HomeDie Horen1795 - Stück 9IV. Schwarzburg. [Sophie Mereau]

IV. Schwarzburg. [Sophie Mereau]

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In sich gehüllt, umkränzt von grünen Hügeln,
Leis angeweht von milder Schwermuth Flügeln,
Ruht dort das Thal in stiller Dämmerung.
Ein kühler Luftstrom wallt mir sanft entgegen,
Und der Begeistrung süße Schauer regen
Des Herzens Saitenspiel mit leisem Schwung.

Hier lege, was ihm Menschen aufgedrungen,
Des Vorurtheils erträumte Foderungen,
Der frohe Wandrer ehrerbiethig ab,
Und geh allein, sich selbst zurückgegeben,
Der Wahrheit und Natur mit reinem Sinn zu leben
Ein freyer Mensch, mit seinem Pilgerstab.

O du Natur! Wie strebt in deinem Reiche,
Voll ew’ger Harmonie der Grashalm und die Eiche,
In ihrer Kraft mit gleichem Recht empor.
Und alles lebt und wirkt mit fröhlichem Beginnen,
Und aus der Freyheit Götterschaale rinnen,
Glückseligkeit und Ruhe mild hervor!

Und nur der Mensch von aussen und von innen,
Bestürmt, geengt, wünscht mit entflammten Sinnen,
Was ihn aus deinem stillen Kreise zieht,
Und giebt des Herzens süße Trunkenheiten,
Des Selbstgefühls, der Freyheit Seeligkeiten,
Für ein erkünstelt Glück, das bald ihn flieht!

Wie schwebt der Blick die Höhen auf und nieder,
Und kehrt, getränkt mit süßen Bildern wieder,
Und neue Ahnung schwellt das trunkne Herz.
Es fühlt den hohen Reitz mit leisem Beben,
So still und groß, so voll von Glut und Leben,
Und ringt mit Lust und wunderbarem Schmerz.

Was für ein süßer weicher Wohllaut säuselt
Zu mir empor! Sieh über Kiesel kräuselt
Ein Bach sich hin mit sanfter Melodie,
Bald rauscht er fort gewaltig, wie auf Flügeln
Des Sturmes, bald, geküßt von grünen Hügeln,
Klagt er der Sehnsucht leise Harmonie.

Wie ist mit einem Mal von einem rauhen
Gebürg’, das sich vermessen in die blauen
Gewölke drängt, der Eingang mir, entrückt!
Und durch den grünen waldigten Kolossen,
Scheint, wie durch Feenhand der Ausgang mir verschlossen,
Der leise sich um einen Felsen drückt.

Dort schwimmen, wie mit Flammen übergossen,
Im Sonnenschein, von Azurblau umflossen,
Von süßen Düften freundlich überwallt,
Die jungen Büsche sanft den Hügel nieder,
Und Fels und Hayn tönt vom Gesange wieder,
Der lieblich durch die zarten Zweige hallt.

Dicht nebenan, gehüllt in finstre Trauer,
Stürzt, leis durchweht vom kühlen Abendschauer,
Ein Fichtenwald den steilen Berg hinab,
Und seitwärts blickt, umweht von Ulm und Flieder
Ein dunkler Fels aus jäher Höh’ hernieder,
Bedeutungsvoll und schweigend wie das Grab.

Bald wo der Blick an hohen Wänden scheitert,
Von keinem Blümchen, keinem Baum erheitert,
Drängt eine Klippe unsern Pfad hinweg,
Wir klimmen fort an schroffen Felsenwänden,
Der Abendsonne letzte Stralen senden
Noch mildes Licht auf den zerrißnen Steg.

Und immer tiefer taucht in graue Düfte
Der Himmel sich und über stille Klüfte
Webt leise sich der Dämmrung trüber Flor,
Verworren schweben jetzt Erinnerungen
Der Seele vor, von Schwermuth sanft bezwungen
Und leise steigt der Ahnung Flug empor.

