, es möchte kosten was es wollte. So kam mir dieß Gefäß wieder in die Hände, ich versprach es schnell zu ergänzen und that es auch, denn zu Mittag war es mir gebracht worden, und zwey Stunden vor Nacht hatte ich es schon fertig. Nun kam der Mundschenk wieder, eilig und im Schweiß, denn der Herr hatte es nochmals verlangt um es andern Gästen zu zeigen. Der Mundschenk ließ mich nicht zum Worte kommen und rief: nur schnell! schnell das Gefäß her! Ich, der ich keine Lust hatte es heraus zugeben, sagte nur: ich habe keine Eile.

Er kam darüber in solche Wuth, daß er mit der einen Hand nach dem Degen griff und mit der andern gewaltsam in die Werkstatt eindringen wollte. Ich widersetzte mich ihm mit den Waffen in der Hand, und ließ es an heftigen Reden nicht fehlen. Ich geb’ es nicht heraus! Rief ich, geh’ sage deinem Herrn daß ich Geld für meine Bemühung haben will, ehe es wieder aus meinem Laden kommt. Da er sahe, daß sein Drohen nichts half, bat er mich, wie man das heilige Creuz anzurufen pflegt, und versprach, wenn ich es heraus gäbe, wollte er mir zu meiner Bezahlung verhelfen. Ich veränderte darum meinen Vorsatz nicht, und da ich ihm immer dasselbe antwortete, verzweifelte er endlich, und schwur mit so viel Spaniern wieder zu kommen, daß sie mich in Stücken bauen sollten, und so lief er fort. Da ich sie nun zu solcher Mordthat fähig hielte, nahm ich mir vor, mich lebhaft zu vertheidigen, nahm meine Jagdbüchse zur Hand und dachte: wenn mir jemand meine Sachen und meine Mühe rauben will, so kann ich ja wohl das Leben daran wagen. Da ich so mit mir zu Rathe ging, erschienen viele Spanier mit dem Haushofmeister, der auf ungestüm spanische Weise befahl sie sollten hinein dringen. Darauf zeigte ich ihm die Mündung der Büchse, mit gespanntem Hahn und schrie mit lauter Stimme: nichtswürdige Verräther und Meuchelmörder! stürmt man so Häuser und Läden in Rom? so viel sich von euch Spitzbuben dieser Thüre nähern, so viel will ich mit dieser Büchse todt hinstrecken. Ich zielte sogleich auf den Haushofmeister und rief: du Erzschelm, der du sie stiftest, sollst mir zuerst sterben. Schnell gab er seinem Pferde die Sporn und floh mit verhängtem Zügel. Über diesen großen Lerm waren alle Nachbarn herausgekommen, und eben gingen auch einige römische Edelleute vorbey und sagten: schlag die Hunde nur todt, wir wollen dir helfen. Diese kräftigen Worte jagten meinen Gegnern große Furcht ein, sie sahen sich genöthigt zu fliehen und ihrem Herrn den Fall mit allen Umständen zu erzählen. Der stolze Mann machte seinen Bedienten und Officianten heftig herunter, theils weil sie einen solchen Exzeß begangen, theils weil sie den Handel, den sie einmal angefangen hatten, nicht besser durchsezten.

