Wer gute Kunstschulen errichten will, der erhebe sich zu den ewigen und allgemeinen Gesetzen, nach welchen der Schöpfer das menschliche Herz so wohlthätig gebildet hat. Gefallen: ist Endzweck, Mittel und Antrieb in Bildung aller Kunstwerke. Geist, Hand und Willen des Kunstschülers müssen auf solche Weise gebildet werden, daß er seinen künftigen Werken das Recht verschaffe, allenthalben und allzeit zu gefallen. Gute Kunstschulen bilden solche Künstler, die ihren Arbeiten das Gepräge der Vollkommenheit aufzudrücken wissen, und die darin allen denjenigen Menschen gefallen, die nicht durch Vorurtheil, Leidenschaft, oder Krankheit der Sinne geblendet sind.
Der ächte Kunstschüler überzeuge sich, daß sein Kunstwerk nur alsdann allgemein und immer gefallen wird, wenn er in demselben den harmonischen Dreiklang des sinnlich Schönen, des geistig Angenehmen und des sittlich Rührenden zu vereinigen weiß.
Das sinnlich Schöne besteht in der Reinheit, dem Ebenmaße, der Mannigfaltigkeit und Vollendung.
Geistig angenehm ist dasjenige, was wahrhaft, bestimmt, einfach im Ganzen und zusammenhängend in seinen Theilen ist.
Sittlich rührend sind: das Wohlthätige, Gemeinnützige, Menschenveredelnde, Nützlichausführende.
Der Künstler bestrebe sich, alles dieses, so viel möglich, in jedem seiner Kunstwerke zu vereinigen und hiezu werde er in guten Kunstschulen gebildet.
Er bestrebe sich alles zu vermeiden, was mir Recht mißfallen könnte.
Mißfallen wird erregt durch eckelhafte Verstimmung des Sinnlichhäßlichen, Geistigwidrigen, Unsittlichabscheulichen.
Das Sinnlichhässliche bestehet in dem Schmutzigen, Krüpelhaften, Platten und Gestümperten.
Das Geistigwidrige bestehet in dem Lügenhaften, Schwankenden, Verworrenen, Unordentlichen.
Unsittlich abscheulich sind: das Schadenfrohe, Menschenfeindliche, Tückischverführende, Boshaftzerstörende.
Das alles vermeide der Künstler in Ausübung seiner Kunst, und vor jeder dieser Klippen warne die gute Kunstschule.
Diese Grundsätze sind auf alle Künste anwendbar, müssen allen Kunstschulen zur Richtschnur dienen.
Der Kunstschüler, der sich nicht gewöhnt, mit geübter, leichter und sicherer Hand das Sinnlichschöne zu bilden, wird kein ächter Künstler werden. Er wird mehr sudeln als mahlen; als Tonkünstler ungeübt in der vollkommen reinen Tonleiter wird er nicht rein singen; als Redner wird er unkorreckt, rauh und ohne Rhythmus keinem Zuhörer gefallen; als Dichter werden seine lebhaftesten Darstellungen durch Fehler gegen Prosodie und Wohllaut vieles verlieren.
Wenn jedoch der Kunstschüler erlernt hat, das Sinnlichschöne mit Fertigkeit zu bilden, aber in seine Kunstwerke keinen eignen Geist zu legen weiß: dann wird er kein grosser Künstler werden. Als Mahler wird er gut kopiren, als Tonkünstler gut exekutiren, als Schriftsteller gut übersetzen; allein das Hohe der Kunst, das Erfinden und Komponiren wird für ihn unerreichbar seyn.
Wenn die Kunstschüler nicht von der Würde der Kunst überzeugt werden; wenn sie sich bestimmt glauben, dem schwelgenden Laster für bedungenen Miethlohn zu fröhnen; dann werden sie die Kunst meistens entweihen; werden dazu mitwirken, daß das Sittenverderbniß des Zeitalters vermehret werde; in schändlichen Gemälden, lüsternen Gedichten, reitzenden Darstellungen werden sie das Laster durch die Zauberkraft der Kunst verschönern, und werden in manchem unschuldigen Gemüthe den Keim der Verführung entwickeln. Ihre Kunstwerke werden keinen allgemeinen Beifall einerndten; Verachtung und Tadel der Rechtschaffnen erwartet sie.
