Fortsetzung [von Horen 1796, 4. Stück].
Vorerinnerung.
Durch den Wettstreit Carl des Fünften und Franz des Ersten war Italien äusserst beunruhigt. Bisher hatten die Päbste sich an den Kaiser gehalten, als aber, bei Pavia, der König von Frankreich gefangen ward, fürchteten die Italiänischen Fürsten für ihre Freiheit; sogleich griffen sie zu dem gewöhnlichen Hülfsmittel, sie schlossen einen Bund, welchem Clemens der Siebente beytrat. Dies war die Ursache alles seines Unglücks, die Coloneser empörten sich, Bourbon zog gegen Rom und die Stadt ward geplündert.
1527.
Schon war alles in Waffen! Pabst Clemens hatte sich vom Herrn Johann von Medicis einige Haufen Soldaten ausgebeten, welche auch ankamen; diese trieben so wildes Zeug in Rom, daß es gefährlich war, in öffentlichen Werkstätten zu arbeiten. Deßwegen zog ich in ein gutes Hauß hinter den Bänken und arbeitete daselbst für alle meine Freunde; doch bedeuteten in der Zeit meine Arbeiten nicht viel und ich schweige deßhalb davon. Ich vergnügte mich damals viel mit Musik und an andern ähnlichen Lustbarkeiten.
Pabst Clemens hatte indessen, auf Anrathen des Herrn Jacob Salviati, die fünf Compagnien des Johann von Medicis, der schon in der Lombardie umgekommen war, wieder verabschiedet. Bourbon, der erfuhr, daß keine Soldaten mehr in Rom waren, drang mit seinem Heer grade auf die Stadt. Bey dieser Gelegenheit griff jedermann zu den Waffen, und Alexander del Bene, dessen Freund ich war, und dem ich schon einmal, zu der Zeit, als die Coloneser nach Rom kamen, das Haus bewacht hatte, bat mich bey dieser wichtigen Gelegenheit: daß ich fünfzig bewaffnete Männer aufbringen, und, an ihrer Spitze, wie vormals, sein Haus bewachen solle. Ich brachte fünfzig der tapfersten jungen Leute zusammen, und wir wurden bey ihm wohl unterhalten und bezahlt. Schon war das Bourbonische Heer vor den Mauren von Rom, und Alexander bat mich, ich möchte mit ihm ausgehen. Wir nahmen eine der besten Leute mit, und unterweges schlug sich noch ein junger Mensch zu uns, der Cecchino della Casa hieß. Wir kamen auf die Mauren beym Campo Santo, und sahen das mächtige Heer, das alle Gewalt anwendete, grade an diesem Flecke, in die Stadt zu dringen. Die Feinde verlohren viel, man stritt mit aller Macht und es war der dickste Nebel. Ich kehrte mich zu Alexandern und sagte: Laß uns sobald als möglich nach Hause gehen, hier ist kein Mittel in der Welt. Jene kommen herauf und diese fliehen. Alexander sagte erschrocken: Wollte Gott, wir wären gar nicht hergekommen und wendete sich, mit grosser Heftigkeit, nach Hause zu gehen. Ich tadelte ihn und sagte: da ihr mich hergeführt habt, müssen wir auch irgend etwas männliches thun! und so kehrte ich meine Büchse gegen den Feind und zielte in ein recht dichtes Gedräng, nach einem, den ich über die andern erhoben sah; der Nebel aber ließ mich nicht unterscheiden, ob er zu Fuß oder zu Pferd sey. Ich wendete mich zu Alexandern und Cecchino und sagte ihnen, wie sie auch ihre Büchsen abschiessen und sich dabey vor den Kugeln der Feinde in Acht nehmen sollten. So feuerten wir unsere Gewehre zweymal ab, darauf schaute ich behutsam über die Mauer und sah einen ganz ausserordentlichen Tumult unter ihnen. Es war der Connetable von Bourbon, von unsern Schüssen gefallen; denn, wie man nachher vernahm, so war es der gewesen, den ich über die andern erhoben gesehen hatte. Wir machten, daß wir über Campo Santo wegkamen, gingen durch St. Peter und gelangten mit größter Schwierigkeit zu dem Thore der Engelsburg, denn die Herren Rienzo da Ceri und Oratio Baglionie verwundeten und erschlugen alle, die von der Vertheidigung der Mauer zurückweichen wollten. Schon war aber ein Theil der Feinde in Rom und wir hatten sie auf dem Leibe. Der Castellan wollte eben das Fallgatter niederlassen, es ward ein wenig Platz, und wir vier kamen noch hinein. Sogleich faßte mich der Capitain Pallone, von den Medicäern, an, als einen, der zum Hause des Papstes gehörte, und führte mich hinauf auf die Bastey, so daß ich wider Willen Alexandern verlassen mußte.
Zu gleicher Zeit war Pabst Clemens über die Gallerien des Castells gekommen, denn er wollte nicht eher aus seinem Pallaste gehen, und glaubte nicht, daß die Feinde in die Stadt dringen würden. So war ich nun mit den andern eingesperrt, und fand mich nicht weit von einigen Kanonen, die ein Bombardier von Florenz, Nahmens Julian, in Aufsicht hatte. Dieser sahe durch eine Öfnung des Mauerkranzes sein Haus plündern und Weib und Kinder herumschleppen; er unterstand sich nicht zu schiessen, aus Furcht die Seinigen zu treffen, warf die Lunte auf die Erde und zerriß sich heulend und schreyend das Gesicht; eben so thaten einige andere Bombardiere. Deßwegen nahm ich eine Lunte, ließ mir von einigen helfen, die nicht solche Leidenschaften hatten, richtete die Stücke dahin, wo ich es nützlich glaubte, erlegte viele Feinde und verhinderte, daß die Truppen, die eben diesen Morgen nach Rom herein kamen, sich dem Kastell nicht zu nahe wagten; denn vielleicht hätten sie sich dessen in diesem Augenblicke bemächtigt, wenn man ihnen nicht das grobe Geschütz entgegen gestellt hätte. So fuhr ich fort zu feuern, darüber mich einige Cardinäle und Herren von Herzen segneten und anfeuerten, so daß ich voller Muth und Eifer das möglichste zu thun fortfuhr. Genug, ich war Ursache daß diesen Morgen das Castell erhalten wurde, und so hielt ich mich den ganzen Tag dazu, da denn nach und nach die übrigen Artilleristen sich wieder zu ihrem Dienste bequemten.
Papst Clemens hatte einem grossen römischen Edelmann, Herrn Antonius Santa Croce, die sämmtlichen Artilleristen untergeben. Gegen Abend, während daß die Armee von der Seite di Tras Tevere hereinkam, trat dieser treffliche Mann zu mir, war sehr freundlich und stellte mich, bey fünf Stücken, auf den höchsten Ort des Schlosses, zunächst dem Engel; man kann daselbst ringsherum gehen und sieht sowohl nach Rom hinein als hinauswärts. Er untergab mir so viel Leute als nöthig war, reichte mir eine Löhnung voraus und wies mir Brod und ein wenig Wein an; dann bat er mich, ich möchte auf die Weise, wie ich angefangen, fortfahren. Nun hatte ich manchmal zu dieser Profession mehr Lust als zu der meinen gehabt, und jetzt that ich diese Dienste um so lieber, als sie mir sehr zu statten kamen. Da es Nacht wurde, sah ich, der ich ohnedem zu neuen und wunderbaren Sachen immer ein grosses Verlangen trug, von der Zinne des Castells, wo ich war, den schrecklichen und erstaunlichen Brand von Rom, den so viele, die in den übrigen Winkeln des Castells steckten, nicht gewahr wurden.
So fuhr ich einen ganzen Monat fort, als so lange Zeit wir im Castell belagert waren, die Artillerie zu bedienen und ich erzähle nur die merkwürdigsten Vorfälle, die mir dabey begegneten. Obgedachter Herr Antonio von Santa Croce hatte mich vom Engel herunter gerufen um nach Häussern in der Nachbarschaft des Castells zu schiessen, in die man einige Feinde hatte schleichen sehen. Indem ich schoß kam eine Kugel von aussen, die auf die Ecke einer Mauererhöhung traf und soviel davon mitnahm, daß es mein Glück war; denn die ganze Masse schlug mir auf die Brust, nahm mir den Athem, so daß ich für todt zur Erde fiel. Ich hörte aber alles, was die Umstehenden sagten. Darunter beklagte sich Herr Santa Croce am meisten und rief: o Wehe! sie haben uns unsere beste Hülfe genommen! Über diesen Lärm kam einer meiner Gesellen dazu gelaufen, der Franz der Pfeiffer hieß, aber mehr auf die Medicin als auf die Musik studirte; dieser machte einen Ziegel heiß, streute eine gute Hand Wermuth darauf, sprützte Griechischen Wein darüber, und legte mir den Stein auf die Brust, da, wo der Schlag sichtbar war. Durch die Tugend des Wermuths erlangte ich sogleich meine verlohrnen Kräfte wieder; ich wollte reden, aber es gieng nicht, denn einige dumme Soldaten hatten mir den Mund mit Erde verstopft und glaubten mir damit die Communion gereicht zu haben. Wahrhaftig sie hätten mich dadurch beynahe excommunicirt, denn ich konnte nicht wieder zu Athem kommen und die Erde machte mir mehr zu schaffen, als der Schlag.
Da ich mich nun erholt hatte, ging ich wieder mit aller Sorgfalt und Tapferkeit an meinen Dienst. Pabst Clemens hatte nach dem Herzog von Urbino um Hülfe geschickt, der sich bey dem Venetianischen Heere befand; der Abgesandte hatte den Auftrag seiner Excellenz zu sagen, daß, so lange das Castell sich hielte, alle Abend drey Feuer auf dem Gipfel angezündet und drey Kanonenschüsse dreymal wiederholt werden sollten. Ich hatte den Befehl die Feuer zu unterhalten und die Stücke loß zu brennen. Unterdessen fuhren die Feinde fort übel zu hausen, und ich richtete bey Tage mein Geschütz dahin, wo es ihnen den meisten Schaden that. Der Papst wollte mir deßhalb besonders wohl, weil er sahe, daß ich mein Geschäft mit der größten Aufmerksamkeit betrieb; der Entsatz des Herzogs blieb aussen, und es ist hier der Platz nicht die Ursachen aufzuzeichnen.
Indessen ich das teuflische Handwerk trieb, kamen einige Kardinäle mich zu besuchen, am meisten der Cardinal Ravenna und de Gaddi, dennen ich öfters sagte, sie sollten nicht heraus kommen, weil man ihre rothe Käppchen von weitem sähe, und man deßwegen von den benachbarten Gebäuden, z.B. von Torre de Beni uns das größte Übel zufügen könnte; am Ende ließ ich sie aussperren, welches sie mir äusserst übel nahmen.