Franz Penni, der in der ganzen Sache den Mittelsmann gemacht hatte, kam dazu und Monsignor sagte zu ihm: er könne mir nur melden daß wenn ich ihm das Gefäß nicht geschwind brächte, so sollten meine Ohren das größte Stück seyn, das an mir bleibe; brächte ich das Gefäß gleich, so sollte ich die Zahlung erhalten. Ich fürchtete mich keineswegs, und ließ ihm wissen, daß ich die Sache gleich an den Pabst bringen würde. Indessen waren wir beyde kälter geworden, einige römische Edelleute schlugen sich ins Mittel und verbürgten sich daß er mich nicht beleidigen, vielmehr mir die Zahlung meiner Arbeit leisten würde. Darauf machte ich mich auf den Weg in meinem Panzerhemde und mit einem großen Dolche; so kam ich in das Haus des Bischoffs, der sein ganzes Gesinde hatte auftreten lassen. Ich hatte meinen Paulin an der Seite, der das Gefäß trug, und es war als wenn ich durch den Thierkreiß zu gehen hätte, einer sah aus wie der Löwe, einer wie der Scorpion, andere glichen dem Krebs, bis wir endlich vor den Pfaffen selbst kamen; der sprudelte äusserst pfäffische und überspanische Worte hervor. Ich hub den Kopf nicht auf, ihn anzusehen und antwortete nicht; darüber wurde er noch giftiger, ließ ein Schreibzeug bringen und befahl mir ich sollte quittiren daß ich bezahlt und mit ihm wohl zufrieden sey. Darauf hob ich den Kopf auf und sagte ihm: ich würde es gerne thun, wenn ich nur erst mein Geld hätte. Der Bischoff ereiferte sich noch mehr und fuhr fort zu drohen und zu schreyn, endlich zahlte man mir erst das Geld, dann schrieb ich, und munter und zufrieden ging ich von dannen.

Pabst Clemens vernahm die Geschichte und hatte große Freude daran. Man hatte ihm vorher das Gefäß, aber nicht als meine Arbeit gezeigt, und nun sagte er öffentlich: daß er mir sehr wohl wolle, so daß Monsignor Salamanka sein übles Betragen bereute, und, um mich wieder anzukörnen, mir durch Franz Penni sagen ließ: daß er mir noch große Werke auftragen wolle. Ich antwortete, daß ich sie gerne übernehmen würde, aber voraus die Bezahlung verlange.

Auch diese Worte kamen zu den Ohren des Pabstes, der herzlich darüber lachte. Kardinal Cibo war eben gegenwärtig, dem der Pabst die Händel zwischen mir und Salamanka erzählte, dann wandte er sich zu seinen Leuten und befahl, daß man mir immer sollte für den Pallast zu thun geben. Kardinal Cibo selbst schickte zu mir, und, nachdem er mir viel angenehmes gesagt hatte, bestellte er ein Gefäß, größer als das für Salamanka, so gaben mir auch die Kardinäle Cornaro und besonders Ridophi und Salviati vieles zu verdienen.

Madonna Porzia Chigi trieb mich daß ich selbst eine Werkstatt eröfnen sollte; ich folgte ihr und fuhr fort für diese treffliche Frau zu arbeiten, und vielleicht ist sie die Ursache, daß ich mich in der Welt als etwas gezeigt habe.

Ich gewann die Freundschaft des Herrn Gabriel Cesarini, der Gonfalonier von Rom war, für diesen Herrn machte ich viele Werke, unter andern eine große Medaille von Gold, an einem Hute zu tragen. Darauf war Leda mit dem Schwane zu sehen. Sehr zufrieden mit meiner Arbeit, wollte er sie schätzen lassen, um mich nach Verdienst zu bezahlen. Sie war mit größter Sorgfalt gemacht, und die Meister schätzten sie viel höher als er geglaubt hatte. So behielt er meine Arbeit in der Hand, und zauderte mich zu bezahlen, Fast wäre mirs damit, wie mit dem Gefäß von Salamanka gegangen.

Da ich mein Leben beschreiben will, so muß ich andere Dinge, die sich zwar nicht auf meine Profession beziehen, doch im Vorbeygehen bemerken. Am Feste unsers Patrons St. Johann, aßen viele Florentiner zusammen, von verschiedenen Professionen, Mahler, Bildhauer und Goldschmiede, unter andern angesehenen Leuten war Rosso, der Mahler und Penni, Raphaels Schüler dabey. Ich hatte sie eigentlich zusammen gebracht. Sie lachten und scherzten, wie es geschieht, wenn viele Männer beysammen sind, die sich eines gemeinsamen Festes erfreuen. Zufällig ging ein tollköpfiger junger Mensch vorbey, der Travaccio hieß, und Soldat unter Rienzo da Ceri war. Da er uns so lustig hörte, spottete er auf eine unanständige Weise über die florentinische Nation. Ich hielt mich für den Anführer so vieler geschickten und braven Leute, und konnte das nicht hingehen lassen; still, und ohne daß es jemand bemerkte, erreichte ich ihn noch, er ging mit seiner Liebsten und um sie zum Lachen zu bringen, setze er sein albernes Geschwäze fort. Ich stellte ihn zur Rede und fragte ihn, ob er der Freche sey, der schlecht von der florentinischen Nation spreche? Er antwortete schnell: ich bins! Drauf schlug ich ihn ins Gesicht und sagte: das bin ich! und sogleich waren unsere Degen gezogen. Aber kaum war der Handel begonnen, als sich viele dazwischen legten, und, da sie die Sache vernahmen, mir recht gaben.

