HomeText: Die Braut von Messina4. AktDie Braut von Messina – 4. Akt, 4. Auftritt

Die Braut von Messina – 4. Akt, 4. Auftritt

Bewertung:
(Stimmen: 1 Durchschnitt: 5)

Isabella. Beatrice. Diego. Beide Chöre.

Erster Chor (Cajetan.)
Durch die Straßen der Städte,
Vom Jammer gefolget,
Schreitet das Unglück –
Lauernd umschleicht es
Die Häuser der Menschen,
Heute an dieser
Pforte pocht es,
Morgen an jener,
Aber noch keinen hat es verschont.
Die unerwünschte
Schmerzliche Botschaft,
Früher oder später,
Bestellt es an jeder
Schwelle, wo ein Lebendiger wohnt.

(Berengar.) Wenn die Blätter fallen
In des Jahres Kreise,
Wenn zum Grabe wallen
Entnervte Greise,
Da gehorcht die Natur
Ruhig nur
Ihrem alten Gesetze,
Ihrem ewigen Brauch,
Da ist nichts, was den Menschen entsetze!

Empfehlungen Literatur

Aber das Ungeheure auch
Lerne erwarten im irdischen Leben!
Mit gewaltsamer Hand
Löst der Mord auch das heiligste Band,
In sein stygisches Boot
Raffet der Tod
Auch der Jugend blühendes Leben!

(Cajetan.) Wenn die Wolken gethürmt den Himmel schwärzen,
Wenn dumpftosend der Donner hallt,
Da, da fühlen sich alle Herzen
In des furchtbaren Schicksals Gewalt.
Aber auch aus entwölkter Höhe
Kann der zündende Donner schlagen
Darum in deinen fröhlichen Tagen
Fürchte des Unglücks tückische Nähe!
Nicht an die Güter hänge dein Herz,
Die das Leben vergänglich zieren!
Wer besitzt, der lerne verlieren,
Wer im Glück ist, der lerne den Schmerz.

Isabella. Was soll ich hören? Was verhüllt dies Tuch?
(Sie macht einen Schritt gegen die Bahre, bleibt aber unschlüssig zaudernd stehen.)
Es zieht mich grausend hin und zieht mich schaudernd
Mit dunkler, kalter Schreckenshand zurück.
(Zu Beatrice, welche sich zwischen sie und die Bahre geworfen.)
Laß mich! Was es auch sei, ich will’s enthüllen!
(Sie hebt das Tuch auf und entdeckt Don Manuels Leichnam.)
O himmlische Mächte, es ist mein Sohn!

(Sie bleibt mit starrem Entsetzen stehen – Beatrice sinkt mit einem Schrei des Schmerzens neben der Bahre nieder.)

Chor (Cajetan, Berengar, Manfred.)
Unglückliche Mutter! Es ist dein Sohn!
Du hast es gesprochen, das Wort des Jammers,
Nicht meinen Lippen ist es entflohn.

Isabella.
Mein Sohn! Mein Manuel! – O, ewige
Erbarmung – So muß ich dich wieder finden!
Mit deinem Leben mußtest du die Schwester
Erkaufen aus des Räubers Hand! – Wo war
Dein Bruder, daß sein Arm dich nicht beschützte?
– O, Fluch der Hand, die diese Wunde grub!
Fluch ihr, die den Verderblichen geboren,
Der mir den Sohn erschlug! Fluch seinem ganzen
Geschlecht!

Chor.
Wehe! Wehe! Wehe! Wehe!

Isabella.
So haltet ihr mir Wort, ihr Himmelsmächte?
Das, das ist eure Wahrheit? Wehe Dem,
Der euch vertraut mit redlichem Gemüth!
Worauf hab‘ ich gehofft, wovor gezittert,
Wenn dies der Ausgang ist! – O, die ihr hier
Mich schreckenvoll umsteht, an meinem Schmerz
Die Blicke weidend, lernt die Lügen kennen,
Womit die Träume uns, die Seher täuschen!
Glaube noch einer an der Götter Mund!
– Als ich mich Mutter fühlte dieser Tochter,
Da träumte ihrem Vater eines Tages,
Er säh‘ aus seinem hochzeitlichen Bette
Zwei Lorbeerbäume wachsen – Zwischen ihnen
Wuchs eine Lilie empor; sie ward
Zur Flamme, die der Bäume dicht Gezweig ergriff
Und, um sich wüthend, schnell das ganze Haus
In ungeheurer Feuersfluth verschlang.
Erschreckt von diesem seltsamen Gesichte,
Befrug der Vater einen Vogelschauer
Und schwarzen Magier um die Bedeutung.
Der Magier erklärte: wenn mein Schooß
Von einer Tochter sich entbinden würde,
So würde sie die beiden Söhne ihm
Ermorden und vertilgen seinen Stamm!

