HomeDie Horen1796 - Stück 11IV. Cynthiens Schatten. [Sextus Propertius]

IV. Cynthiens Schatten. [Sextus Propertius]

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Elegie von Properz.

Des vierten Buchs siebente.

Auch die Manen sind etwas! nicht alles ist mit dem Tod aus.
Über der Flamme schwebt bleich noch der Schatten davon.
Conthien, sie die man jüngst an der äussersten Strasse begraben,
Sah ich; sie stüzte zu mir hin sich am Stollen des Betts.
Noch warf mich der Gedanke an ihre Leiche im trüben
Schlummer umher; ich klagt’, ach, mein verlassenes Bett!
Ihre blonden Haare, sie warens! Es waren die Augen!
Nur an der Hüfte das Kleid war von dem Brande versengt.
Auch der Beryll des Fingers war angegangen vom Feuer;
Ein lethäischer Thau bleichte das ganze Gesicht.
Tief erseufzt’ sie in sich, und seufzend waren die Worte;
Doch indem sie so sprach, knackte die Finger sie sich.
„Ungetreuer, der keiner je beßre Hoffnung verheisset!
Und schon jezt kann der Schlaf über dem Auge dir ruhn?
Hast du so bald vergessen die Streiche der lustigen Vorstadt?
Und wie du nächtlich vermummet oft an mein Fensterchen kamst?
Und da kam ich zu dir am hangenden Seile herunter;
Stüzte die eine Hand, dann auch die andre auf dich.
Wie oft kämpften wir nicht auf freyer Strasse in Liebe!
Und der Boden hat sich unter dem Mantel erwärmt.
Ach, des heimlichen Bundes! Es haben die trügerischen Worte,
Mit verschlossenem Ohr, Flügel des Notus entraubt!
Mir das brechende Auge zu drücken war keiner zugegen;
Hätte doch einen Tag mir noch dein Rufen erlangt!
Auch kein Hüter stand mit gespalt’nem Rohre zur Seite,
Und ein Ziegelstück schob man mir unter das Haupt.
Wer hat dich endlich gebeugt bey meiner Leiche gesehen?
Nur ein Thränenmahl von dir auf schwarzem Gewand?
Mochtest du meine Leiche nicht vor das Thor hinbegleiten,
Konntest du sachter nicht heissen die Träger dann gehn?
Warum riefst du nicht selbst herbey die Winde zum Holzstoß?
Und kein Nardenöhl dampfte die Flamme hindurch?
Hyacinthensteinchen mir unter die Asche zu streuen
War dir zu kostbar; dich reut noch des zerbrochenen Krugs.
Lygdamus, der Verräther! ihn zwinge das glühende Eisen
Zum Geständniß! ich fühlt’s, als er den Wein mir gemischt.
Wenn nicht die listige Nomas geheimen Speichel dir mengte,
Hätt’ die verdammte Faust glühend der Scherben entdeckt!
Jene, die überall jüngst die schändlichen Nächte noch feil bot,
Deren vergoldeter Schlepp streift nun die Strassen hindurch.
Und hat von meiner Schönheit ein schwazendes Mädchen gesprochen,
Theilt sie die Arbeit des Tags schwerer im Körbchen ihr zu.
Meine Petale brachte zu meinem Grabe mir Kränze,
Einen Kloben nun schleppt mit sich die Alte herum.
Lakage wurde gepeitscht, und bey den Haaren gezogen,
Weil sie im Namen von mir etwas zu bitten gewagt.
Ruhig sahst du es an, als von meinem Bilde das Gold sie
Schmelzte; ein Heyrathsgut sich aus der Asche erstahl.
Dennoch befeind’ ich dich nicht, o Properz! obgleich du’s verdient hast;
Lange genug hat mein Ruhm dir in den Schriften geherrscht.
Bey dem unwiderruflichen Lied der Parzen; ich schwör’ es
Bey dem dreyfachen Hund; sanfter bezeug’ er sich mir!
Daß ich dir Treue gehalten! und trüg ich, möge die Natter
Zischen über mein Grab! brüten auf meinem Gebein!
Eine zwiefache Strasse ist jenseits des häßlichen Flusses,
Und zu verschiedenem Siz rudert der Haufe dahin.
Hier fährt Klytemnestra, die schändliche! Neben ihr die zum
Ungeheuer sich log einer kretensischen Kuh.
Sieh, ein anderer Trupp schwimmt auf bekränzetem Fahrzeug,
Wo Elisiums Luft selige Rosen umhaucht.
Da ertönen die Saiten, da schallen die Hörner Cybelens,
Lydischer Zithergesang wallet vom phrygischen Chor.
Und Andromeda, Hypernestre, die schuldlosen Frauen,
Rührend erzählen sie hier ihren berüchtigten Schmerz.
Jene klaget die Härte der Mutter, und wie sie am Fels ihr
Wundgefesselt den Arm, ihre unschuldige Hand:
Hypernestre hingegen der Schwestern schwarzes Verfahren,
Und daß ihr eigenes Herz fähig des Frevels nicht war.
Und so lindern wir hier durch Thränen die Leiden der Liebe.
Deine Vergehungen doch will ich verschweigen, Properz!
Nur befolgt noch was ich befehle; ist irgend Gefühl noch
In dir, hat dich nicht ganz Doris mit Zauber behext!
Meiner Parthenia laß in ihrem zitternden Alter
Nichs gebrechen; sie war redlich und braucht’ dich um nichts.
Meine gute Latris, sie hat vom Dienste den Namen;
Keiner andern Frau halte den Spiegel sie vor!
Aber die Verse, die du in meinem Namen gemacht hast,
Diese verbrenne! und mach los dich des Lobes von mir!
Nimm mir den Epheu vom Grab’! ich hasse die widrigen Beeren,
Und sein zakig Geweb’ schlingt die Gebeine mir fest.
Wo der schäumende Anio sich durch feuchtreiche Fluren
Giesset, kein Helfenbein schwarz wird, von Herkul beschützt;
Schreib in die Mitte der Säule mir wen’ge doch würdige Worte;
Was im Vorübergehn lese der Wandrer der Stadt:
„Conthia lieget, die Goldne, allhier auf dem Boden von Tibur:
„Grösseren Ruhm hast du, Anio, durch sie erlangt!“
Achte die Träume, die dir zu der frommen Pforte hereingehn!
Fromme Träume sind nie ohne bedeutenden Werth.
Nachts nur schwärmen die Schatten; die Nacht befreyt uns der Bande;
Cerberus selber irrt ledig der Kette herum.
Wieder zurücke zwingt uns das Licht zum Pfuhle des Lethe;
Man lädt ein, es zählt Charon die Ladung des Schiffs.
Mögen dich andre besitzen, bald bist du wieder allein mir;
Und mein Gebein wird sich mischen mit deinem Gebein.“
Also endete sie den klagenden Zwist; und umarmen
Wollt* ich sie: sie entschwand meiner umfassenden Hand.

"]"]