Auch kam oft Herr Oratio Baglioni zu mir, der mir sehr wohl wollte. Eines Tages sah er, indem wir sprachen, in einem Wirthshause vor dem Thor des Castells einige Bewegungen. An diesem Gebäude war das Zeichen der Sonne, zwischen zwey Fenstern mit rother Farbe angemahlt, die Fenster waren zu und er glaubte, daß an der Wand hinter der Sonne eine Gesellschaft Soldaten bey Tische sässe und schmaußte. Deßwegen sagte er: Benevenuto! wenn du Lust hättest einen Schuß auf diese Sonne zu richten, so würdest du gewiss ein gutes Werk thun, den es ist dort herum ein grosser Lärm, es müssen Leute von Bedeutung seyn. Ich antwortete darauf: Herr, es ist was leichtes den Schuß zu thun, aber die Mündung der Kanone kommt nahe an den Korb mit Steinen, der auf der Mauer steht, und die Heftigkeit des Feuers und der Luft werden ihn hinunter werfen. Besinne dich nicht lange, antwortete er sogleich, und der Korb wird, wie er steht, nicht fallen und fiel er auch, und stünde der Papst drunten, so wäre das Übel kleiner als du denkst. Schiesse! schiesse! Ich dachte nicht weiter nach und traf, wie ich versprochen hatte, in die Mitte der Sonne; aber auch der Korb fiel, wie ich gesagt hatte, und stürzte grade zwischen den Cardinal Farnese und Herrn Jacob Salviati hinein, und hätte sie erschlagen, wenn sie sich nicht eben glücklicherweise gezankt hätten. Denn der Cardinal warf Herrn Jacob vor, er sey schuld an der Verheerung Roms, darüber schimpften sie einander beyde, und waren im Zorn ein wenig auseinander getreten. Als nun unten im Hofe der grosse Lärm entstand, eilte Herr Oratio schnell hinab und ich schaute über die Mauer, wohin der Korb gefallen war und hörte einige sagen: man sollte die Kanoniere gleich todt schlagen; deßwegen rüstete ich zwey Falkonette grade auf meine Treppe; fest entschlossen den ersten, der herauf käme, mit meinem Feuer zu empfangen. Es kamen auch wirklich einige Diener des Cardinal Farnese und schienen Auftrag zu haben, mir etwas unangenehmes zu erzeigen. Deßwegen trat ich vor mit der Lunte in der Hand. Einige davon kannte ich und rief: Beym Himmel! wenn ihr euch nicht gleich wegmacht, und sich einer untersteht, diese Treppe herauf zu kommen; hier habe ich zwey Falkonette ganz bereit, mit diesen will ich euch schlecht bewillkommen. Geht, sagt dem Cardinal, ich habe gethan, was meine Obern mir befohlen haben, und was wir thun geschieht zum Besten der Pfaffen, nicht um sie zu beleidigen.
Hierauf kam Herr Oratio Baglioni gleichfalls herauf gelaufen, ich traute nicht, und rief ihm zu: er solle zurückbleiben, oder ich würde nach ihm schiessen. Er hielt an, nicht ohne Furcht und sagte: Benvenuto! ich bin dein Freund – Ich versetzte: wenn ihr allein seyd, so kommt nur dießmal, wann ihr wollt.
Dieser Herr war sehr stolz, besann sich einen Augenblick und sagte mit Verdruß: Ich hätte Lust nicht mehr zu dir hinauf zu kommen und grade das Gegentheil zu thun von dem was ich für dich im Sinne hatte. Ich sagte: Wie ich hierher gesetzt sey andere zu vertheidigen, so würde ich auch im Nothfall mich selbst zu schützen wissen. Darauf sagte er: ich komme allein! und als er herauf stieg sah ich, daß er sich mehr als billig verfärbt hatte; deßwegen legte ich die Hand an den Degen und war auf meiner Hut. Darüber fing er an zu lachen, die Farbe kam in sein Gesicht zurück, und er sagte mir auf die freundlichste Weise von der Welt: Mein Benvenuto! ich will dir wo wohl, als ich vermag, und wenn mit Gottes Willen die Zeit kommt, sollst du es erfahren. Wollte Gott, du hättest die beyden Schurken erschlagen, der eine ist Schuld an so grossem Unheil und von dem Andern ist vielleicht noch etwas schlimmers zu erwarten. Alsdann ersuchte er mich, ich solle nicht sagen, daß er im Augenblick, da der Korb hinabgestürzt, bey mir gewesen sey, und übrigens sollte ich ruhig seyn. Der Lärm war groß und dauerte eine Weile fort.
Indessen that ich alle Tage etwas bedeutendes mit meinen Stücken, und erwarb die gute Meynung und Gnade des Pabstes. Er stand einst auf der runden Bastey und sah auf den Wiesen einen Spanischen Hauptmann, den er an einigen Merkmalen für einen ehemaligen Diener erkannte, und sprach darüber mit seinen Begleitern. Ich war oben beym Engel und wußte nichts davon; aber ich sah einen Mann, der, mit einem Spieß in der Hand, an den Trancheen arbeiten ließ, und ganz rosenfarb gekleidet war. Ich überlegte, was ich ihm anhaben könnte, wählte ein Stück, lud es mit Sorgfalt, und richtete es im Bogen auf den rothen Mann, der aus einer spanischen Großsprecherey den blosen Degen queer vor dem Leibe trug. Meine Kugel traf den Degen und man sah den Mann, in zwey Stücke getheilt, niederfallen.
Der Papst, der so etwas nicht erwartete, theils weil er nicht glaubte, daß eine Kugel so weit reichen könne, theils weil es ihm unbegreiflich war, den Mann in zwey Stücken getheilt zu sehen, ließ mich rufen und ich erzählte ihm umständlich, welche Sorgfalt ich beym Schiessen gebraucht hatte; wie aber der Mann in zwey Theile getheilt worden, konnte ich so wenig als er erklären.
Ich kniete nieder, und bat ihn, er mögte mir diesen Todschlag und die übrigen, die ich von hier aus, im Dienste der Kirche begangen hatte, vergeben. Darauf erhub er die Hand, und machte mir ein gewaltiges Creutz über meine ganze Figur, segnete mich, und verzieh mit alle Mordthaten, die ich jemals im Dienste der Apostolischen Kirche verübt hatte und noch verüben würde. Ich ging wieder hinauf, fuhr fort zu schiessen, und traf immer besser; aber mein Zeichnen, meine schönen Studien, meine angenehme Musik gingen mir alle im Rauch fort und ich hätte wunderbare Sachen zu erzählen, wenn ich alle schöne Thaten aufzeichnen wollte, welche ich in diesem grausamen Höllenwesen verrichtet habe. Ich will nur noch gedenken, daß ich den Feind durch anhaltendes Feuer verhinderte, seine Ablösungen durch den Porton von St. Spirito zu führen, worauf er mit grosser Unbequemlichkeit jedesmal einen Umweg von drey Miglien machen mußte.
Einige Zeit vorher hatte Papst Clemens, der die dreyfachen Kronen und die sämmtlichen schönen Juwelen der Apostolischen Kammer gerettet hatte, mich kommen lassen, und schloß sich mit mir und seinem Cavalier in ein Zimmer ein. Dieses Cavalierchen war ein Franzoß und hatte im Stall von Philipp Strozzi gedient; der Papst hatte ihn aber sehr reich gemacht, weil er ihm grosse Dienste geleistet hatte, und ob er gleich von der niedrigsten Herkunft war, so vertraute ihm doch der Pabst als wie sich selbst. Sie legten mir die Kronen und die sämmtlichen Edelsteine vor, und trugen mir auf, sie aus ihrer goldenen Fassung auszubrechen. Ich that es, dann wickelten wir jeden Edelstein in ein Stückchen Papier, und näheten sie dem Papst und dem Cavlier in die Falten der Kleider. Sie gaben mir darauf das Gold, das ohngefähr zweyhundert Pfund betrug, mit dem Auftrag, es aufs heimlichste zu verschmelzen. Ich ging hinauf zum Engel, wo mein Zimmer war, das ich verschliessen konnte, und erbaute sogleich einen Windofen, richtete unten einen ziemlich grossen Aschenheerd ein; oben lag das Gold auf Kohlen, und fiel, so wie es schmolz, in den Heerd herunter.
Indessen der Ofen arbeitete, passte ich beständig auf, wie ich dem Feind einen Abbruch thun könnte, und richtete in den Trancheen grossen Schaden an. Gegen Abend kam einer sehr schnell auf einem Maulthier geritten, der mit den Leuten in der Tranchee sprach; ich und die meinigen schossen so gut, daß das Maulthier todt zur Erde fiel, und der Reuter verwundet weggetragen wurde. Darauf entstand ein grosser Tumult in den Laufgräben und ich feuerte noch einige Mal hin. Es war der Prinz von Oranien, den sie bald darauf in ein nahes Wirthshaus trugen, und in kurzem versammelte sich daselbst der ganze Adel des Kriegsheeres.
Kaum hatte der Papst die That vernommen, als er mich rufen ließ und sich näher erkundigte. Ich erzählte ihm den Fall und fügte hinzu, es müsse ein Mann von grosser Bedeutung seyn, weil sich in dem gedachten Wirthshause alles versammle. Der Papst, dem dieß zu einem guten Gedanken Anlaß gab, ließ Herrn Santa Croce rufen und sage, er solle uns andern Bombardieren befehlen, unser Geschütz auf gedachtes Haus zu richten, und wir sollten auf das Zeichen eines Flintenschusses sämmtlich auf einmal loßschiessen, wodurch das Haus zusammen stürzen und die Häupter des feindlichen Heeres umkommen würden. Die Soldaten ohne Anführer würden sich alsdann zerstreuen, und so würde Gott sein Gebet erhöhren, das er so eifrig thue, ihn von diesen Räubern zu befreyen. Wir richteten unser Geschütz nach dem Befehl des Herrn Santa Croce und erwarteten das Zeichen.
Dieses vernahm der Cardinal Orsino und fing an, sich mit dem Pabste zu streiten. Man solle, sagte er, einen solchen Schlag nicht so leichtsinnig thun, sie wären eben im Begriff eine Capitulation zu schliessen, und die Truppen, wenn sie keine Anführer hätten, würden erst recht unbändig werden und das Castell stürmen, darüber denn alles zu Grunde gehen müßte. Der arme Pabst, in Verzweiflung sich von innen und aussen verrathen zu sehen, wiederrief seinen Befehl, ich aber konnte mich nicht halten, gab Feuer und traf einen Pfeiler des Hofes, an den sich viele Personen lehnten; ich muß ihnen dadurch viel Schaden zugefügt haben, denn sie verliessen das Haus. Der Cardinal Orsino schwur, daß er mich wollte hängen, oder auf irgend eine Weise umbringen lassen, aber der Papst vertheidigte mich sehr lebhaft.
Sobald das Gold geschmolzen war, trug ich es zum Papste, er dankte mir aufs beste, und befahl dem Cavalier, daß er mir fünf und zwanzig Scudi geben solle, entschuldigte sich zugleich, daß er gegenwärtig nicht mehr entbehren könne.