Der Kunstschüler lernet das Sinnlichschöne bilden, indem er sich bestrebt, alle seine Werke mit vollkommner Reinheit zu verfertigen; indem der Bildner in jedem Pinselstrich, in jeder Farbenmischung oder in jedem Meiselhiebe alles unterläßt, was nicht nothwendig dazu gehört; alles hineinlegt, was nöthig ist. Die Reinheit des Tonkünstlers bestehet in der Gleichheit seiner Töne mit den Lauten des richtig eingetheilten Monochords, oder auch des wohlgestimmten Klaviers. Die Reinheit des Schriftstellers bestehet in der genauen Beobachtung des Syntaxes.
Das Ebenmaß bestehet für den bildenden Künstler in der richtigen Zeichnung, in dem Verhältnisse der Umrissen und Flächen aller sinnlichen Gegenstände, die er darstellt. Es bestehet für den Tonkünstler in den Verhältnissen der Tonleiter und Akkorde. Es bestehet für den Schriftsteller in Rhythmus und Prosodie. Die Schönheit des Ebenmaßes liegt in den leicht zu fassenden Verhältnissen der Zahlen: Eins, Zwey und Drey. Die bildende Natur, die bildenden Künste, die Baukunst, die Tonkunst in ihren Vorschriften der Harmonie, und die Prosodie des Dichters, sind und bleiben diesem ungezweifelt richtigen Grundsatze getreu.
Das Mannichfaltige bestehet für den bildenden Künstler in sanften Beugungen excentrischer wellenförmiger Linien des Umrisses, in zarten Wölbungen der Flächen, in gebrochenen Mitteltinten des Mahlers. Es besteht für den Tonkünstler in dem schicklich abwechselnden Gebrauche der Halbtöne und Dissonanzen. Für den Schriftsteller bestehet es in Abwechslungen des Rhythmus und in mannichfaltigen Verhältnissen der Prosodie.
Der Kunstschüler bestrebe sich alle und jede Theile seines Werkes so genau, so vollkommen auszuführen, als möglich ist. So gewöhnt er sich an Vollendung. Kein Kunstwerk ist wahrhaft und ohne Tadel schön, das nicht vollendet ist. Ein Kunstwerk ist ein Ganzes. Die kleinste Nachläßigkeit in der Ausführung der Theile schadet seiner Vollkommenheit.
Die gute Kunstschule überzeugt den Kunstschüler sehr bald, daß das Sinnlichschöne des Kunstwerkes nur nach und nach und mit unendlichem Fleiße erzeugt werden kann: dann es besteht aus unzählig vielen Elementartheilen, deren jeder mir Reinheit im Ebenmaße und manchfaltig vollendet werden muß. Aber dann auch! welche sichere kraftvolle Wirkung? So schnell, als der elecktrische Feuerfunken erregt wird; eben so schnell wirkt das Sinnlichschöne auf Herz und Geist. Wer erblickt das Gemälde eines Fügers, wer hört die Stimme der Mara, wer liest eine Stanze aus Oberon, der nicht Freude und Wohlgefallen augenblicklich empfindet?
Der Kunstschüler hat alsdann die so nöthige Fertigkeit erreicht, wenn seine Hand, als bildender Künstler, wenn seine Kehle, als Sänger, wenn sein leisprüfendes Gehör, als Schriftsteller mit Leichtigkeit und Gewisheit jedes Elementartheilchen der sinnlichschönen Darstellung zweckmäßig wählt und bildet.
Erwerbung und Erhaltung dieser Fertigkeit durch beständiges Üben sind für jeden Künstler das Geschäft seines ganzen Lebens. Diese Fertigkeit erlicht, wenn sie nicht unaufhörlich geübt wird. Sie wird in guten Kunstschulen am leichtesten in der ersten Jugend erlernet, weil in diesem zarten Alter die Form der Elementartheilchen sich am geschwindesten dem empfänglichen Gedächtnisse einprägt, und weil in der Jugend die Hand und jedes sinnliche Werkzeug gelenck und biegsam ist.
Die Grundsätze desjenigen, was geistig angenehm ist, sind Vorschriften die der Kunstschüler befolgen lernen muß, wenn er in seinem Werke dem denkenden Verstande des Kunstliebhabers gefallen will. Jeder denkende Verstand beschäftigt sich alsdann auf eine angenehme Weise mit einem Kunstwerk, wenn er alle und jede Verhältnisse des Dargestellten darin deutlich und richtig wahrnimmt.