Den andern Tag wurde mir eine Ausforderung von ihm zugestellt, ich nahm sie freudig an und sagte: damit wollte ich wohl eher als mit einem Werke meiner andern Kunst fertig werden. Sogleich ging ich zu einem Alten der Bevilaqua hieß, er hatte den Ruf der erste Degen von Italien gewesen zu seyn, denn er hatte sich wohl zwanzigmal geschlagen, und war immer mit Ehren aus der Sache geschieden. Dieser brave Mann hatte viel Freundschaft für mich, er kannte mich und mein Talent in der Kunst und hatte auch mir bey fürchterlichen Händeln beygestanden. Er pflegte zu sagen: Mein Benvenuto! wenn du mit dem Kriegsgott zu thun hättest, so bin ich gewiss, du würdest mit Ehren bestehen, denn so viel Jahre ich dich kenne, habe ich dich noch keinen ungerechten Handel anfangen sehen. So nahm er Theil an meinem Unternehmen und führte uns auf den Platz, wo wir, doch ohne Blutvergießen, mit Ehren den Streit endigten. Ich übergehe viele schöne Geschichten dieser Art um von meiner Kunst zu reden, um derentwillen ich eigentlich schreibe, und ich werde darin nur zu viel zu sagen haben.

Man weiß wie ich aus einem löblichen Wetteifer mich nicht allein auf die Art zu arbeiten des Lucagnolo legte, und dabey die Kunst des Juweliers nicht versäumte; eben so suchte ich auch die Geschicklichkeiten anderer, Künstler nachzuahmen. Es war zur selbigen Zeit in Rom ein treflicher Peruginer, mit Nahmen Lautitio, der nur eine Profession trieb, in dieser aber auch einzig war. Es ist gewöhnlich daß in Rom jeder Kardinal sein Wappen im Siegel führt. Diese Siegel sind groß, wie die ganze Hand eines zehnjährigen Knaben, und da in dem Wappen viele Figuren vorkommen, so bezahlt man für ein solches hundert und mehr Scudi. Auch diesem braven Manne wünschte ich nachzueifern, obgleich diese Kunst sehr von denen entfernt war, die ein Goldschmied nöthig hat, auch verstand Lautitio nichts als nur das Siegelgraben, und so legte ich mich auch unvermuthet auf diese Kunst, so schwer ich sie auch fand. Dann war in Rom ein anderer tefflicher Künstler, er arbeitete bloß getriebene Medaillen von Metallblech und andere Dinge dieser Art, er machte einige Friedensbilder in halb erhobener Arbeit, auch Cruzifixe einen Palm groß, von dem zartesten Goldblech, auf das vortrefflichste gearbeitet, und ich wünschte ihm mehr als jemand nachzueifern. Überdieß fanden sich andere Meister, welche Stahlstempel, durch welche man die schöne Münzen hervorbringt, verfertigten. Alle diese verschiedenen Arbeiten unternahm ich, und suchte sie unermüdet zur Vollkommenheit zu bringen. Auch die schöne Kunst des Emaillirens ließ ich mir angelegen seyn, und nahm mir darin einen unserer Florentiner der Amerigo hieß, den ich niemals persönlich gekannt hatte, zum Vorbild. Niemand hat ihn, daß ich wüßte, erreicht. Auch diese schwere Bemühungen übernahm ich, wo man seine ganze Arbeit und die Frucht seines Fleißes, zuletzt dem Feuer überlassen muß das alles wieder verderben kann; aber die Freude die ich daran hatte, machte daß ich die großen Schwierigkeiten für ein Ausruhen ansahe. Denn Gott und die Natur haben mir die glücklichste Gabe, eine so gute und wohl proportionirte Komplexion gegeben, daß ich damit frey, alles was mir in den Sinn kam ausrichten konnte. Was ich in diesen so ganz verschiedenen Professionen geleistet habe, werde ich an seinem Orte anzeigen.