Wenig Tage darauf kam die Capitulation zu Stande und ich machte mich mit Herrn Oratio Baglioni auf den Weg nach Perugia, wo mir derselbe die Compagnie übergeben wollte. Ich mochte sie aber damals nicht annehmen, sondern verlangte meinen Vater zu besuchen und meine Verbannung von Florenz abzukaufen. Herr Oratio, der eben in Florentinische Dienste getreten war, empfahl mich einem ihrer Abgeordneten, als einen von den seinigen, und so eilte ich mit einigen andern Gesellen in die Stadt. Die Pest wüthete gewaltsam in derselben und meine Ankunft machte dem alten Vater grosse Freude, er glaubte, ich sey bey der Verheerung Roms umgekommen oder würde doch wenigstens nackt zu ihm zurückkehren. Schnell erzählte ich ihm die Teufeleien von der Verheerung und Plünderung und steckte ihm eine Anzahl Scudi in die Hand, die ich auch auf gut soldatisch gewonnen hatte, und nachdem wir uns genug geliebkoßt, giengen wir zu den Achten, um den Bann abzukaufen. Es war derselbige Mann noch darunter, der mich ehemals verdammt und meinem Vater die harten Worte gesagt hatte. Mein Alter ließ nicht undeutlich merken, daß die Sache jetzt ganz anders stehe, und bezog sich auf die Protection des Herrn Oratio mit nicht weniger Zufriedenheit. Ich ließ mich dadurch verleiten ihm zu erzählen, daß Herr Oratio mich zum Hauptmann erwählt habe, und daß ich nun daran denken müsse, die Compagnie zu übernehmen. Mein Vater, über diese Eröfnung bestürzt, bat mich um Gottes Willen, von diesem Vorsatz abzulassen; er wisse zwar, daß ich hierzu wie zu grössern Dingen geschickt sey; sein anderer Sohn, mein Bruder sey aber schon ein so braver Soldat, und ich möchte doch die schöne Kunst, die ich so viele Jahre getrieben, nicht auf einmal hintansetzen. Er traute mir nicht, ob ich gleich versprach ihm zu gehorchen, denn als ein kluger Mann sah er wohl ein, daß, wenn Herr Oratio käme, ich, sowohl um mein Versprechen zu erfüllen, als auch aus eigner Neigung, mich in den Krieg begeben würde, und so suchte er mich auf eine gute Art von Florenz zu entfernen. Er gab mir bey der entsetzlichen Pest seien Angst zu bedenken, er fürchte immer mich angesteckt nach Hause kommen zu sehen, er erinnere sich in seiner Jugend einige Jahre in Mantua sehr wohl aufgenommen und vergnügt gewesen zu seyn; er beschwur mich je eher je lieber dorthin zu gehen, und der ansteckenden Seuche auszuweichen. Ich war niemals in Mantua gewesen und mochte überhaupt gern die Welt sehen, daher entschloß ich mich zu reisen, ließ den größten Theil meines Geldes dem Vater und empfahl ihn der Sorge einer Schwester, die Cosa hieß, und die, da sie sich zum ehelichen Stand nicht entschliessen konnte, als Nonne in das Kloster St. Orsula gegangen war. Sie sorgte dabey für den alten Vater, und nahm sich einer jüngern Schwester an, die an einen Bildhauer verheirathet war. So empfing ich meines Vaters Seegen und machte auf einem guten Pferde den Weg nach Mantua.
Ich hätte viel zu erzählen, wenn ich beschreiben wollte, wie es mir unterweges gegangen ist; denn die Welt war voll Pest und Krieg, so daß ich diese kleine Reise nur mit vieler Schwierigkeit zurücklegte.
Sobald ich anlangte sah ich mich nach Arbeit um, und ward von Meister Nikolaus von Mailand, dem Goldschmiede des Herzogs, aufgenommen. Einige Tage hernach ging ich den trefflichen Julius Roman zu besuchen, den ich von Rom aus kannte, der mich auf das freundlichste empfing und übel nahm, daß ich nicht bey ihm abgestiegen war. Er lebte als ein grosser Herr und baute für den Herzog, aussen vor der Stadt, ein herrliches Werk, das man noch immer bewundert.
Julius säumte nicht, mit dem Herzog von mir aufs ehrenvollste zu sprechen, der mir auftrug ein Modell zu machen, zu einem Kästchen, um das Blut Christi darin aufzunehmen, von welchem sie sagen, daß Longin es gebracht habe. Darauf wendete er sich zu Herrn Julius und sagte: er möchte mir eine Zeichnung zu gedachter Arbeit machen. Darauf antwortete Herr Julius: Benvenuto ist ein Mann, der keiner fremden Zeichnung bedarf, und sie werden es, Gnädiger Herr, selbst beurtheilen, wenn Sie sein Modell sehen werden. Ich machte also zuerst eine Zeichnung für das Reliquienkästchen, in welches man die Ampulle bequem setzen konnte. Dann machte ich ein Modellchen von Wachs für eine Figur oben darauf; sie stellte einen sitzenden Christus vor, der in der linken erhöhten Hand ein Creutz hielt, woran er sich lehnte; mit der rechten schien er die Wunde der Brust zu eröfnen. Dieses Modell gefiel dem Herzog ausserodentlich, er bezeugte mir darüber die größte Gunst und gab mir zu verstehen, daß er mich in seinem Dienste zu behalten wünschte.
Indessen hatte ich seinem Bruder dem Cardinal meine Aufwartung gemacht; dieser erbat sich von dem Herzog, daß ich ihm sein grosses Siegel machen dürfte, welches ich auch anfing. Unter der Arbeit überfiel mich das viertägige Fieber und der Paroxismus machte mich jederzeit rasend; da verfluchte ich Mantua und seinen Herrn und jeden, der da zu verweilen Lust hatte. Diese Worte wurden dem Herzog durch einen Goldschmied hinterbracht, der ungern sahe, daß der Fürst sich meiner bediente; und über diese meine kranken Worte zürnte der Herr mit mir, ich war auf seine Residenz verdrießlich, und wir hegten also beyde einen Groll gegen einander. In vier Monaten hatte ich mein Siegel geendigt, so wie andere kleine Arbeiten für den Herzog, unter dem Nahmen des Cardinals. Dieser bezahlte mich reichlich, bat mich aber, daß ich nach Rom in jenes herrliche Vaterland zurückkehren möchte, wo wir uns erst gekannt hatten.
Mit einer guten Summe Scudi verreiste ich von Mantua, und kam nach Governo, wo der tapfre Herr Johann von Medicis umgekommen war. Hier ergriff mich ein kleiner Fieberanfall, der aber meine Reise nicht verhinderte, denn die Krankheit blieb an dem Ort, und war mir nicht wieder beschwerlich.
In Florenz eilte ich sogleich nach meines Vaters Haus und klopfte stark an; da guckte ein tolles, bucklichtes Weib aus dem Fenster, hieß mich mit vielen Scheltworten fortgehen und betheuerte, daß ich angesteckt sey. Ich sagte darauf: verruchter Buckel! ist niemand anders im Hause als du, so solls dein Unglück seyn. Laß mich nicht länger warten, rief ich mit lauter Stimme. Über diesem Lärm kam eine Nachbarin heraus, die mir sagte, mein Vater und alle vom Hause seyen gestorben, meine jüngere Schwester Liberata, die auch ihren Mann verlohren habe, sey nur noch allein übrig, und sey von einer frommen Dame aufgenommen worden. Ich hatte schon so etwas vermuthet, und erschrack deßwegen weniger.
Unterweges nach dem Wirthshause fand ich zufälliger Weise einen Freund, an dessen Haus ich abstieg. Wir gingen darauf auf den Markt, wo ich erfuhr, daß mein Bruder noch lebte, und sich bey einem Bekannten aufhielt. Wir suchten ihn sogleich auf, und hatten beyde unendliche Freude uns wieder zu sehen, denn jedem war die Nachricht von des andern Tod zugekommen. Alsdann lachte er, nahm mich bey der Hand und sagte: Komm! ich führe dich an einen Ort, den du nicht vermuthest, ich habe Schwester Liberaten wieder verheirathet, sie hält dich auch für todt. Unterweges erzählten wir einander die lustigsten Geschichten, die uns begegnet waren, und als wir zu meiner Schwester kamen, war sie über die unerwartete Neuigkeit dergestalt ausser sich, daß sie mir ohnmächtig in die Arme fiel. Niemand sprach ein Wort, und der Mann, der nicht wußte, daß ich ihr Bruder war, verstummte gleichfalls. Mein Bruder erklärte das Räthsel, man kam der Schwester zu Hülfe, die sich bald wieder erhohlte, und nachdem sie den Vater, die Schwester, den Mann und einen Sohn ein wenig beweint hatte, machte sie das Abendessen zurecht. Wir feyerten auf das anmuthigste ihre Hochzeit und sprachen nicht mehr von Todten, sondern waren lustig und froh, wie es sich bey einem solchen Feste geziemet.
Bruder und Schwester baten mich gar sehr in Florenz zu bleiben, und mich von meiner Lust nach Rom zu gehen nicht hinreissen zu lassen. Auch mein alter Freund, Peter Landi, der mir in meinen Verlegenheiten so treulich beygestanden hatte, rieth mir in meiner Vaterstadt zu verweilen, um zu sehen, wie die Sachen abliefen; denn man hatte die Medicis wieder verjagt, und zwar Herrn Hippolit, der nachher Cardinal, und Herrn Alexander, der Herzog ward. Ich fing an auf dem neuen Markt zu arbeiten, fasste viel Juwelen und gewann ein ansehnliches Geld.
Zu der Zeit war ein Sameser, Mazetti genannt, aus der Türkey, wo er sich lange aufgehalten hatte, nach Florenz gekommen; er bestellte bey mir eine goldene Medaille am Hute zu tragen. Er war ein Mann von lebhaftem Geist und verlangte, ich solle ihm einen Herkules machen, der dem Löwen den Rachen aufreißt. Ich schritt zum Werke, und Michelagnolo Buonarotti kam, meine Arbeit zu sehen, und, theils weil ich mir alle Mühe gegeben hatte, die Stellung der Figur und die Bravour des Löwen auf eine ganz andere Weise als meine Vorgänger abzubilden, theils auch, weil die Art zu arbeiten dem göttlichen Michelagnolo gänzlich unbekannt war, rühmte er mein Werk aufs höchste, so, daß bey mir das Verlangen, etwas wichtiges zu machen, auf das äusserste vermehrt wurde. Darüber ward mir das Juwelenfassen verleidet, so viel Geld es mir auch eintrug.