Das Gesetz der Wahrheit ist in einem Kunstwerke befolgt, sobald es den Gegenstand gerade so darstellt, wie sein Urbild in der Natur selbst, unter den möglichst zweckmäßigen Umständen erscheinen würde, wenn es zugegen wäre. So mahlte Titian. So traf Pergolese die Tonfolge der leidenden Empfindung in seinem Stabat, so sind die Modulationen in seiner serva padrona der Ausdruck der muntersten Laune, und so schildern Geßner und Thomson die schöne Natur.
Das Bestimmte wird erzielt, wenn der Künstler jedem Theile seines Werkes den wahren Charakter gibt, wenn er diejenigen Züge wählt, welche seinen Gegenstand auf die deutlichste Weise von jedem andern unterschieden. So mahlte Raphael, so schrieben Gluck und Benda, so richtig und genau bezeichnete Shakespear die verschiedensten Zeiten und Gegenden.
Ein Kunstwerk ist einfach, wenn es einen Hauptgegenstand in einer nämlichen Zeit, im nämlichen Orte vorstellet, wenn es den Kunstliebhaber nicht durch Verschiedenheit der Gegenstände zerstreuet, ihn nicht in dem Vergnügen stört, alle Verhältnisse des Gegenstandes anhaltend und vollständig von allen Seiten zu bemerken. So liegt z. B. Einheit in Bounarolas jüngstem Gericht; in dem gebundenen Musikstyl eines Palestrina, Händel, Bach, die jedesmal nur ein Thema unter allen Akkorden ausführen. Dichter und Redner beobachten Einheit in ihren Meisterstücken, und ohne Einheit bestehet kein ächtes Kunstwerk.
Die Theile des Kunstwerks müßen unter sich verbunden seyn, sonst sind sie kein zusammenhängendes Ganze, und der Kunstfreund vermißt alsdann mit Unwillen das vereinigende Verhältniß, das zwischen den Theilen eines jeden Kunstwerks bestehen muß. Die Gemälde des Poussin sind hierin musterhaft und in allen ächten Meisterwerken der Tonkünstler, Redner und Dichter ist dieser Grundsatz beobachtet. Verbunden sind in jedem Kunstwerke diejenigen Theile des Ganzen, die auf den nämlichen Endzweck ohne leeren Zwischenraum und ohne leere Zwischenzeit zusammenwirken. Die Kunstschule überzeuge jeden Zögling von der Gewissheit dieser Grundsätze, und er bemerke deren Anwendung in jedem Kunstwerke, das ihm als Muster vorgelegt wird.
Jedes Bestreben muß einen guten Endzweck haben, in dessen Erzielung der Mensch sich und andern nützlich wird. Dieß ist allgemeine Pflicht, und eine zweckmäßige Kunstschule muß von diesem Geiste beseelt seyn.
Wohlthätig sind die Werke schöner Künste auch dann an sich selbst, wenn sie gleichsam spielend und auf unschuldige Weise das Gemüth ergötzen. Ein Blumenstück von Huisum, eine Symphonie von Pleyel, ein anmuthvolles Liedchen von Matthison erheitern die Seele des Kunstliebenden, der nachher zu seinen ernstlichen Pflichten mit erneuerter Kraft zurückkehrt.
Gemeinnützig werden die bildenden Künste, wenn sie das Andenken verdienter Männer in öffentlichen Denkmälern verewigen; gemeinnützig sind Dichtkunst und Tonkunst, wenn beide vereinigt in erhabnen Hymnen die Seele zu der innigsten Gottesverehrung erheben. Gemeinnützig ist die Redekunst, die in dem Lehramte das Herz der Zuhörer den Vorschriften der Tugend öfnet, die vor dem Richterstuhle den Unschuldigen vertheidigt und rettet.
Veredelnd sind die schönen Künste, wenn sie den Menschen der rohen Sinnlichkeit, und der Härte des kalten Eigensinns entziehen; wenn sie zugleich der Tugend die reitzende Wonne sinnlicher Schönheit geben, und der sinnlichen Schönheit die himmlischsanfte Würde der Unschuld verschaffen.
Nützlichausführend sind die schönen Künste, wenn ihre begeisternden Musen das Wort zur rechten Zeit sprechen; wenn sie sich bestreben, dem gegenwärtigen sittlichen Bedürfniß es Zeitalters zu begegnen; wenn in Zeiten der Verderbniß, der Erschlaffung und des verführenden Lasters ihre Stimme die Kraft und Würde der Tugend erhebt, und in Zeiten roher grausamer Härte die Gemüther zu mildern sucht.
