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Die Jungfrau von Orleans – 2. Aufzug, 2. Auftritt

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Burgund.
Er rächte einen Vater und Gemahl.

Isabeau.
Er warf sich auf zum Richter meiner Sitten!

Lionel.
Das war unehrerbietig von dem Sohn!

Isabeau.
In die Verbannung hat er mich geschickt.

Talbot.
Die öffentliche Stimme zu vollziehn.

Isabeau.
Fluch treffe mich, wenn ich ihm je vergebe!
Und eh er herrscht in seines Vaters Reich –

Talbot.
Eh opfert Ihr die Ehre seiner Mutter!

Isabeau.
Ihr wißt nicht, schwache Seelen,
Was ein beleidigt Mutterherz vermag.
Ich liebe, wer mir Gutes tut, und hasse,
Wer mich verletzt, und ists der eigne Sohn,
Den ich geboren, desto hassenswerter.
Dem ich das Dasein gab, will ich es rauben,
Wenn er mit ruchlos frechem Übermut
Den eignen Schoß verletzt, der ihn getragen.
Ihr die ihr Krieg führt gegen meinen Sohn,
Ihr habt nicht Recht, noch Grund ihn zu berauben.
Was hat der Dauphin Schweres gegen euch
Verschuldet? Welche Pflichten brach er euch?
Euch treibt die Ehrsucht, der gemeine Neid,
Ich darf ihn hassen, ich hab ihn geboren.

Talbot.
Wohl, an der Rache fühlt er seine Mutter!

Isabeau.
Armselge Gleisner, wie veracht ich euch,
Die ihr euch selbst so wie die Welt belügt!
Ihr Engelländer streckt die Räuberhände
Nach diesem Frankreich aus, wo ihr nicht Recht
Noch gültgen Anspruch habt auf so viel Erde,
Als eines Pferdes Huf bedeckt. – Und dieser Herzog,
Der sich den Guten schelten läßt, verkauft
Sein Vaterland, das Erbreich seiner Ahnen
Dem Reichsfeind und dem fremden Herrn. – Gleichwohl
Ist euch das dritte Wort Gerechtigkeit.
– Die Heuchelei veracht ich. Wie ich bin,
So sehe mich das Aug der Welt.

Burgund.
Wahr ists!
Den Ruhm habt Ihr mit starkem Geist behauptet.

Isabeau.
Ich habe Leidenschaften, warmes Blut
Wie eine andre, und ich kam als Königin
In dieses Land, zu leben, nicht zu scheinen.
Sollt ich der Freud absterben, weil der Fluch
Des Schicksals meine lebensfrohe Jugend
Zu dem wahnsinngen Gatten hat gesellt?
Mehr als das Leben lieb ich meine Freiheit,
Und wer mich hier verwundet – Doch warum
Mit euch mich streiten über meine Rechte?
Schwer fließt das dicke Blut in euren Adern,
Ihr kennt nicht das Vergnügen, nur die Wut!
Und dieser Herzog, der sein Lebenlang
Geschwankt hat zwischen Bös und Gut, kann nicht
Von Herzen hassen noch von Herzen lieben.
– Ich geh nach Melun. Gebt mir diesen da,
(auf Lionel zeigend) Der mir gefällt, zur Kurzweil und Gesellschaft,
Und dann macht, was ihr wollt! Ich frage nichts
Nach den Burgundern noch den Engelländern.
(Sie winkt ihrem Pagen und will gehen)

Lionel.
Verlaßt Euch drauf. Die schönsten Frankenknaben,
Die wir erbeuten, schicken wir nach Melun.

Isabeau (zurückkommend).
Wohl taugt ihr, mit dem Schwerte dreinzuschlagen,
Der Franke nur weiß Zierliches zu sagen. (Sie geht ab)

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