Nach meinem Wunsche bestellte bey mir ein junger Mann, Nahmens Friedrich Ginori, gleichfalls eine Medaille; er war von erhabenem Geiste, war viele Jahre in Neapel gewesen, und hatte sich daselbst, als ein Mann von schöner Gestalt und Gegenwart in eine Prinzessin verliebt. Er wollte den Atlas, mit der Himmelskugel auf dem Rücken, vorgestellt haben, und bat den göttlichsten Michelagnolo, ihm eine kleine Zeichnung zu machen. Dieser sagte: gehet zu einem gewissen jungen Goldschmied, der Benvenuto heißt, euch gut bedienen wird und meine Zeichnung nicht braucht; damit ihr aber nicht denkt, daß ich euch in einer solchen Kleinigkeit nicht gefällig seyn wolle, will ich euch eine Zeichnung machen, Benvenuto mag indessen ein Modell bossiren und das beste kann man alsdann ins Werk setzen. Friedrich Ginori kam zu mir und sagte mir seinen Willen, zugleich auch, wie sehr Michelagnolo mich gelobt hatte. Da ich nun vernahm, daß ich ein Wachsmodell machen sollte, indessen der treffliche Mann zeichnete, gab mir das einen solchen Trieb, daß ich mit der größten Sorgfalt mich an die Arbeit machte. Da sie geendigt war, brachte mir ein genauer Freund des Michelagnolo, der Mahler Bugiardini, die Zeichnung des Atlas, alsdann zeigte ich ihm und Juliano mein Modell, das ganz verschieden von der Zeichnung des grossen Mannes war, und beyde beschlossen, daß das Werk nach meinem Modell gemacht werden sollte. So fing ich es an, Michelagnolo sah es und ertheilte mir und dem Werk das größte Lob. Die Figur war aus Goldblech getrieben und hatte den Himmel als eine Cristallkugel auf dem Rücken, auf welcher der Thierkreiß eingeschnitten war. Beydes hatte einen Grund von Lapis Lazuli und nahm sich äusserst reitzend aus. Unten standen die Worte: Summam tulisse juvat. Ginori war sehr zufrieden, bezahlte mich aufs freygebigste, und machte mir die Bekanntschaft von Herrn Ludwig Alamanni, der sich eben in Florenz aufhielt, brachte ihn oft in mein Haus und war Ursache, daß ich mir dieses trefflichen Mannes Freundschaft erwarb.
Indessen hatte der Pabst Clemens der Stadt Florenz den Krieg angekündigt. Man bereitete sich zur Vertheidigung, und in jedem Quartier richtete man die Bürgermiliz ein. Ich equipirte mich reichlich und ging mit den größten Florentinischen von Adel um, die sich sehr bereit und einig zur Vertheidigung der Stadt zeigten. Nun fanden sich die jungen Leute mehr als gewöhnlich zusammen und man sprach von nichts, als von diesen Anstalten. Einmal um die Mittagsstunde stand eine Menge solcher Menschen und die ersten jungen Edelleute um meine Werkstatt, als ich einen Brief von Rom bekam. Es schrieb mir ihn ein Mann, den man Meister Jacob vom Kahn nannte und zwar deßwegen, weil er zwischen der Engelsbrücke und Ponte Sisto die Leute mit einem Kahn übersetzte. Dieser Meister Jacob war ein sehr gescheider Mann und führte die gefälligsten und geistreichsten Reden. Er war ehemals in Florenz ein Verleger beym Tuchmacherhandwerk gewesen, Papst Clemens war ihm sehr günstig und hörte ihn gerne reden. Als er sich eines Tages mit ihm unterhielte, kamen sie auch auf die Belagerung der Engelsburg zu reden, der Papst sagte viel gutes von mir, und fügte hinzu, wenn er wüßte wo ich wäre, möchte er mich wohl wieder haben. Meister Jacob sagte: ich sey in Florenz, der Pabst trug ihm auf mich einzuladen, und nun schrieb er mir: ich sollte wieder Dienste beym Papst nehmen und es würde mein Glück seyn.
Die jungen Leute wollten wissen, was der Brief enthalte, und ich verbarg ihn so gut ich konnte, schrieb an Meister Jacob und bat ihn, er möchte mir weder im bösen, noch im guten schreiben, und mich mit seinen Briefen verschonen. Darauf ward seine Begierde nur noch grösser, und er schrieb mir einen andern Brief, der so ganz und gar das Maas überschritt, daß es mir übel bekommen wäre, wenn ihn jemand gesehen hätte. Es ward mir darinn im Nahmen des Papstes gesagt: daß ich sogleich kommen solle! Meister Jacob meinte dabey: ich thäte wohl, wenn ich alles stehen und liegen liesse und mich nicht mit den rasenden Narren gegen den Pabst auflehnte. Der Anblick dieses Briefs erregte in mir eine solche Furcht, daß ich schnell meinen lieben Freund Landi aufzusuchen eilte; er sah mich mit Verwunderung an, und fragte was ich habe? da ich ihm so sehr in Bewegung schien. Ich sagte, daß ich ihm mein Anliegen nicht eröfnen könnte, ich bat ihn nur die Schlüssel zu nehmen, die ich ihm überreichte, und daß er Edelgesteine und Gold, diesem und jenem, den er auf meinem Buch würde geschrieben finden, zurückgeben sollte. Dann möchte er meine Sachen zu sich nehmen und sie nach seiner gewöhnlichen liebevollen Art verwahren, in wenig Tagen wollte ich ihm melden, wo ich mich befände. Vielleicht stellte er sich selbst die Sache ohngefähr vor und sagte: Lieber Bruder! eile nur jetzt, dann schreibe mir, und wegen deiner Sachen sey völlig unbesorgt. So that ich denn auch, ich hatte recht mich ihm zu vertrauen, denn er war der treueste, der weiseste, der redlichste, der verschwiegenste und der liebevollste Freund, den ich jemals gehabt habe.
Von Rom aus gab ich ihm sogleich Nachricht. Ich hatte daselbst einen Theil meiner alten Freunde gefunden, von denen ich aufs beste aufgenommen ward. Ein alter Goldschmied, Raphael del Moro genannt, berühmt in seiner Kunst, und übrigens ein braver Mann, lud mich ein in seiner Werkstatt zu arbeiten und ihm an einigen wichtigen Werken zu helfen, wozu ich mich gern entschloß und einen guten Verdienst hatte.
Schon über zehen Tage war ich in Rom und hatte mich noch nicht bey Meister Jacob sehen lassen; er begegnete mir von ohngefähr, empfieng mich sehr gut und fragte, wie lange ich in Rom sey? Als ich ihm sagte, ohngefähr vierzehen Tage, nahm er es sehr übel und sagte mir: es schien, daß ich mir aus einem Papste wenig mache, der mir schon dreymal habe angelegentlich schreiben lassen. Eben diese verwünschten Briefe hatten mich in Verdruß und Verlegenheit gesetzt, ich war böse darüber, und gab ihm keine Antwort. Dieser Mann war unerschöpflich in Worten, es strömte nur so aus dem Munde, ich wartete, bis er müde war, und sagte dann ganz kurz: er möchte mich nur gelegentlich zum Papste führen; darauf antwortete er: es sey immer Zeit und ich versicherte ihn, daß ich immer bereit sey. So gingen wir nach dem Pallaste, es war am grünen Donnerstage, und wir wurden in die Zimmer des Papstes, er als bekannt und ich als erwartet, sogleich eingelassen.
Der Papst, nicht ganz wohl, lag im Bette, Herr Jacob Salviati und der Erzbischoff von Capua waren bey ihm. Er freute sich ausserordentlich mich wieder zu sehen, ich küßte ihm die Füsse, und so bescheiden als möglich trat ich etwas näher, und gab ihm zu verstehen, daß ich etwas von Wichtigkeit ihm zu eröfnen hätte. Er winkte mit der Hand und die beyden Herrn traten weit hinweg. Sogleich fing ich an: Heiligster Vater! seit der Plünderung habe ich weder beichten noch communiciren können, denn man willl mir die Absolution nicht ertheilen. Der Fall ist der. Als ich das Gold schmolz, und die Mühe übernahm, die Edelsteine auszubrechen, befahl Eure Heiligkeit dem Cavalier, daß er mir etwas weniges für meine Mühe reichen solle; ich erheilt aber nichts von ihm, vielmehr hat er mir unfreundliche Worte gegeben. Ich ging hinauf, wo ich das Gold geschmolzen hatte, durchsuchte die Asche, und fand ohngefähr anderthalb Pfund Gold in Körnern, so groß wir Hirsen. Nun hatte ich nicht so viel Geld, um mit Ehren nach Hause zu kommen, ich dachte mich dieses Goldes zu bedienen und den Werth zurück zu geben, sobald ich im Stande wäre. Nun bin ich hier zu den Füssen Eurer Heiligkeit, des wahren Beichtigers, erzeigen Sie mir die Gnade mich frey zu sprechen, damit ich beichten und communiciren könne und durch die Gnade Eurer Heiligkeit auch die Gnade Gottes wieder erlangen möge.
Darauf versetzte der Papst mit einem stillen Seufzer, vielleicht daß er dabey seiner vergangenen Noth gedachte: Benvenuto, ich bin gewiss, daß du die Wahrheit redest, ich kann dich von allem was du irgend begangen hast frey sprechen, und ich will es auch; deßwegen bekenne mir frey und offenherzig alles, was du auf dem Herzen hast, und wenn es den Werth einer meiner Kronen ausmachte, so bin ich ganz bereit, dir zu verzeihen.
Darauf antwortete ich: mehr war es nicht, als was ich gesagt habe, denn es war nicht gar der Werth von hundert und fünfzig Ducaten; so viel zahlte man mir in der Münze von Perugia davor, und ich ging damit meinen armen Vater zu trösten.
Der Papst antwortete: dein Vater war ein geschickter, guter und braver Mann und du wirst auch nicht ausarten; es thut mir leid, daß es nicht mehr war, aber das, was du angiebst, schenke ich dir, und verzeihe dir. Sage das deinem Beichtvater und wenn er Bedenken hat, so soll er sich an mich selbst wenden. Hast du gebeichtet und communicirt, so laß dich wieder sehen, es soll deine Schade nicht seyn.
Da ich mich vom Papste zurückzog, traten Meister Jacob und der Erzbischoff von Capua herbey. Der Papst sagte sehr viel gutes von mir, und erzählte, daß er mich Beichte gehört und loßgesprochen habe; dannn sagte er dem Erzbischoff: er solle nach mir schicken und hören, ob ich sonst noch etwas auf dem Herzen hätte, auch mich in allem absolviren, wozu er ihm vollkommene Gewalt gebe, und solle mir überhaupt so freundlich seyn als möglich.
Indem wir weggingen, fragte mich Meister Jacob sehr neugierig, was für Geheimnisse und für lange Unterhaltung ich mit dem Papst gehabt hätte? worauf ich ihm antwortete, daß ich es weder sagen wollte noch könnte, und daß er mich nicht weiter fragen sollte.
Ich that alles, was mir der Papst befohlen hatte, und als die beyden Festtage vorbey waren, ging ich ihn zu besuchen. Er war noch freundlicher als das erstemal und sagte: wenn du ein wenig früher nach Rom kamest, so ließ ich dich die zwey Cronen machen, die wir im Castell ausgebrochen haben; aber ausser der Fassung der Juwelen gehört wenig Geschicklichkeit dazu, und ich will dich zu einer ganz andern Arbeit brauchen, wo du zeigen kannst, was du verstehst. Es ist der Knopf von dem Pluvial, der in Gestalt eines mässigen Tellers von einer halben auch einer Drittel Elle im Durchschnitt gemacht wird; darauf will ich einen Gott Vater in halb erhabener Arbeit sehen, und in der Mitte des Werks soll mein schöner Diamant, mit vielen andern kostbaren Edelsteinen angebracht werden. Caradosso hat schon einen angefangen und wird niemals fertig, den deinigen mußt du bald enden, denn ich will auch noch einige Freude daran haben. So gehe nun und mache ein schönes Modell; er ließ mir darauf die Juwelen zeigen, und ich ging ganz vergnügt hinweg.