Der rechtschaffene Lehrer in einer jeden Kunstschule schildre bey jeder Gelegenheit seinen Schülern den hohen Werth und die Würde der Kunst. Ein erhabnes Bewußtseyn, daß sie sich und andern in gegenwärtigen und künftigen Zeiten nützlich werden, entflamme ihre Herzen! Dieser hohe Sinn wird ihren anhaltenden Fleiß beleben, und ein reiner edler Geist wird künftig in ihren Kunstwerken athmen. Mit einem Worte: der Lehrer präge dem Kunstschüler ein: daß nur alsdann sein Kunstwerk allgemein, und in allen Zeiten mit Recht gefallen werde, wenn der Gegenstand durch Tugendliebe bestimmt wird; wenn die prüfende Vernunft die Mittel wählt, und die kunstfertige geschickte Hand diese Mittel auf die schönste Weise anwendet und ausführt. Die menschliche Seele trägt das Gepräg ihres göttlichen Ursprungs. So bald sie nicht durch Leidenschaft oder Vorurtheil verwirrt, nicht durch Krankheit des Körpers in Äuserung ihres reinen innern Triebes gehemmt ist; so strebt sie nach dem Unendlichen. Dasjenige gefällt ihr alsdann am besten, was in ihr in der möglichst kürzesten Zeit und in der möglichst größten Ausdehnung das meiste Gefühl erregt, die richtigste Kenntniß veranlaßt, für sie der Gegenstand der nützlichsten Wirksamkeit wird, und sie der denkbaren unendlichen Vollkommenheit in ihren beschränkten Verhältnissen am nächsten bringt. Alle Gesetze des Gefallens fließen aus dieser Wesenheit der Seele. Diese Gesetze sind ewig und allgemein, und ihr Innbegriff ist, wie bereits gesagt worden, die wahre Richtschnur guter Kunstschulen.
Die Lehrart ist alsdann zweckmäßig: wenn die Liebe der Kunst in den Schülern erregt und erhalten wird. Betrachtungen über den Werth der Kunst, und der Anblick fürtreflicher schöner Kunstwerke tragen wesentlich dazu bey. Das Fortschreiten des Schülers werde durch verdienten und gemäßigten Beifall ermuntert, und nie werde seine Geisteskraft durch übermäßiges Arbeiten ermüdet. Wenn der Schüler aus eignem Antrieb fleißig ist: dann liebt er die Kunst, dieses Kennzeichen ist untrüglich.
Der Kunstschüler werde so geleitet, daß er jedesmal das Kunstwerk, das er nachbildet, im Ganzen und in seinen kleinsten Theilen sorgfältig betrachte. Durch eignes Nachdenken und Hülfe des Lehrers erkenne er Zweck, Mittel und Werth der Ausführung. Wenn er nichts bemerkt als das Sinnlichschöne des Kunstwerkes, wenn er sich nicht zu dessen geistigen und sittlichen Werth im Ganzen erhebt: dann kann er wohl ein mechanisch geschickter Künstler werden: allein der hohe wahre Sinn der Kunst wird für ihn immer verschlossen bleiben.
In der Ausführung werde kein Fehler, auch nicht der geringste nachgesehen. Besser zehnmal das nämliche wiederholt, biß die Vollkommenheit erreicht ist. Die Fertigkeit ist die Frucht wiederholter Übung. Die Hand und jedes Organ verwöhnt sich sehr bald, und bildet alsdann unwillkührlich das Fehlerhafte: sobald sie sich nicht unermüdet bestrebt, das Vollkommne zu erzielen. Die Nachgiebigkeit des Lehrers gegen unvollkommnes Ausführen der Schüler ist Hauptursache, daß in den Kunstschulen so manche schlechte Künstler entstehen.
Diese Betrachtungen sind anwendbar auf alle Künste. Nicht allein bildende Künste, nicht allein Tonkunst, Redekunst, Dichtkunst; auch die wichtige Kunst des Baumeisters, die schätzbare Kunst des Schauspielers, die angenehme Kunst des dramatischen Tänzers, die Noverre geschaffen hat, kurz alle schönen Künste, die bereits erfunden sind, oder künftig erfunden werden, müssen den harmonischen Dreiklang des sittlich Nützlichen, des geistig Angenehmen und des sinnlich Schönen in sich vereinigen, sonst verdienen sie nicht den Namen einer schönen Kunst.