Chor (Cajetan und Bohemund.)
Gebieterin, was sagst du? Wehe! Wehe!

Isabella.
Darum befahlt der Vater, sie zu tödten;
Doch ich entrückte sie dem Jammerschicksal.
– Die arme Unglückselige! Verstoßen
Ward sie als Kind aus ihrer Mutter Schooß,
Daß sie, erwachsen, nicht die Brüder morde!
Und jetzt durch Räubershände fällt der Bruder,
Nicht die Unschuldige hat ihn getödtet!

Chor.
Wehe! Wehe! Wehe! Wehe!

Isabella.
Keinen Glauben
Verdiente mir des Götzendieners Spruch,
Ein beßres Hoffen stärkte meine Seele.
Denn mir verkündigte ein andrer Mund,
Den ich für wahrhaft hielt, von dieser Tochter:
»In heißer Liebe würde sie dereinst
»Der Söhne Herzen mir vereinigen.«
– So widersprachen die Orakel sich,
Den Fluch zugleich und Segen auf das Haupt
Der Tochter legend – Nicht den Fluch hat sie
Verschuldet, die Unglückliche! Nicht Zeit
Ward ihr gegönnt, den Segen zu vollziehen.
Ein Mund hat, wie der andere, gelogen!
Die Kunst der Seher ist ein eitles Nichts,
Betrüger sind sie oder sind betrogen.
Nichts Wahres läßt sich von der Zukunft wissen,
Du schöpfest drunten an der Hölle Flüssen,
Du schöpfest droben an dem Quell des Lichts.

Erster Chor (Cajetan.)
Wehe! Wehe! Was sagst du? Halt ein, halt ein!
Bezähme der Zunge verwegenes Toben!
Die Orakel sehen und treffen ein,
Der Ausgang wird die Wahrhaftigen loben!

Isabella.
Nicht zähmen will ich meine Zunge, laut,
Wie mir das Herz gebietet, will ich reden.
Warum besuchen wir die heil’gen Häuser
Und heben zu dem Himmel fromme Hände?
Gutmüth’ge Thoren, was gewinnen wir
Mit unserm Glauben? So unmöglich ist’s,
Die Götter, die hochwohnenden, zu treffen,
Als in den Mond mit einem Pfeil zu schießen.
Vermauert ist dem Sterblichen die Zukunft,
Und kein Gebet durchbohrt den ehrnen Himmel.
Ob rechts die Vögel fliegen oder links,
Die Sterns so sich oder anders fügen,
Nicht Sinn ist in dem Buche der Natur,
Die Traumkunst träumt, und alle Zeichen trügen.

Zweiter Chor (Bohemund.)
Halt ein, Unglückliche! Wehe! Wehe!
Du leugnest der Sonne leuchtendes Licht
Mit blinden Augen! Die Götter leben,
Erkenne sie, die dich furchtbar umgeben!
(Alle Ritter.) Die Götter leben, die Götter leben,
Erkenne sie, die dich furchtbar umgeben!

Beatrice.
O Mutter! Mutter! Warum hast du mich
Gerettet! Warum warfst du mich nicht hin
Dem Fluch, der, eh‘ ich war, mich schon verfolgte?
Blödsicht’ge Mutter! Warum dünktest du
Dich weiser, als die Alles Schauenden,
Die Nah‘ und Fernes an einander knüpfen
Und in der Zukunft späte Saaten sehn?
Dir selbst und mir, uns allen zum Verderben
Hast du den Todesgöttern ihren Raub,
Den sie gefordert, frevelnd vorenthalten!
Jetzt nehmen sie ihn zweifach, dreifach selbst.
Nicht dank‘ ich dir das traurige Geschenk,
Dem Schmerz, dem Jammer hast du mich erhalten!

Erster Chor (Cajetan.) in heftiger Bewegung nach der Thüre sehend.
Brechet auf, ihr Wunden,
Fließet, fließet!
In schwarzen Güssen
Stürzet hervor, ihr Bäche des Bluts!

(Berengar.) Eherner Füße
Rauschen vernehm‘ ich,
Höllischer Schlangen
Zischendes Tönen,
Ich erkenne der Furien Schritt!

(Cajetan.) Stürzet ein, ihr Wände!
Versink, o Schwelle,
Unter der schrecklichen Füße Tritt!
Schwarze Dämpfe, entsteiget, entsteiget
Qualmend dem Abgrund! Verschlinget des Tages
Lieblichen Schein!
Schützende Götter des Hauses, entweichet!
Lasst die rächenden Göttinnen ein!