Indessen, daß Florenz belagert ward, starb Friedrich Ginori, dem ich die Medaille des Atlas gemacht hatte, an der Schwindsucht und das Werk kam in die Hände des Herrn Ludwig Alamanni, der kurze Zeit darauf nach Frankreich ging und dasselbe, mit einigen seiner Schriften, dem Könige Franz dem Ersten verehrte. Die Medaille gefiel dem Könige ausserordentlich, und der treffliche Herr Almanni sprach mit Ihrer Majestät so günstig von mir, daß der König seinen Wunsch bezeigte, mich kennen zu lernen.
Indessen arbeitet eich mit größtem Fleiß an dem Modell, das ich so groß machte, wie das Werk selbst werden sollte. Nun rührten sich bey dieser Gelegenheit viele unter den Goldschmieden, die sich für geschickt hielten, ein solches Werk zu unternehmen. Es war auch ein gewisser Micheletto nach Rom gekommen, sehr geschickt im Steinschneiden und Goldarbeiten; er war ein alter Mann, hatte grossen Ruf und war der Mittelsmann bey der Arbeit der zwey Päbstlichen Kronen geworden. Da ich nun gedachtes Modell machte, verwunderte er sich sehr, daß ich ihn darum nicht begrüßte, da er doch die Sache verstand und bey dem Papst viel zu gelten sich bewußt war. Zuletzt, da er sahe, daß ich nicht zu ihm kam, besuchte er mich und fragte, was ich mache? – Was mir der Papst befohlen hat, antwortete ich. Nun versetzte er, der Papst hat mir befohlen alles anzusehen, was für Seine Heiligkeit gemacht wird. Dagegen sagte ich, ich würde den Papst darüber fragen und von ihm selbst erfahren, wem ich Rede und Antwort zu geben hätte. Er sagte, es werde mich reuen, ging erzürnt weg und berief die ganze Gilde zusammen. Sie wurden eins, daß er die Sache einleiten solle. Darauf ließ er, als ein kluger Mann, von geschickten Zeichnern über dreyssig Zeichnungen machen, alle denselben Gegenstand, jedesmal mit Veränderungen, darstellend. Weil er nun von seiner Seite das Ohr des Papstes hatte, verband er sich noch mit einem andern, der Pompeo hieß, einem Verwandten des Herrn Trajano, des ersten und sehr begünstigten Kämmeriers des Papstes. Beyde fingen an mit dem Papst zu sprechen, sie hätten, sagten sie, mein Modell gesehen, aber es schien ihnen nicht, daß ich zu so einer wichtigen Unternehmung der Mann sey. Darauf antwortete der Papst, er wolle es auch sehen, und wenn ich nicht fähig sey, wolle er sich nach einem bessern umthun. Sie sagten, daß sie schöne Zeichnungen von demselbigen Gegenstande besäßen. Der Pabst sagte darauf: das wäre ihm sehr lieb, nur möchten sie warten, bis ich mein Modell geendigt hätte, dem wolle er alles zusammen ansehn.
Nach einigen Tagen hatte ich mein Modell fertig, und trug es eines Morgens zum Papst hinauf; Trajano ließ mich warten, und schickte schnell nach Micheletto und Pompeo, mit der Anweisung, sie sollten ihre Zeichnungen bringen. Sie kamen, und wir wurden zusammen hineingelassen. Sogleich legten beyde dem Pabst die Zeichnungen sehr emsig vor; aber die Zeichner, die nicht zugleich Goldschmiede waren, hatten die Juwelen nicht geschickt angebracht, und die Goldschmiede hatten ihnen darüber keine Anweisungen gegeben. Denn das ist eben die Ursache, warum ein Goldschmied selbst muß zeichnen können, um, wenn Juwelen mit Figuren zu verbinden sind, dieses mit Verstand zu machen. Alle diese Zeichner hatten den grossen Diamanten auf der Brust Gott Vaters angebracht. Dem Papste, der einen sehr guten Geschmack hatte, konnte das keinesweges gefallen, und da er ohngefähr zehen Zeichnungen gesehen hatte, warf er die übrigen auf die Erde und sagte zu mir, der ich an der Seite stand: zeig einmal dein Modell her, Benvenuto, damit ich sehe, ob du auch in demselbigen Irrthum bist wie diese.
Als ich herbey trat, und meine runde Schachtel öfnete, schien es als wenn eigentlich dem Papste etwas in die Augen glänzte, darauf er mit lebhafter Stimme sagte: Wenn du mir im Leibe gesteckt hättest, so hättest du es nicht anders machen können als ichs sehe. Jene haben sich gar nicht in die Sache finden können. Es traten viele grosse Herren herbey und der Papst zeigte den Unterschied zwischen meinem Modell und ihren Zeichnungen. Als er mich genug gelobt, und die andern beschämt hatte, wendete er sich zu mir und sagte: Es ist denn doch dabey noch eine Schwierigkeit zu bedenken, das Wachs ist leicht zu arbeiten, aber das Werk von Gold zu machen, das ist die Kunst. Darauf antwortete ich kecklich: Heiliger Vater! Wenn ich es nicht zehnmal besser als mein Modell mache, so sollt Ihr mir nichts dafür bezahlen. Darüber entstand eine grosse Bewegung unter den Herren, und sie behaupteten, daß ich zu viel verspräche. Unter ihnen aber war einer ein großer Philosoph, der zu meinen Gunsten sprach und sagte: wie ich an diesem jungen Mann eine gute Symmetrie seines Körpers und seine Physiognomie wahrnehme, so verspreche ich mir viel von ihm. Und ich glaube es auch, sagte der Papst. Darauf rief er dem Kämmerier Trajano und sagte, er sollte fünfhundert Goldducaten bringen.
Indessen, als man das Geld erwartete, besah der Papst nochmals mit mehr Gelassenheit, wie glücklich ich den Gott Vater mit dem Diamanten zusammengestellt hatte. Den Diamanten hatte ich grade in die Mitte des Werks angebracht, und darüber saß die Figur, mit einer leichten Bewegung, wodurch der Edelstein nicht bedeckt wurde, vielmehr eine angenehme Übereinstimmung sich zeigte. Die Gestalt hub die rechte Hand auf um den Segen zu ertheilen. Unter den Diamanten hatte ich drey Knaben angebracht, der mittelste war ganz und die beyden andern nur halb erhoben, um sie her waren eine Menge anderer Knaben mit schönen Edelsteinen in ein Verhältniß gebracht; übrigens hatte Gott Vater einen Mantel, welcher flog, und aus welchem viele Kinder hervorkamen. Dabey waren andere schöne Zierrathen, die dem ganzen ein sehr schönes Ansehen gaben. Die Arbeit war aus einer weissen Masse auf einem schwarzen Steine gearbeitet. Als das Geld kam, überreichte es mir der Papst mit eigner Hand, und ersuchte mich, ich sollte nach seinem Geschmack und seinem Willen arbeiten, das werde mein Vortheil seyn.
Ich trug das Geld und das Modell weg und konnte nicht ruhen, bis ich an die Arbeit kam, ich blieb mit grosser Sorgfalt darüber, als mir, nach acht Tagen, der Papst durch einen seiner Kämmerier, einen Bolognesischen Edelmann, sagen ließ: ich möchte zu ihm kommen und meine Arbeit so weit sie wäre mitbringen. Indessen wir auf dem Wege waren, sagte mir dieser Kämmerier, der die gefälligste Person an dem ganzen Hofe war, daß der Papst nicht sowohl meine Arbeit sehen, als mir ein anderes Werk von der größten Bedeutung übergeben wolle, nehmlich die Stempel zu den Münzen, die in Rom geprägt werden sollten; ich möchte mich bereiten, Ihrer Heiligkeit zu antworten, deßwegen habe er mich davon unterrichtet.
Ich kam zum Papst, und zeigte ihm das Goldblech, worauf schon Gott Vater im Umriß eingegraben war, welche Figur, auch nur so angelegt, schon mehr bedeuten wollte, als das Wachsmodell, so daß der Papst erstaunt ausrief: Von jetzt an will ich dir alles glauben, was du sagst, und ich will dir hiezu noch einen andern Auftrag geben, der mir so lieb ist wie dieser und lieber; das wäre, wenn du die Stempel zu meinen Münzen übernehmen wolltest. Hast du jemals dergleichen gemacht, oder hast du Lust, so etwas zu machen?
Ich sagte, daß es mir dazu an Muth nicht fehle, daß ich auch gesehen habe, wie man sie machte, daß ich aber selbst noch keine gemacht hätte. Bey diesem Gespräch war ein gewisser Giovanni da Prato gegenwärtig, der Secretair bey Ihrer Heiligkeit und ein grosser Freund meiner Feinde war. Er sagte: Heiligster Vater! bey der Gunst, die Ihro Heiligkeit diesem jungen Manne zeigen, wird er, der von Natur kühn genug ist, alles möglich versprechen. Ich sorge, daß der erste wichtige Auftrag, den ihm Ihro Heiligkeit gegeben, durch den zweyten, der nicht geringer ist, leiden werde.
Der Papst kehrte sich erzürnt zu ihm und sagte: er solle sich um sein Amt bekümmern und zu mir sprach er: ich sollte zu einer goldenen Doppie das Modell machen; darauf wolle er einen nackten Christus mit gebundenen Händen sehen, mit der Umschrift: Ecce homo. Auf der Rückseite sollte ein Papst und ein Kaiser abgebildet seyn, die ein Creutz, das eben fallen will, aufrichten, mit der Unterschrift: Unus spiritus et una fides erat in eis.