In Kunstschulen lernt der Schüler die Kunst, dem innern Guten und Wahren die Aussenseite des Schönen zu geben. Dieser Endzweck ist dem Geist der ganzen Schöpfung gemäß. So glänzen Sonne und Sterne; der Weltkörper, den wir bewohnen; Pflanzen und Thiere sind in ihren innern Bestandtheilen, und ihrem Eingeweide nachzweckmäßigen Gesetzen des Guten und Wahren eingerichtet; und ihre Aussenseite ist mit Blumen, Blättern, Farben und allen Reitzen der Schönheit und Anmuth ausgeschmückt.
Es ist Bestimmung des einzelnen Menschen, daß er sich selbst veredle, in sich selbst alle Keime des Guten, Wahren, und Schönen entwickle; und es ist Pflicht des Staates, daß er alles befördere, was zu dieser grosen Absicht mitwirken kann. Der Endzweck der Staatsverbindung ist die Glückseligkeit seiner Mitglieder. Der Mensch ist nur alsdann glücklich, wenn er mit sich selbst einig ist, wenn seine Vernunft dem verirrten Herzen keine Vorwürfe macht, wenn das Herz den kalten und ernstlichen Vorschriften der Vernunft nicht heftig widerstrebt. Die schönen Künste vereinigen Kopf und Herz, sie entziehen den Menschen der thierischen Rohheit der Sinne, und der Trockenheit eines unbegrenztabstrakten Denkens, indem sie das Schöne mit dem Wahren und Guten vereinigen. Leicht und unbemerkt entstehen in ruhigen Augenblicken des Lebens Begriffe und Grundsätze in dem Gemüthe des Menschen; und diese sind meistens nachher seine Richtschnur, wenn er in dringenden Fällens ich entschließen und handeln muß. Ächte Kunstwerke erregen die Liebe der Tugend, indem sie das Wahre, und das sittlich Rührende mit dem sinnlich Schönen verbinden. Wie mancher Keim des Heldensinns wurde durch die Lesung des Homers entwickelt! Wie manche Lebensweisheit wurde durch Horatz gebildet! Wie manche Flamme der reinsten Andacht wurde durch erhabne Bilder des Psalmisten erregt! Wie manches rauhe Gemüth wurde durch sanfte Modulation der Tonkunst gemildert!
Ganz ungegründet ist es, daß die schönen Künste die Seele erschlaffen. Alexander, Cäsar und Friedrich waren warme Freunde der schönen Künste, und die gebildeten Römer und Griechen siegten über rohe Barbaren.
Durch gute Kunstschulen können die schönen Künste im Staate verbreitet und erhalten werden. Freilich werden große Kunstgenies – ein Homer, ein Shakespear – von der Natur selbst erschaffen. Allein zu den meisten Kunstwerken des nachbildenden Zeichners und Kupferstechers, des Baumeisters, des Tonkünstlers, des Schauspielers werden wenige schöpferische Geister, und viele geschickte, geübte Künstler erfodert; und diese werden am besten in guten Kunstschulen gebildet.
Oft blühen die Künste auf ohne Beförderung, und ohne daß sie durch angelegte Kunstschulen erhalten werden; alsdann sind sie meistens ein schöner aber vergänglicher Übergang einer Nation von der Rohheit zu einer künftigen Erschlaffung; und sehr bald werden dann die Künste durch Mißbrauch und Sittenverderbniß entweihet werden! Wahr ist’s, daß Kunst und Schönheit nicht alles in allem sind; daß Tugend an und für sich Verehrung verdient; daß Weißheit in sich selbst unendlichen Werth hat; daß Schönheit ohne Weißheit und Tugend gefährlich ist. Aber wahr ist es auch, daß Vollkommenheit nur alsdann entsteht, wenn Tugend, Wahrheit und Schönheit in Werken der Natur und der Kunst vereinigt sind.
Gute Regenten, Väter des Vaterlandes, wollt ihr in euern Staaten Wahrheit, Schönheit und Tugend vereinigen? Wollt ihr auf eine dauerhafte Weise die schönen Künste, diese Blüthe der Menschheit, erhalten: so errichtet gute Kunstschulen!