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Die Jungfrau von Orleans – Prolog, 3. Auftritt

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Thibaut.
Wo aber waren denn die tapfern Degen
Saintrailles, La Hire und Frankreichs Brustwehr,
Der heldenmütge Bastard, daß der Feind
So allgewaltig reißend vorwärts drang?
Wo ist der König selbst, und sieht er müßig
Des Reiches Not und seiner Städte Fall?

Bertrand.
Zu Chinon hält der König seinen Hof,
Es fehlt an Volk, er kann das Feld nicht halten.
Was nützt der Führer Mut, der Helden Arm,
Wenn bleiche Furcht die Heere lähmt?
Ein Schrecken, wie von Gott herabgesandt,
Hat auch die Brust der Tapfersten ergriffen.
Umsonst erschallt der Fürsten Aufgebot.
Wie sich die Schafe bang zusammendrängen,
Wenn sich des Wolfes Heulen hören läßt,
So sucht der Franke, seines alten Ruhms
Vergessend, nur die Sicherheit der Burgen.
Ein einzger Ritter nur, hört ich erzählen,
Hab eine schwache Mannschaft aufgebracht,
Und zieh dem König zu mit sechzehn Fahnen.

Johanna (schnell).
Wie heißt der Ritter?

Bertrand. Baudricour.
Doch schwerlich
Möcht er des Feindes Kundschaft hintergehn,
Der mit zwei Heeren seinen Fersen folgt.

Johanna.
Wo hält der Ritter? Sagt mirs, wenn Ihrs wisset.

Bertrand.
Er steht kaum eine Tagereise weit
Von Vaucouleurs.

Thibaut (zu Johanna).
Was kümmerts dich! Du fragst
Nach Dingen, Mädchen, die dir nicht geziemen.

Bertrand.
Weil nun der Feind so mächtig und kein Schutz
Vom König mehr zu hoffen, haben sie
Zu Vaucouleurs einmütig den Beschluß
Gefaßt, sich dem Burgund zu übergeben.
So tragen wir nicht fremdes Joch und bleiben
Beim alten Königsstamme – ja vielleicht
Zur alten Krone fallen wir zurück,
Wenn einst Burgund und Frankreich sich versöhnen.

Johanna (in Begeisterung).
Nichts von Verträgen! Nichts von Übergabe!
Der Retter naht, er rüstet sich zum Kampf.
Vor Orleans soll das Glück des Feindes scheitern,
Sein Maß ist voll, er ist zur Ernte reif.
Mit ihrer Sichel wird die Jungfrau kommen,
Und seines Stolzes Saaten niedermähn,
Herab vom Himmel reißt sie seinen Ruhm,
Den er hoch an den Sternen aufgehangen.
Verzagt nicht! Fliehet nicht! Denn eh der Rocken
Gelb wird, eh sich die Mondesscheibe füllt,
Wird kein engländisch Ross mehr aus den Wellen
Der prächtig strömenden Loire trinken.

Bertrand.
Ach! Es geschehen keine Wunder mehr!

Johanna.
Es geschehn noch Wunder – Ein weiße Taube
Wird fliegen und mit Adlerskühnheit diese Geier
Anfallen, die das Vaterland zerreißen.
Darniederkämpfen wird sie diesen stolzen
Burgund, den Reichsverräter, diesen Talbot,
Den himmelstürmend hunderthändigen,
Und diesen Salisbury, den Tempelschänder,
Und diese frechen Inselwohner alle
Wie eine Herde Lämmer vor sich jagen.
Der Herr wird mit ihr sein, der Schlachten Gott.
Sein zitterndes Geschöpf wird er erwählen,
Durch eine zarte Jungfrau wird er sich
Verherrlichen, denn er ist der Allmächtge!

Thibaut.

Was für ein Geist ergreift die Dirn?

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