Als mir der Papst diese schöne Münze aufgetragen hatte, kam Bandinello, der Bildhauer, hinein, er war damals noch nicht zum Cavalier gemacht, und sagte mit seiner gewohnten anmaßlichen Unwissenheit: diesem Goldschmiede muß man zu solchen schönen Arbeiten die Zeichnungen machen. Ich kehrte mich schnell zu ihm und sagte: ich brauche zu meiner Kunst seine Zeichnungen nicht; ich hoffe aber mit meiner Arbeit und meinen Zeichnungen ihm künftig im Wege zu seyn. Der Pabst, dem diese Worte sehr zu gefallen schienen, wendete sich zu mir und sagte: geh’ nur, Benvenuto, diene mir eifrig und laß die Narren reden. So ging ich geschwind weg und schnitt zwey Formen mit der größten Sorgfalt, prägte sogleich eine Münze in Gold aus, und eines Tages, es war an einem Sonntag nach Tische, trug ich die Münze und die Stempel zum Papste. Da er sie sah, war er erstaunt und zufrieden, sowohl über die Arbeit, die ihm ausserordentlich gefiel, als über die Geschwindigkeit, mit der ich ihn befriedigt hatte. Darauf ich, um die gute Wirkung meiner Arbeit zu vermehren, die alten Münzen vorzeigte, die von braven Leuten für die Päpste Julius und Leo gemacht worden waren. Da ich nun sahe, daß ihm die meinigen über die Maasen wohlgefeilen, zog ich einen Aufsatz aus dem Busen, in welchem ich bat: daß das Amt eines Stempelschneiders bey der Münze mir übertragen werden möchte, welches monatlich sechs Goldgulden eintrug; ausserdem wurden die Stempel noch vom Münzmeister bezahlt. Der Papst nahm meine Bittschrift, gab sie dem Secretair und sagte: Er solle sie sogleich ausfertigen, dieser wollte sie in die Tasche stecken und sage: Ew. Heiligkeit eile nicht so sehr! das sind Dinge, die einige Überlegung verdienen. Das Papst versetzte: ich versteh’ euch schon, gebt das Papier mir her. Er nahm es zurück, unterzeichnete auf der Stelle und sagte: Ohne Widerrede fertigt mir sogleich aus, denn die Schuhe des Benvenuto sind mir lieber, als die Augen jener dummen Teufel. Ich dankte Ihro Heiligkeit, und ging fröhlich wieder an meine Arbeit.
Ich arbeitete immer in der Werkstatt des Raphael del Moro, dessen ich oben erwähnte. Dieser brave Mann hatte ein gar artiges Töchterchen, auf die ich ein Auge warf und sie zu heirathen gedachte, ich ließ mich aber nichts merken und war vielmehr so heiter und froh, daß sie sich über mich wunderten. Dem armen Kinde begegnete an der rechten Hand das Unglück, daß ihm zwey Knöchelchen am kleinen Finger und eines am nächsten angegriffen waren. Der Vater war unaufmerksam und ließ sie von einem unwissenden Medicasten curiren, der versicherte, der ganze rechte Arm würde dem Kinde steif werden, wenn nichts schlimmers daraus entstünde. Als ich den armen Vater in der größten Verlegenheit sah, sagte ich ihm, er solle nur nicht glauben, was der unwissende Mensch behauptete; darauf bat er mich, weil er weder Arzt noch Chirurgus kenne, so möchte ich ihm einen verschaffen. Ich ließ sogleich den Meister Jacob von Perugia kommen, einen trefflichen Chirurgus. Er sahe das arme Mädchen, das durch die Worte des unwissenden Menschen in die größte Angst versetzt war, sprach ihr Muth ein, und versicherte, daß sie den Gebrauch ihrer ganzen Hand behalten solle, wenn auch die zwey letzten Finger etwas schwächer als die übrigen blieben. Da er nun Hand anlegte, und etwas von den kranken Knochen wegnehmen wollte, rief mich der Vater, ich möchte doch bey der Operation gegenwärtig seyn. Ich sah bald, daß die Eisen des Meister Jacob zu stark waren, er richtete wenig aus, und machte dem Kinde grosse Schmerzen. Ich bat, er möchte nur eine Achtel-Stunde warten und inne halten. Ich lief darauf in die Werkstatt und machte vom feinsten Stahl ein Eischen, womit er hernach mit solcher Leichtigkeit arbeitete, daß sie kaum einigen Schmerz fühlte, und daß er in kurzer Zeit fertig war. Deßwegen, und wegen anderer Ursachen, liebte er mich mehr als seine beyden Söhne, und gab sich viele Mühe, das gute Mädchen zu heilen.
Ich hatte grosse Freundschaft mit einem Herrn Johann Gaddi, der Kämmerer des Papstes war und ein grosser Freund von Talenten, wenn er auch selbst keine hatte. Bey ihm waren immer die gelehrten Leute Johann Greco, Ludwig von Fano, Antonio Alegretti und auch Hannibal Caro, ein junger Fremder; Bastian von Venedig, ein trefflicher Mahler und ich. Wir fanden uns gewöhnlich des Tages Einmal bey ihm ein. Der gute Raphael wußte von dieser Freundschaft und ging deßwegen zum Herrn Johann Gaddi, und sagte zu ihm: Mein Herr! ihr kennet mich wohl, und da ich gern meine Tochter dem Benvenuto geben möchte, so wüßte ich mich an niemand besser, als an Eure Gnaden zu wenden. Darauf ließ der kurzsichtige Gönner den armen Mann kaum ausreden, und ohne irgend einen Anlaß in der Welt sagte er zu ihm: Raphael! denket mir daran nicht mehr, ihr seyd weiter von ihm entfernt als der Jenner von den Maulbeeren. Der arme niedergeschlagene Mann suchte schnell das Mädchen zu verheirathen, die Mutter und die ganze Familie machten mir böse Gesichter, ich wußte nicht was das heissen sollte und, verdrießlich, daß sie mir meine treue Freundschaft so schlecht belohnten, nahm ich mir vor, eine Werkstatt in ihrer Nachbarschaft zu errichten. Meister Johann sagte mir nichts, als bis das Mädchen nach einigen Monaten verheirathet war.
Ich arbeitete immer mit grosser Sorgfalt, mein Hauptwerk zu endigen und die Münze zu bedienen, als der Papst aufs neue mir einen Stempel zu einem Stücke von zwey Carlinen auftrug, worauf das Bildniß Seiner Heiligkeit, und auf der andern Seite Christus auf dem Meer, der St. Petern die Hand reicht, mit der Umschrift: quare dubitasti? Die Münze gefiel so ausserordentlich, daß ein gewisser Secretair des Papstes, ein trefflicher Mann, Sanga genannt, sagte: ew. Heiligkeit kann sich rühmen, daß sie eine Art Münze hat, wie die alten Kaiser mit aller ihrer Pracht nicht gesehen haben. Darauf antwortete der Papst: aber auch Benvenuto kann sich rühmen, daß er einem Kaiser meines gleichen dient, der ihn zu schätzen weiß. Nun war ich immer an der grossen goldnen Arbeit beschäftigt und ich zeigte sie oft dem Papste, der immer mehr Vergnügen daran zu empfinden schien.
Auch mein Bruder war um diese Zeit in Rom, und zwar in Diensten des Herzogs Alexanders, dem der Papst damals das Herzogthum Penna verschaft hatte, zugleich mit vielen jungen tapfern Leuten aus der Schule des ausserordentlichen Herrn Johann von Medicis, und der Herzog hielt so viel auf ihn, als auf irgend einen. Mein Bruder war eines Tages nach Tische unter den Bänken in der Werkstatt eines gewissen Bacino della Croce, wo alle die rüstigen Brüder zusammen kamen; er saß auf einem Stuhle und schlief. Zu der Zeit gingen die Häscher mit ihrem Anführer vorbey, und führten einen gewissen Capitän Cisti, der auch aus der Schule des Herrn Giovanni war, aber nicht bey dem Herzog in Diensten stand. Als dieser vorbey geführt wurde, sahe er den Capitän Cativanz Strozzi in der gedachten Werkstatt, und rief ihm zu: so eben wollt ich euch das Geld bringen, das ich euch schuldig bin; wollt ihr es haben, so kommt, ehe es mit mir ins Gefängniß spatziert. Capitän Cativanza hatte keine grosse Lust sich selbst aufs Spiel zu setzen, desto mehr, andere vorzuschieben, und weil einige von den tapfersten jungen Leuten gegenwärtig waren, die mehr Trieb als Stärke zu so grosser Unternehmung hatten, sagte er ihnen, sie sollten hinzu treten und sich vom Hauptmann Cisti das Geld geben lassen. Wollten die Häscher widerstehn, so sollten sie Gewalt brauchen, wenn sie Muth hätten. Es waren vier unbärtige junge Leute: der eine hieß Bertino Altrovandi, der andere Anquilotto von Lucca, der übrigen erinnere ich mich nicht. Bertin war der Zögling und der wahre Schüler meines Bruders, und dieser liebte ihn über die Maasen. Gleich waren die braven Jungen den Häschern auf dem Halse, die, mehr als vierzig stark mit Piken, Büchsen und grossen Schwerdtern zu zwey Händen bewaffnet einhergingen. Nach wenig Worten griff man zum Degen und hätte sich Capitän Cativanza nur ein wenig gezeigt, so hätten die jungen Leute das ganze Gefolge in die Flucht geschlagen, aber so fanden sie Widerstand und Bertino war tüchtig getroffen, so, daß er für todt zur Erden fiel. Auch Anquilotto war auf den rechten Arm geschlagen, so, daß er nicht mehr den Degen halten konnte, sondern sich so gut als möglich zurückziehen mußte. Bertino, gefährlich verwundet, ward aufgehoben.
Indessen diese Händel geschahen, waren wir andere zu Tische, denn man hatte diesmal eine Stunde später gegessen; der älteste Sohn stand vom Tische auf, um die Händel zu sehen. Ich sagte zu ihm: Govanni, ich bitte dich, bleib da! in dergleichen Fällen ist immer gewiss zu verliehren und nichts zu gewinnen; so vermahnte ihn auch sein Vater, aber der Knabe sah und hörte nichts, lief die Treppe hinunter und eilte dahin, wo das dickste Getümmel war. Als er sahe, daß Bertino aufgehoben wurde lief er zurück und begegnete Cecchino, meinem Bruder, der ihn fragte, was es gäbe? Der unverständige Knabe, ob er gleich von einigen gewarnt war, daß er meinem Bruder nichts sagen sollte, versetzte doch ganz ohne Kopf: die Häscher hätten Bertinen umgebracht. Da brüllte mein Bruder auf eine Weise, daß man es zehn Miglien hätte hören können, dann sagte er zu Giovanni: Kannst du mir sagen, wer mir ihn erschlagen hat? Der Knabe sagte: ja! es sey einer mit dem Schwerdt zu zwey Händen und auf der Mütze trüg er eine blaue Feder. Mein armer Bruder rannte fort, erkannte sogleich den Mörder am Zeichen, und mit seiner bewundernswerthen Schnelligkeit und Tapferkeit drang er in die Mitte des Haufens, und ehe ein Mensch sichs versah, stach er dem Thäter den Wanst durch und durch und stieß ihn mit dem Griff des Degens zur Erde. Alsdann wendete er sich gegen die andern, mit solcher Gewalt, daß er sie alle würde in die Flucht gejagt haben, hätte er sich nicht gegen einen Büchsenträger gewendet, der zu seiner Selbstvertheidigung loßdrückte, und den trefflichen, unglücklichen Knaben über dem Knie des rechten Fusses traf. Da er niederlag, machten sich die Häscher davon, denn sie fürchteten sich vor einem andern dieser Art.
