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Die Räuber – Text: 1. Akt, 2. Szene

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SCHWEIZER steht auf und gibt Spiegelberg die Hand. Moritz, du bist ein großer Mann! – oder es hat ein blindes Schwein eine Eichel gefunden.

SCHWARZ. Vortreffliche Plane! honette Gewerbe! Wie doch die großen Geister sympathisieren! Itzt fehlte nur noch, daß wir Weiber und Kupplerinnen würden, oder gar unsere Jungferschaft zu Markte trieben.

SPIEGELBERG. Possen, Possen! Und was hinderts, daß ihr nicht das meiste in einer Person sein könnt? Mein Plan wird euch immer am höchsten poussieren, und da habt ihr noch Ruhm und Unsterblichkeit! Seht, arme Schlucker! Auch so weit muß man hinausdenken! Auch auf den Nachruhm, das süße Gefühl von Unvergeßlichkeit –

ROLLER. Und obenan in der Liste der ehrlichen Leute! Du bist ein Meisterredner, Spiegelberg, wenns drauf ankommt, aus einem ehrlichen Mann einen Hollunken zu machen – Aber sag doch einer, wo der Moor bleibt? –

SPIEGELBERG. Ehrlich, sagst du? Meinst du, du seist nachher weniger ehrlich, als du itzt bist? Was heißt du ehrlich? Reichen Filzen ein Dritteil ihrer Sorgen vom Hals schaffen, die ihnen nur den goldnen Schlaf verscheuchen, das stockende Geld in Umlauf bringen, das Gleichgewicht der Güter wiederherstellen, mit einem Wort, das goldne Alter wieder zurückrufen, dem lieben Gott von manchem lästigen Kostgänger helfen, ihm Krieg, Pestilenz, teure Zeit und Dokters ersparen – siehst du, das heiß ich ehrlich sein, das heiß ich ein würdiges Werkzeug in der Hand der Vorsehung abgeben. – Und so bei jedem Braten, den man ißt, den schmeichelhaften Gedanken zu haben: den haben dir deine Finten, dein Löwenmut, deine Nachtwachen erworben – von groß und klein respektiert zu werden –

ROLLER. Und endlich gar bei lebendigem Leibe gen Himmel fahren, und trutz Sturm und Wind, trutz dem gefräßigen Magen der alten Urahne Zeit unter Sonn und Mond und allen Fixsternen schweben, wo selbst die unvernünftigen Vögel des Himmels, von edler Begierde herbeigelockt, ihr himmlisches Konzert musizieren, und die Engel mit Schwänzen ihr hochheiliges Synedrium halten? Nicht wahr? – Und wenn Monarchen und Potentaten von Motten und Würmern verzehrt werden, die Ehre haben zu dürfen, von Jupiters königlichem Vogel Visiten anzunehmen? – Moritz, Moritz, Moritz! nimm dich in acht! nimm dich in acht, vor dem dreibeinigten Tiere!

SPIEGELBERG. Und das schröckt dich, Hasenherz? ist doch schon manches Universalgenie, das die Welt hätte reformieren können, auf dem Schindanger verfault, und spricht man nicht von so einem Jahrhunderte, Jahrtausende lang, da mancher König und Kurfürst in der Geschichte überhüpft würde, wenn sein Geschichtschreiber die Lücke in der Successionsleiter nicht scheute und sein Buch dardurch nicht um ein paar Oktavseiten gewönne, die ihm der Verleger mit barem Gelde bezahlt – Und wenn dich der Wanderer so hin und her fliegen sieht im Winde – der muß auch kein Wasser im Hirn gehabt haben, brummt er in den Bart, und seufzt über die elenden Zeiten.

SCHWEIZER klopft ihn auf die Achsel. Meisterlich, Spiegelberg! Meisterlich! Was zum Teufel, steht ihr da, und zaudert?

SCHWARZ. Und laß es auch Prostitution heißen – Was folgt weiter? Kann man nicht auf den Fall immer ein Pülverchen mit sich führen, das einen so im stillen übern Acheron fördert, wo kein Hahn darnach kräht? Nein, Bruder Moritz! dein Vorschlag ist gut. So lautet auch mein Katechismus.

SCHUFTERLE. Blitz! Und der meine nicht minder. Spiegelberg, du hast mich geworben!

RAZMANN. Du hast, wie ein anderer Orpheus, die heulende Bestie, mein Gewissen in den Schlaf gesungen. Nimm mich ganz, wie ich da bin!

GRIMM. Si omnes consentiunt ego non dissentio. Wohlgemerkt, ohne Komma! Es ist ein Aufstreich in meinem Kopf: Pietisten – Quacksalber – Rezensenten und Jauner. Wer am meist enbietet, der hat mich. Nimm diese Hand, Moritz!

ROLLER. Und auch du, Schweizer? Gibt Spiegelberg die rechte Hand. Also verpfänd ich meine Seele dem Teufel.

SPIEGELBERG. Und deinen Namen den Sternen! Was liegt daran, wohin auch die Seele fährt? Wenn Scharen vorausgesprengter Kuriere unsere Niederfahrt melden, daß sich die Satane festtäglich herausputzen, sich den tausendjährigen Ruß aus den Wimpern stäuben und Myriaden gehörnter Köpfe aus der rauchenden Mündung ihrer Schwefelkamine hervorwachsen, unsern Einzug zu sehen? Kameraden! Aufgesprungen. Frisch auf! Kameraden! Was in der Welt wiegt diesen Rausch des Entzückens auf? Kommt, Kameraden!

ROLLER. Sachte nur! sachte! Wohin? Das Tier muß auch seinen Kopf haben, Kinder.

SPIEGELBERG giftig. Was predigt der Zauderer? Stand nicht der Kopf schon, eh noch ein Glied sich regte? Folgt, Kameraden.

ROLLER. Gemach sag ich. Auch die Freiheit muß ihren Herrn haben. Ohne Oberhaupt ging Rom und Sparta zugrunde.

SPIEGELBERG geschmeidig. Ja – haltet – Roller sagt recht. Und das muß ein erleuchteter Kopf sein. Versteht ihr? Ein feiner, politischer Kopf muß das sein! Ja! wenn ich mirs denke, was ihr vor einer Stunde waret, was ihr itzt seid, – durch einen glücklichen Gedanken seid – ja freilich, freilich müßt ihr einen Chef haben – und wer diesen Gedanken entsponnen, sagt, muß das nicht ein erleuchteter politischer Kopf sein?

ROLLER. Wenn sichs hoffen ließe – träumen ließe – aber ich fürchte, er wird es nicht tun.

SPIEGELBERG. Warum nicht? Sags keck heraus, Freund! – So schwer es ist, das kämpfende Schiff gegen die Winde zu lenken, so schwer sie auch drückt, die Last der Kronen – sags unverzagt, Roller, – vielleicht wird ers doch tun.

ROLLER. Und leck ist das Ganze, wenn ers nicht tut. Ohne den Moor sind wir Leib ohne Seele.

SPIEGELBERG unwillig von ihm weg. Stockfisch!

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