Zu dieser Zeit, ich war ohngefähr drey und zwanzig Jahr alt, wüthete in Rom eine pestilenzialische Krankheit, viele Tausende starben jeden Tag, und dadurch geschreckt, begab ich mich in eine gewisse Lebensart, die ich gemüthlich fand, und zwar durch folgenden Anlaß. An Festtagen ging ich gewöhnlich nach Alterthümern aus, und studirte nach ihnen, entweder in Wachs oder mit Zeichnen. Weil sich nun viele schöne Sachen in den Ruinen finden, und dabey viele Tauben nisten, fand ich Vergnügen meine Büchse gegen sie zu gebrauchen. Nun gab ich öfters, aus Furcht vor der Pest, und um allen Menschlichen Umgang zu fliehn, meinem Paulin das Gewehr auf die Schulter und wir gingen allein nach jenen Alterthümern aus, und wir kamen gewöhnlich mit einer großen Beute nach Hause. Ich lud immer nur eine Kugel in das Gewehr, und es vergnügte mich durch Kunst und Geschicklichkeit so große Jagd zu machen. Ich hatte mir selbst meine Büchse eingerichtet, sie war von außen und innen spiegelglat, dazu macht eich mir selbst das feinste Schießpulver, wobey ich Geheimnisse fand, die noch niemand entdeckt hatte; ich will nur diesen Wink geben, daß ich mit dem fünften Theil des Gewichts der Kugel, mit meinem Pulver auf zweihundert Schritte einen weißen Punct traf, worüber sich die, welche das Handwerk verstehen, gewiss verwundern werden.

So ein großes Vergnügen fand ich an dieser Übung, daß sie mich manchmal von meiner Kunst und von meinen Studien zu entfernen schien, allein ich zog von der andern Seite daraus wieder großen Vortheil, denn ich verbesserte dadurch meine Lebenskräfte und die Luft war mir sehr heilsam, da ich von Natur zur Melancholie geneigt bin. Dieses Vergnügen erfreute mir gleich das Herz, ich ward geschickter zur Arbeit, und mein Talent zeigte sich mehr als wenn ich immer bey meinen Studien und Übungen blieb, so daß mir am Ende meine Büchse mehr zum Vortheil als zum Nachtheil gereichte.

Bey dieser Gelegenheit hatte ich auch die Bekanntschaft mit Antiquitätensuchern gemacht, die den lombardischen Bauern aufpassten, welche zu bestimmten Zeiten nach Rom kamen, um die Weinberge zu bearbeiten, und im Umwenden des Erdreichs immer alte Medaillen, Achate, Brasem, Carniole und Cameen fanden, manchmal hatten sie sogar das Glück, Edelsteine, zum Beyspiel Smaragde, Saphhire, Diamanten und Rubinen auszugraben. Jene Aufsucher kauften gewöhnlich solche Dinge von den Bauern für geringes Geld, und indem ich sie öfters auf der Stelle antraf, zahlt eich ihnen oft so viele Goldgulden als sie Julier dafür gegeben hatten. Ich verhandelte diese Dinge wieder, und, ob ich dabey gleich wieder Zehen gegen eins gewann, machte ich mir dadurch fast alle Kardinäle zu Freunden. Um nur von den seltensten Stücken zu reden, die mir in die Hand fielen, nenne ich den Kopf eines Delphins, groß, wie eine mäßige Bohne, in dem schöngefärbtesten Smaragd, einen Minervenkopf in Topas, einer starken Nuß groß, einen Camee mit Herkules und Cerberus, ein Werk das unser großer Michelagnolo höchlich bewunderte. Unter vielen Münzen erhielt ich einen Jupiterkopf von der größten Schönheit und auf der andern Seite waren einige gleich treffliche Figuren gebildet.