Der Lärm dauerte immer fort und ich stand endlich vom Tische auf, schnallte meinen Degen an, wie denn damals jedermann bewaffnet ging, und kam zu der Engelsbrücke, wo ich einen grossen Zudrang von Menschen sah, einige, die mich kannten, machten mir Platz und ich sahe, was ich, ohnerachtet meiner Neugierde, gern nicht gesehen hätte. Anfangs erkannte ich ihn nicht, er hatte ein anderes Kleid an, als ich kurz vorher an ihm gesehen hatte, deßwegen kannte er mich zuerst und sage: Lieber Bruder! mein grosses Übel beunruhigte dich nicht, denn mein Beruf versprach mir ein solches Ende; laß mich schnell hier wegnehmen, denn ich habe nur noch wenig Stunden zu leben. Nachdem ich seinen fall in aller Kürze vernommen, sagte ich zu ihm: das ist der schlimmste, traurigste Fall, der mir in meinem ganzen Leben begegnen konnte; aber sey zufrieden, denn ehe dir der Athem ausgeht, sollst du dich noch durch meine Hände an dem gerochen sehen, der dich in diesen Zustand versetzt hat. Solche kurze Worte wechselten wir gegen einander. Die Häscher waren fünfzig Schritte von uns, denn Maffio, ihr Anführer, hatte vorher einen Theil zurückgeschickt, den Corporal zu holen, der meinen Bruder erschlagen hatte; ich erreichte sie geschwinde, drängte mich in meinen Mantel gewickelt mit möglichster Schnelligkeit durchs Volk und war schon zu der Seite des Maffio gelangt, und gewiss ich brachte ihn um, wenn nicht im Augenblick, als ich den Degen schon gezogen hatte, mir ein Berlinghier in die Arme fiel, der ein tapfrer Jüngling, und mein grosser Freund war. Vier seiner Gesellen waren mit ihm und sagten zu Maffio: Mache daß du wegkommst, denn dieser allein bringt dich um. Maffio fragte: Wer ist es? sie sagten: es ist der leibliche Bruder von dem, der dort liegt. Da wollt er nichts weiter hören und machte, daß er sich eilig nach Torre di Nona zurückzog, die andern sagten zu mir: Benvenuto! wenn dir dich gegen deinen Willen verhinderten, so ist es aus guter Absicht geschehen; laß uns nun dem zu Hülfe kommen, der nicht lange mehr leben wird. So kehrten wir um, und giengen zu meinem Bruder, den wir in ein Haus tragen liessen. Sogleich traten die Ärzte zusammen und verbanden ihn nach einiger Überlegung, sie konnten sich nicht entschliessen, ihm den Fuß abzunehmen, wodurch man ihn vielleicht gerettet hätte. Gleich nach dem Verbande erschien Herzog Alexander selbst, der sich sehr freundlich und theilnehmend gegen ihn bezeugte. Mein Bruder war noch bey sich und sagte zu ihm: Ich bedaure nur, daß Sie, gnädiger Herr, einen Deiner verliehren, den Sie wohl braver, aber nicht treuer und anhänglicher finden können.
Der Herzog sagte, er möge vor sein Leben sorgen, er sey ihm als ein wackrer und braver Mann bekannt, dann kehrte er sich zu seinen Leuten und sagte: sie sollten es an nichts fehlen lassen. Man konnte das Blut nicht stillen, und er fing an irre zu reden und phantasirte die ganze Nacht; ausser da man ihm die Communion reichen wollte, sagte er, ich hätte wohl gethan früher zu beichten, denn gegenwärtig kann ich das heilige Sacrament in dieses schon zerstörte Gefäß nicht aufnehmen, es sey genug daß ich es mit den Augen empfange, und durch diese soll meine unsterbliche Seele Theil daran nehmen, die ihren Gott um Barmherzigkeit und Vergebung anfleht.
Sobald man das Sacrament weggenommen, fingen dieselben Thorheiten wieder an, die aus den schrecklichsten Dingen der ungeheuersten Wuth, die ein Mensch sich denken kann, zusammen gesetzt waren, und so hörte er nicht auf die ganze Nacht, bis an den Morgen. Als die Sonne aufgegangen war, wendete er sich zu mir und sagte: Mein Bruder! ich will nicht länger hier bleiben, denn ich würde was thun, das die bereuen sollten, die mir Verdruß gemacht haben, so warf er sich mit beyden Füssen herum, ob wir ihn glich den einen in einen schweren Kasten gesteckt hatten, und so, in der Bewegung, eins der zu Pferde steigen will, sagte er mir dreymal, lebe wohl, und so schied diese tapfre Seele von dannen. Abends zur gehörigen Stunde ließ ich ihn in der Kirche der Florentiner mit größten Ehren begraben, und ihm einen schönen Stein von Marmor setzen, wozu mir einige gelehrte Freunde die Inschrift gaben. In unserm Wapen, das dabey angebracht wurde, machte ich eine Veränderung, denn ich gab dem Löwen eine Streitaxt zu halten, daran sollt ich mich erinnern, daß ich ihn zu rächen habe; wobey ich noch bemerken muß, daß mir ohngeachtet des Verbots meines Bruders einer seiner Freunde den Mörder bezeichnet hatte.
Ich fuhr nunmehr mit der größten Sorgfalt fort, jene Arbeit in Gold, die der Papst so sehr verlangte, fertig zu machen; er ließ mich zwey, dreymal die Woche rufen, und immer gefiel das Werk ihm besser. Öfters aber verweiße er mir die grosse Traurigkeit um meinen Bruder. Eines Tages, als er ich über die Maasen niedergeschlagen sah, sagte er: Benvenuto! ich glaubte nicht, daß du so gar thöricht wärest; hast du denn nicht vorher gewußt, daß gegen den Tod keine Arzney ist? Du bist auf dem Wege, ihm nachzufolgen.
Indessen ich aber so an gedachter Arbeit und an den Stempeln für die Münze fortfuhr, hatte ich die Leidenschaft gefaßt, den, der meinen Bruder geliefert hatte, wie ein geliebtes Mädchen nicht aus den Augen zu lassen. Er war erst Cavallerist gewesen und hatte sich dann als Büchsenschütze unter die Zahl der Häscher aufnehmen lassen, und was mich am grimmigsten machte, war, daß er sich seiner That noch berühmt und gesagt hatte, wenn ich nicht war, und den braven Kerl aus dem Weg räumte, so hätte er uns alle, zu unserm größten Schaden, in die Flucht geschlagen. Ich konnte nun wohl bemerken, daß meine Leidenschaft, da ich ihn so oft sehen mußte, mir Schlaf und Appetit nahm, und mich den Weg zum Grabe führte; ich nahm also meinen Entschluß und scheute mich nicht für einer so niedrigen und nicht lobenswürdigen That; genug, ich wollte eines Abends mich von diesem Zustande befreyen.
Er wohnte neben einem Hause, in welchem eine der stolzesten Courtisanen sich aufhielt, die man jemals in Rom reich und beliebt gesehen hatte. Man hieß sie Signora Antäa. Es hatte eben vier und zwanzig geschlagen, als er nach dem Nachtessen, den Degen in der Hand, an seiner Thüre lehnte. Ich kam mit Vorsicht an ihn heran, und mit einem grossen Pistojesischen Dolch holte ich so weit aus, daß ich ihm den Hals rein abzuschneiden gedachte. Er wendete sich schnell um, der Stoß traf auf die Höhe der linken Schulter und beschädigte den Knochen. Er ließ den Degen fallen, und entsprang, von Schmerzen betäubt. In vier Schritten erreichte ich ihn wieder, hob den Dolch ihm über den Kopf, und da er sich nieder bückte, ging der Dolch in den Nacken und drang so tief in den Halsknochen hinein, daß ich mit aller Gewalt ihn nicht heraus ziehen konnte, denn aus dem Hause der Antäa sprangen vier Soldaten mit blossen Degen heraus und ich mußte also auch ziehen und mich vertheidigen. Ich ließ den Dloch zurück, und machte mich fort, und, um nicht erkannt zu werden, ging ich zu Herzog Alexander, der zwischen Piazza Maronna und der Rotonda wohnte. Ich ließ mit ihm reden, und er ließ mich bedeuten, daß wenn ich allein wäre, sollte ich nur ruhig seyn, und keine Sorge haben; ich sollte mich wenigstens acht Tage inne halten und an dem Werke, das der Papst wünschte, zu arbeiten fortfahren.
Die Soldaten, die mich verhindert und den Dolch noch in Händen hatten, erzählten, wie die Geschichte gegangen war, und was sie für eine Mühe gehabt, den Dolch aus dem Nacken und dem Halse des Verwundeten heraus zu bringen, den sie weiter nicht kannten. Zu ihnen trat Johann Bandini und sagte, das ist mein Dolch, ich habe ihn Benvenuto geborgt, der seinen Bruder rächen wollte; da bedauerten die Soldaten, daß sie mich nicht hatten gewähren lassen, ob ich ihm schon in reichlichem Maas seinen Frevel vergolten hatte.
Es vergingen mehr als acht Tage, daß der Papst mich nicht nach seiner Gewohnheit rufen ließ; endlich kam der Bolognesische Kämmerer und ließ mich mit seiner gewöhnlichen Bescheidenheit merken, daß der Papst alles wisse, aber mir demohngeachtet sehr wohl wolle, ich solle nur ruhig seyn und fleissig arbeiten.
Der Papst sah mich mit einem grimmigen Seitenblick an, das war aber auch alles, was ich auszustehen hatte; denn als er das Werk sahe, fing er wieder an heiter zu werden und lobte mich, daß ich in kurzer Zeit so viel gethan hätte, alsdann sah er mir ins Gesicht, und sagte: da du nun geheilt bist, so sorge für dein Leben. Ich verstand ihn und sagte, ich würde nicht fehlen.
Sodann eröfnete ich gleich eine schöne Werkstatt unter den Bänken grad gegen Raphael del Moro über, und arbeitete an der Vollendung des oftgedachten Werks. Der Papst schickte mir alle Juwelen dazu, ausser dem Diamanten, den er, wegen einiger Bedürfnisse, an Genueser Wechsler verpfändet und mir nur einen Abdruck davon gegeben hatte.
Durch fünf geschickte Gesellen, die ich hielt, ließ ich noch ausserdem vieles arbeiten, so, daß in meiner Werkstatt ein grosser Werth an Juwelen, Gold und Silber sich befand.
Ich war eben neun und zwanzig Jahr alt, und hatte eine Magd zu mir ins Haus genommen, von der größten Schönheit und Anmuth; sie diente mir zum Modell in meiner Kunst, und ich brachte die meisten Nächte mit ihr zu; und ob ich gleich sonst den leisesten Schlaf von der Welt hatte, so überfiel er mich doch unter solchen Umständen oft so, daß ich nicht zu erwecken war. Dieses begegnete mir auch eine Nacht, als ein Dieb bey mir einbrach, der unter dem Vorwand, er sey ein Goldschmied, meine Kostbarkeiten gesehen und den Plan gefaßt hatte, mich zu berauben. Er fand zwar verschiedne Gold- und Silberarbeiten vor sich, doch erbrach er einige Kästchen, um auch zu den Juwelen zu kommen.