Hier unbemerkt, allein mit Moos und Steinen,
Sich jedes Weh dem Herzen zu entweinen,
Im tiefsten Hayn, vor jedem Blick versteckt,
Und eingewiegt in süße Träumereyen,
Sich jedes ahnenden Gefühls zu freuen,
Von keiner kalten Wahrheit aufgeschreckt,

Biß endlich sich die dunkeln Farben mildern,
Und mit der Hofnung sanft verklärten Bildern
Die rasche Zeit den stillen Schmerz ereilt,
Dann einst von Harmonie herbey gewinket
Ein holdes Wesen stumm an unsern Busen sinket’
Das unsre Menschenflucht versteht und theilt!

Das gleicher Drang auf ewig an uns bindet,
Das unser Herz in unserm Auge findet,
Durch kalte Weißheit nicht den edeln Schmerz entehrt,
Biß losgewunden nun zu neuem Leben
Die trunknen Seelen wieder aufwärts schweben
Ist dann die Welt noch einer Sehnsucht werth?

Der Schimmer stirbt, die Sterne blicken nieder,
Der Nachtwind weht mit thauigtem Gefieder,
Und tiefe Ruhe wohnt im Fichtenhayn:
Verworren quellen nun aus leichten Schatten
Der Bäume Formen weich hervor, und gatten
Sich lieblicher im bleichen Mondenschein.

Wir sind am Ziel! Dem müden Wandrer winket
Ein mondbeglänztes Dörfchen, und er sinket
Mit leichterm Muth auf weichen Rasen hin,
Und um ihn duften lieblicher die Linden
Singt lieblicher der Quell, und unvermerkt entschwinden
Der Schwermuth Bilder dem befreyten Sinn.

Tief athmet er die Luft, den stillen Frieden,
Der hier ihm winkt, er fühlt sich abgeschieden
Von jedem Weh, der Blumen Hauch, die Luft
Wehn freundlicher; er sieht in muntern Reihen,
Ein glücklich Volk sich lautem Jubel weyhen
Und folgt dem Trieb, der ihn zur Freude ruft.

Verhältnisse sind hinter ihm versunken,
Wie schlägt sein Herz von neuem Leben trunken!
Wie fließt sein Blut so heiter wie der Quell!
Er glaubt beherzt mit heiligem Vertrauen
An Lieb’ und Freundschaft, wallt auf Blumenauen
Und o! wie wird die Zukunft ihm so hell!

Und immer leiser schwebt in lusterfüllten Räumen
Die Phantasie und unter leichten Träumen
Verweht die kurze mondbegränzte Nacht.
Schon schauert durch den Hayn ein neues Feuer,
Schon spielt die Luft im jungen Laube freyer
Schon ist mit mildem Glanz der Tag erwacht.

Hinauf! dort wo der jungen Sonne Stralen
Mit Himmelsglanz des Vogels Schwingen mahlen,
Erwacht die Phantasie mit neuem Schwung.
Wir steigen fröhlich durch bethaute Matten
Den Tannenwald hinan, wo Sonnenlicht mit Schatten
Zusammenschmilzt in süße Dämmerung.

Wie schwimmt in seinem lichten Farbenkranze
Von Sonnenschein umspielt, im Ätherglanze
Der schöne Grund vor meinem trunknen Blick!
Mit der Natur in hohem Einklang fühlet
Das rege Herz, von neuer Lust durchwühlet,
Und ahnet der Begeistrung nahes Glück.

Die reinste Luft, geschöpft aus Ätherquellen,
Umsäuselt mich, auf ihren leichten Wellen
Wallt die entzückte Seele himmelan.
Wie wogt im Glanz der jungen Morgensonne
Ein Meer von neuer Lebenskraft und Wonne,
Durch meine Brust ein Freudenocean!

Hinab! Ich will mir selbst die Banden kürzen,
In diesen Himmel mich hinab zu stürzen,
In dieser Glut zu sterben, Götterglück!
Ich seh die leichten Schranken niederfallen,
Mich aufgelößt im reinen Äther wallen
Und Gottheit ligt in diesem Augenblick!

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