Daß ich hier noch eine Geschichte erzähle, die früher vorfiel! Es kam ein großer Chirurgus nach Rom, der Meister Jacob da Carpi hieß, dieser treffliche Mann curirte unter andern, besonders desperate französische Übel; er verstand sich sehr auf Zeichnung, und da er eines Tages vor meiner Werkstatt vorbey ging, sahe er zufälliger Weise einige Zeichnungen, worunter sich wunderliche Vasen befanden, die ich zu meinem Vergnügen erfunden hatte, sie waren ganz verschieden von allem was man bis dahin gesehen hatte. Meister Jacob verlangte, ich sollte sie ihm von Silber machen, welches ich äußerst gern that, weil ich dabey meinen Grillen folgen konnte, er bezahlte mir sie gut; aber hundertfach war die Ehre, die sie mir verschafften. Denn die Goldschmiede lobten die Arbeit über alle Maasen, und ich hatte sie nicht sobald ihrem Herrn übergeben, als er sie dem Pabst zeigte und den andern Tag verreiste. Er war sehr gelehrt und sprach zum Erstaunen über die Medicin. Der Pabst verlangte, er sollte in seinen Diensten bleiben, aber er sagte: er wolle in keines Menschen Dienste treten, und wer ihn nöthig hätte sollte ihn aufsuchen. Es war ein verschlagener Mann und er that wohl von Rom wegzugehen, denn wenige Monate darauf befanden sich alle, die er curirt hatte, viel schlimmer als vorher, sie hätten ihn umgebracht, wenn er geblieben wäre.

Er zeigte meine Gefäße dem Herzog von Ferrara und vielen andern Herrn, auch unserm durchlauchtigsten Herzog und sagte: er habe sie von einem grossen Herrn in Rom erhalten, den er nur unter der Bedingung, daß er ihm diese Gefässe abträte, habe curiren wollen, der Herr habe sich sehr geweigert, ihm versichert, daß sie antik seyn, und ihn gebeten, er möchte lieber alles andere verlangen. Er aber sey darauf bestanden und habe ihn nicht eher in die Cur genommen, als bis er die Gefässe herausgegeben.

Dieses erzählte mir Alberto Bendidio, der mir mit großen Umständen einige Copien weiß, die in Ferrara in Thon gemacht worden waren. Ich lachte und sagte nichts weiter. Der stolze Mann erzürnte sich und rief: du lachst und ich sage dir, seit tausend Jahren ist keiner gebohren, der sie nur zeichnen könnte. Ich war still, um ihnen den großen Ruf nicht zu rauben, und schien sie selbst zu bewundern.

Viele Herrn in Rom, und darunter auch einige meiner Freunde, sprachen mit Verwunderung von diesen Arbeiten, die sie selbst für alt hielten, ich konnte meinen Stolz nicht verbergen und behauptete, daß ich sie gemacht habe, man wollte es nicht glauben, und zum Beweiß machte ich neue Zeichnungen, denn die alten hatte Meister Jacob klüglich mitgenommen.

Die Pest war vorüber und ich hatte mich glücklich durchgebracht, aber viele meiner Gesellen waren gestorben. Man suchte sich wieder auf und umarmte freudig und getröstet diejenigen, die man lebend antraf. Daraus entstand in Rom eine Gesellschaft der besten Mahler, Bildhauer und Goldschmiede, die ein Bildhauer von Siena Nahmens Michelagnolo stiftete; er konnte in seiner Kunst sich neben jedem andern zeigen und man konnte dabey keinen gefälligern und lustigern Mann finden. Er war der älteste in der Gesellschaft, aber der jüngste nach der Gesundheit seines Körpers; wir kamen wöchentlich wenigstens zweymal zusammen, Julius Roman und Franziscus Penni waren von den unsern.