Ein Hund, den mir Herzog Alexander geschenkt hatte, und der so brauchbar auf der Jagd, als wachsam im Hause war, fiel über ihn her und er vertheidigte sich mit dem Degen so gut er konnte. Der Hund lief durch das Haus hin und wieder, kam in die Schlafzimmer meiner Arbeiten, deren Thüren bey der Sommerhitze offen standen und weckte die Leute theils durch sein Bellen, theils, indem er ihre Decken wegzog, ja bald den einen bald den andern bey dem Arm packte. Dann lief er wieder mit erschrecklichem Bellen weg, als wenn er ihnen den Weg zeigen wollte. Sie wurden diesen Unfug müde, und, weil sie auf meinen Befehl immer ein Nachtlicht brannten, so griffen sie voll Zorn nach den Stöcken, verjagten den guten Hund und verschlossen ihre Thüren. Der Hund, von diesen Schelmen ohne Hülfe gelassen, blieb fest auf seinem Vorsatze, und da er den Dieb nicht mehr in der Werkstatt fand, verfolgte er ihn auf der Strasse und hatte ihm schon das Kleid vom Leibe gerissen. Der Dieb rief einige Schneider zu Hülfe, die schon auf waren, und bat sie um Gottes Willen, sie möchten ihn von dem tollen Hund befreien; sie glaubten ihm, erbarmten sich seiner, und verjagten den Hund mit grosser Mühe.
Als es Tag ward, gingen meine Leute in die Werkstatt, und da sie die Türe erbrochen und offen und die Schubladen in Stücken fanden, fingen sie an mit lauter Stimme wehe! über den Unfall zu schreien. Ich hörte es, erschrack und kam heraus, sie riefen mir entgegen: wir sind bestohlen, alles ist fort, die Schubladen sind alle erbrochen. Diese Worte thaten so eine schreckliche Wirkung auf mich, daß ich nicht im Stande war, vom Fleck zu gehen und nach der Schublade zu sehen, in welcher die Juwelen des Papstes waren. Mein Schrecken war so groß, daß mir fast das Sehen verging, ich sagte, sie sollten die Schublade öffnen, um zu erfahren, was von den Juwelen des Papsts fehle. Mit grosser Freude fanden sie die sämmtlichen Edelsteine und die Arbeit in Golde dabey; sie riefen aus: nun ist weiter kein Übel, genug daß dieser Schatz unberührt ist, ob uns gleich der Schelm nur die Hemden gelassen hat, die wir auf dem Leibe tragen; denn gestern Abend, da es so heiß war, zogen wir uns in der Werkstatt aus, und liessen unsere Kleider daselbst.
Schnell kam ich wieder zu mir, dankte Gott und sagte: gehet nur und kleidet euch alle neu, ich will es bezahlen. Ich konnte mich nicht genug freuen, daß die Sache so abgelaufen war, denn, was mich so sehr gegen meine Natur erschreckte, war, daß die Leute mir gewiß würden Schuld gegeben haben, ich habe die Geschichte mit dem Dieb nur ersonnen, um den Papst um seine Juwelen zu bringen. Gleich in den ersten Augenblicken erinnerte ich mich, daß der Papst schon vor mir gewarnt worden war, seine Vertrautesten hatten zu ihm gesagt: wie könnt ihr, heiligster Vater, die Juwelen von so grossem Werthe einem Jüngling anvertrauen, der ganz Feuer ist, mehr an die Waffen, als an die Kunst denkt, und noch nicht dreissig Jahre hat.
Der Papst fragte: ob jemand von mir etwas wisse, das Verdacht erregen könne. Franziskus del Nero antwortete: Nein! er hat aber auch niemals solche Gelegenheit gehabt. Darauf versetzte der Papst: ich halte ihn für einen vollkommen ehrlichen Mann und wenn ich selbst ein Übel an ihm sähe, so würd’ ichs nicht glauben.
Ich erinnerte mich gleich dieses Gesprächs, brachte, so gut ich konnte, die Juwelen an ihre Plätze, und ging mit der Arbeit geschwind zum Papste, dem Franziskus del Nero schon etwas von dem Gerüchte, daß meine Werkstatt bestohlen sey, gesagt hatte. Der Papst warf mir einen fürchterlichen Blick zu, und sagte mit heftiger Stimme: was willst du hier? was giebts? Sehet hier Eure Juwelen, sagte ich, es fehlt nichts daran. Darauf erheiterte der Papst sein Gesicht, und sagte: so sey willkommen! und indeß er die Arbeit ansah, erzählte ich ihm die ganze Begebenheit, meinen Schrecken und was mich eigentlich in so grosse Angst gesetzt habe. Der Papst kehrte sich einige mal um, mir ins Gesicht zu sehen, und lachte zuletzt über alle die Umstände, die ich ihm erzählte. Endlich sprach er: geh und sey ein ehrlicher Mann, wie ich dich gekannt habe!
Indessen ich an dem Werke immer fortfuhr, liessen sich in Rom einige falsche Münzen sehen, die mit meinem eigenen Stempel geprägt waren. Schnell brachte man sie dem Papst und wollte ihm Verdacht gegen mich einflößen. Er sagte darauf zu dem Münzmeister: suchet mit allem Fleiße den Thäter zu entdecken, denn wir wissen, daß Benvenuto ein ehrlicher Mann ist. Jener, der mein grosser Feind war, antwortete: Wollte Gott, daß es so wäre, wir haben aber schon einige Spur. Darauf gab der Papst dem Gouverneur von Rom den Auftrag, wo möglich den Thäter zu entdeken, ließ mich kommen, sprach über mancherley, endlich auch über die Münze, und sagte wie zufällig. Benvenuto! könntest du wohl auch falsche Münzen machen? Ich versetzte: daß ich sie besser machen wollte als alle die Leute, die so ein schändliches Handwerk trieben, denn es wären nur unwissende und ungeschickte Menschen, die sich auf solche schlechte Streiche einliessen. Ich verdiente so viel mit meiner wenigen Kunst, als ich nur brauchte und könnte dabey vor Gott und der Welt bestehen, und wenn ich falsche Münzen machen wollte, könnte ich nicht einmal so viel als bey meinem ordentlichen Gewerbe verdienen.
Ich muß hier bemerken, daß ich alle Morgen, wenn ich für die Münze arbeitete, drey Scudi gewann, denn so hoch wurde ein Stempel bezahlt, aber der Münzmeister feindete mich an, weil er sie gern wohlfeiler gehabt hätte.
Der Papst merkte wohl auf meine Worte, und da er vorher befohlen hatte, daß man auf mich acht geben und mich nicht aus Rom lassen sollte, befahl er nunmehr die Untersuchung weiter fortzusetzen und sich um mich nicht zu bekümmern. Denn er wollte mich nicht aufbringen, um mich nicht etwa zu verliehren. Diejenigen, welche die Sache näher anging, und denen der Papst sie lebhaft aufgetragen hatte, fanden bald den Thäter. Es war ein Arbeiter bey der Münze selbst, und zugleich mit ihm wurde ein Mitschuldiger eingezogen.
An demselbigen Tage ging ich mit meinem Hund über Piazza Navona. Als ich vor die Thüre des obersten Häschers kam, stürzte mein Hund mit grossem Gebelle ins Haus und fiel einen jungen Menschen an, den ein gewisser Goldschmied von Parma, Nahmens Donnino, als des Diebstahls verdächtig, hatte einziehen lassen. Sie waren eben im Wortwechsel begriffen, der junge Mensch leugnete kecklich alles ab, und Donnino schien nicht Beweise genug zu haben; nun fiel noch gar der Hund mit solcher Gewalt den Beklagten an, daß die Häscher Mitleid mit ihm hatten und ihn wollten gehen lassen, um so mehr, als unter diesen ein Genueser war, der seinen Vater kannte. Ich trat hinzu und der Hund zeigte keine Furcht weder vor Degen noch vor Stöcken, und warf sich aufs neue dem Menschen an den Hals, so, daß sie mir zuriefen: Wenn ich den Hund nicht wegnähme, so würden sie mir ihn todtschlagen. Ich riß den Hund ab so gut ich konnte, und als der Mensch weggehen wollte, fielen ihm einige Papierdüten aus der Jacke, die Donnino sogleich für sein Eigenthum erkannte. Auch ich fand einen meiner Ringe darunter, da rief ich aus: das ist der Dieb, der meine Werkstatt erbrochen hat, mein Hund erkennt ihn. Sogleich ließ ich das treue Thier wieder los, das ihn wieder anpackte. Der Schelm bat mich ihn zu schonen und versprach mir, alles das Meinige zurück zu geben. Ich nahm den Hund wieder ab, und darauf gab er mir Gold, Silber und Ringe wieder, und in der Verwirrung fünf und zwanzig Scudi drüber, dabey bat er um Gnade; ich aber sagte: er sollte Gott um Gnade bitten, ich würde ihm weder etwas zu Liebe noch zu Leide thun. Ich kehrte zu meiner Arbeit zurück, und erlebte bald, daß der falsche Münzer vor der Thüre der Münze aufgehenkt, sein Mitschuldiger auf die Galeere verbannt wurde, und der Genuesische Dieb gleichfalls an den Galgen kam; ich aber behielt über Verdienst den Ruf eines ehrlichen Mannes.
Meine grosse Arbeit ging zu Ende, als die fürchterliche Wasserfluth eintrat, durch welche ganz Rom überschwemmt wurde. Es war schon gegen Abend, als das Wasser noch immer wuchs, meine Werkstatt lag niedrig, wie die Bänke überhaupt, das Haus aber war hinterwärts an den Hügel gebaut. Ich dachte daher an mein Leben und an meine Ehre, nahm alle die Juwelen zu mir, ließ die Goldarbeit meinen Gesellen, stieg barfuß zu meinem hintersten Fenstern heraus, wadete, so gut ich konnte, durch das Wasser und suchte auf Monte Cavallo zu kommen. Daselbst bat ich Herrn Johann Gaddi, der mein grosser Freund war, mir diesen Schatz aufzuheben.
Nach einigen Tagen verlief sich das Wasser, ich konnte endlich das grosse Werk fertig machen, und ich erlangte durch meine anhaltende Bemühung und durch die Gnade Gottes grossen Ruhm, denn man behauptete, es sey die schönste Arbeit, die noch jemals dieser Art in Rom gesehen worden.
Nun brachte ich sie dem Papst, der mich nicht genug rühmen und preissen konnte, und ausrief: Wenn ich ein reicher Kaiser wäre, so wollte ich meinem Benvenuto so viel Land geben, als er mit den Augen reichen könnte, so aber sind wir heut zu Tage nur arme bankrute Kaiser; doch soll er haben, so viel er bedarf.
Ich ließ den Papst seine übertriebenen Reden vollenden, und bat ihn darauf um eine Stelle unter seinen Leibtrabanten, die eben vakant war. Er versetzte, daß er mir was besseres zugedacht habe; ich aber antwortete, er möchte mir diese Stelle nur einstweilen zum Miethpfennig geben. Lachend versetzte der Papst: er sey es zufrieden, doch wolle er nicht, daß ich den Dienst thun solle, und um die übrgen darüber zu beruhigen, wollte er ihnen einige Freyheiten zugestehen, um die sie ihn gebeten hätten. Dieser Trabantendienst brachte mir jährlich über zweyhundert Scudi ein.
(Die Fortsetzung folgt.)