Wir hatten uns öfters zusammen gefunden, als es unserm guten Anführer beliebte, uns auf den nächsten Sonntag bey sich zu Tische zu laden, jeder sollte seine Elster mitbringen, das war der Nahme, den er unsern Mädchen gegeben hatte, und wer sie nicht mitbrächte, sollte zur Strafe die ganze Gesellschaft zunächst zu Tische laden. Wer nun von uns mit solchen Mädchen keinen Umgang hatte, mußte mit großen Kosten und Anstalten eine für den Tag sich aufsuchen, um nicht beschämt bey dem herrlichen Gastmahl zu erscheinen. Ich dachte wunder, wie gut versehen ich wäre, denn ein sehr schönes Mädchen, Pantasilea mit Nahmen, war sterblich in mich verliebt; ich fand mich aber genöthigt, sie meinem besten Freunde Bachiacca zu überlassen, der gleichfalls heftig in sie verliebt war; darüber gab es einigen Verdruß, denn das Mädchen, als sie sah, daß ich sie so leicht abtrat, glaubte, daß ich ihre große Liebe schlecht zu schätzen wisse; darüber entstand mir ein böser Handel in der Folge, dessen ich an seinem Ort gedenken will.

Schon nahte sich die Stunde, da jeder mit seiner Elster in die treffliche Gesellschaft kommen sollte, bey einem solchen Spasse mich auszuschliessen hielt ich für unschicklich, und dann hatte ich wieder Bedenken, unter meinem Schutz und Ansehen, irgend einen schlechten gerupften Vogel einzuführen. Alsbald fiel mir ein Scherz ein, durch den ich die Freude zu vermehren gedachte. So entschlossen rief ich einen Knaben von sechzehn Jahren, der neben mir wohnte, den Sohn eines spanischen Messingarbeiters, der hieß Diego, studirte fleissig latein, war schön von Figur und hatte die beste Gesichtsfarbe, der Schnitt seines Gesichtes war viel schöner als des alten Antinous, ich hatte ihn oft gezeichnet und hatte in meinen Werken große Ehre dadurch eingelegt; er ging mit niemand um, so, daß man ihn nicht kannte, er war gewöhnlich sehr schlecht gekleidet und nur in seine Studien verliebt; ich rief ihn in meine Wohnung und bat ihn, daß er die Frauenkleider anlegen möchte, die er daselbst vorfand. Er war willig und zog sich schnell an und ich suchte mit allerley Schmuck sein reizendes Gesicht zu verschönern, ich legte ihm zwey Ringe mit großen schönen Perlen an die Ohren, die Ringe waren offen und klemmten das Läppchen, so als wenn es durchstochen wäre, dann schmückte ich seinen Hals mit goldnen Ketten und andern Edelsteinen, auch seine Finger steckte ich voll Ringe, nahm ihn dann freundlich beym Ohr und zog ihn vor meinen großen Spiegel, er erstaunte über sich selbst und sagte mit Zufriedenheit: ists möglich, das wäre Diego?

Ja! versetzte ich, das ist Diego, von dem ich niemals eine Gefälligkeit verlangt habe, nur gegenwärtig bitt ich ihn, daß er mir den Gefallen thue, mit diesen Kleidern zu jener vortrefflichen Gesellschaft zu Tische zu kommen, von der ich ihm so oft erzählt habe. Der ehrbare, tugendsame und kluge Knabe schlug die Augen nieder und blieb eine Weile stille, dann hob er auf einmal sein himmlisches Gesicht auf und sagte: Mit Benvenuto komme ich, laß uns gehen. Darauf schlug ich ihm ein großes seidnes Tuch über den Kopf, wie die Römerinnen im Sommer tragen. Lass wir an dem Platz ankamen, waren schon alle beysammen und kamen mir sämmtlich entgegen; Michelagnolo, der Sanneser, zwischen Julius Roman und Penni nahm den Schleyer meiner schönen Figur ab, und wie er der allerlustigste und launigste Mann von der Welt war, fasste er seine Freunde zu beyden Seiten an und nöthigte sie, sich so tief als möglich zur Erde zu bücken. Er selbst fiel auf die Knie, flehte um Barmherzigkeit, rief alle zusammen und sagte: sehet nur, so sehen die Engel im Paradiese aus! Man sagt immer nur Engel, aber da seht ihr, daß es auch Engelinnen giebt. Dann mit erhobener Stimme sprach er, o schöner Engel, o würdiger Engel, beglücke mich, segne mich! Darauf erhob die angenehme Creatur lächelnd ihre Hand und gab ihm den Päbstlichen Segen, darauf erhub sich Michelagnolo und sagte: dem Pabst küsse man die Füsse, den Engeln die Wangen, so that er auch, der Knabe ward über und über roth und seine Schönheit erhöhte sich über die Massen. Wir sahen uns weiter um, und in dem Zimmer waren viele Sonnette angeschlagen, die jeder gemacht und dem Michelagnolo zugeschickt hatte. Das schöne Kind fing an sie zu lesen und las sie alle, mit so viel Ausdurck, daß jedermann erstaunen mußte. Auf diese Weise ward so viel gesprochen und jeder bewieß seine Verwunderung, davon ich nur die Worte des berühmten Julius erwähnen will. Nachdem er alle die Anwesenden und besonders die Frauen angesehen hatte, sagte er: lieber Michelagnolo! wenn ihr die Mädchen Elstern benennt, so habt ihr dießmal doppelt recht, denn sie nehmen sich noch schlimmer aus als Elstern neben dem schönsten Pfau.

Die Speisen waren aufgetragen und Julius erbat sich die Erlaubniß, uns die Plätze anzuweisen; als es ihm gestattet war, nahm er die Mädchen bey der Hand und ließ sie alle an der einen Seite und die meine in der Mitte niedersetzen, alsdann die Männer an der andern Seite und mich in der Mitte, mit dem Ausdruck, daß ich diese Ehre wohl verdiente. Im Rücken unserer Frauenzimmer war eine Wand von natürlichen Jesminen, worauf sich die Gestalten und besonders meiner schönen über alle Begriffe herrlich ausnahmen, und so genossen wir eines Gastmahls, das mit Überfluß und Zierlichkeit bereitet war. Gegen Ende des Tisches kamen einige Singstimmen, zugleich mit einigen Instrumenten, und da sie ihre Notenbücher bey sich hatten, verlangte meine schöne Figur gleichfalls mitzusingen. Sie leistete so viel mehr als die andern, daß Julius und Michelagnolo nicht mehr, wie vorher, munter und angenehm scherzten, sondern ernsthaft, wichtige und tiefsinnige Betrachtungen anstellten.

Darauf fing ein gewisser Aurelius von Ascoli, der sehr glücklich aus dem Stegreif sang, mit göttlichen und herrlichen Worten, an die Frauenzimmer zu loben. Indessen hatten die beyden Frauen, die meine Figur in der Mitte hatten, nicht aufgehört zu schwätzen. Die eine erzählte, wie es ihr übel ergangen und die andere fragte mein Geschöpfchen, wie sie sich geholfen hätte? wer ihre Freude wären? und wie lange sie sich in Rom befände und andere Dinge der Art. Indessen hatte Pantasilea, meine Liebste, aus Neid und Verdruß, auch allerley Händel erregt, die ich der Kürze willen übergehe. Endlich wurden meiner schönen Figur, welche den Nahmen Pomona führte die abgeschmackten Zudringlichkeiten zur Last und sie drehte sich, verlegen, bald auf die eine bald auf die andere Seite, da fragte das Mädchen, das Julius mitgebracht hatte, ob sie sich übel befinde? Mit einigem Mißbehagen sagte meine Schönheit ja! und setzte hinzu, sie glaube seit einigen Monaten guter Hoffnung zu seyn, und sie fürchte ohnmächtig zu werden. Sogleich hatten ihre beyden Nachbarinnen Mitleid mit ihr, und wollten ihr Luft machen; da ergab sichs, daß es ein Knabe war, sie schrien, schalten und standen vom Tische auf. Da erhub sich ein lauter Lärm du ein unbändiges Gelächter. Michelagnolo verlangte die Erlaubniß mich bestrafen zu dürfen und erhielt sie unter großem Geschrey. Er soll leben! rief der Alte aus, wir sind ihm Dank schuldig, daß er durch diesen Schmerz unser Fest vollkommen gemacht hat; so endigte sich dieser Tag, von dem wir jeder vergnügt nach Hause kehrten.

Die Fortsetzung folgt.

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