HomeDie Horen1796 - Stück 6V. Das Geständniß. [L. G. Kosegarten]

V. Das Geständniß. [L. G. Kosegarten]

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Erstes Lied.

Theon an Theano.

Ich denk’ an dich, und holde Fantasien,
Und rosenfarbe Träume schmeicheln mir.
Mein Liebelechzend Herz zerschmilzt in Elegieen,
Und jede Fiber tönt von dir.

Getragen von dem Fittig der Gedanken,
Gehoben von der Welle der Begier,
Entschwingt der freye Geist sich kühn des Raumes Schranken,
Und pflegt Vertraulichkeit mit dir.

Doch ach! wenn ich nun wirklich zu dir fliege,
So überwältigt mich geheimes Graun.
Der Blöde wagt es nicht, die seelenvollen Züge,
Das klare Antliz anzuschaun.

Wenn im Vorüberfliehn dein Kleid ich streiffet,
Dein irrend Auge meines blinzelnd fasst,
Drin himmelheller Blik den meinigen ergreiffet,
So stokt die Rede. Wechselnd blasst

Und feuert mir die Wange! Nebel flirren
Vor meinen Augen. Jeder Umriß schwankt.
Es schwindelt der Begriff in ausganglose Irren,
Und rings die Feste rollt und wankt.

Doch, wenn du schonend deine Macht gebrauchest,
Mir mild und gütig in das Auge blikst,
Ein leises Denke mein! mir in die Seele hauchest,
Und scheidend mir die Hände drükst,

Wie selig fühl’ ich dann mich, überselig,
Ein Heros, wähn’ ich, sey ich, sey ein Gott,
Und blutete für dich mit Freuden, sänke frölich
Für dich, Geliebte, in den Tod.

Dann könnt’ ich alles dulden, alles tragen,
Der Bande Schmach, der Kerker Finsternis;
Ich trozet’, um für dich mein Alles hinzuwagen,
Den Parzen, und der Nemesis.

Ein himmlisch Feuer fühl’ ich in mir lodern;
Die Grossen, Starken, die Heroen all
Gebeut der Dämon mir zum Kampf herauszufodern
Auf Leyer, Griffel, oder Stahl.

Drum laß dich, edles Mädchen, laß dich lieben,
Dein Theon wünscht sich nichts von dir zurück.
Ihm gnügt sein Saytenspiel, die Wollust, dich zu lieben,
Dein Anschaun, Huldin, und dein Blick.

Zweytes Lied.

Theon und Theano.

Theano.
Weg ist sie, Gottes Sonne! Wolthuns müde,
Und wie die Tugend ruhig, schlief sie ein.
O wiegte diese Ruh, o lullte dieser Friede
Mich in den langen Schlummer ein!

Theon.
Schön sank sie hin, die Starke, Hohe, Grosse,
Und steigt bald wieder schimmernder empor.
So blüht Theano einst aus der Verwesung Schoose
Verschönert und verjüngt hervor.

Theano.
Wie glüht der Westen! Theon, sieh, wie wallen
Die rothen Fluthen um der Sonne Grab!
Es regnet Rosen, Theon. Diamanten fallen
Aus jenem Duftgewölk herab.

Theon.
Und regnen einstens diese Rosen, fallen
Des Thaues Perlen einst auf meinen Stein,
Wird auch Theano wohl zu Theons Hügel wallen
Und Blumen auf den stillen streun?

Theano.
Wie sagst du, Theon? – – Ach die klare Bläue,
Die wie ein wogend Lichtmeer uns umschwillt!
Wie diese lautre Fluth, wie diese Füll’ und Treue
Des matten Herzens Lechzen stillt!

Theon.
Dieß matte Herz lechzt, Beste, nach dem Lande,
Wo das Verhängniß sich der Lieb’ erbarmt;
Wo alles Zwanges loß, und ledig aller Bande
Sich selig Seel’ und Seel’ umarmt.

Theano.
Siehst du den regen Punct hoch in den Lüften!
Hörst du der Lerche wirbelnd Abendlied!
Jzt schweigt sie, krayst herab auf thauberauschte Trifften,
Und sinkt ins hochbegraßte Ried.

Theon.
Die Glükliche! Sie lebt ein selig Leben.
Ihr kürzt den Tag die süsse Harmonie;
Die süßre Nacht verwallt ihr zephyrleicht und eben
Am Busen der geliebten Sie.

Theano.
Zurük du Rascher! Morde nicht das Veilchen,
Von Thau und Süfften schwer hinabgedrückt!
Verstreue deinen Duft, verblühe, frommes Veilchen,
Von meinem Finger ungepflückt!

Theon.
Du wolltest Florens Lieblingskind verachten?
Misgönnen wolltest ihr den Stolz, die Lust,
Ihr Leben auszublühn, ihr Daseyn auszuschmachten
An eines Engels reiner Brust?

Theano.
Wie meinst du, Theon? – Theon, welche Frische:
In Amboinas Würzen schwimmt die Luft!
Die kleebeblümte Flur, die thaubesprengten Büsche,
Sie träufeln Balsam, strömen Duft.

Theon.
Es ist der Liebe Hauch, der um uns säuselt,
Es ist der Liebe Athem, der uns kühlt,
Der Liebe Lispel ist’s, der diene Lokken kräuselt,
Und fächelnd um die Wangen spielt!

Theano.
Ja schön bist du, du unsers Lebens Wiege,
Und einstens unser Grab! – Ach wenn ich nun
An deiner kalten Brust, du gute Mutter, liege,
So laß mich schuldlos an dir ruhn!

Theon.
Ja schön ist unser Stern im Frühlingsgrüne.
Doch schöner ist ein menschlich Angesicht,
Wenn leis’ aus jedem Zug, und laut aus jeder Mine
Der Seele hohe Schönheit spricht;

Die Flur erschließt sich lauen Regengüssen,
Der Blume Kelch dem jungen Morgenlicht;
So fühlt zu solcher Huld mein Herz sich hingerissen,
Und liebte gern und – darf es nicht.

Theano.
Und darf nicht, Theon? – – Wonne, Theon, Wonne!
Sie schlägt, die Sängerin, die Nachtigal!
Entzükken, das mich schwellt, bist du noch Erdenwonne?
Bist du nicht Eden, selig Thal?

Theon.
Ja Eden ist es. Wo du weilst, ist Eden,
Und wo du lächelst, blüht Elysium –
Ach lächle nicht so hold. Dein Lächeln täuscht den Blöden,
Und wandelt ihn zum Helden um.

Horch! wie sie flötet! Wekt kein leises Sehnen,
Kein süsses Ahnen dieser Ton in dir?
Du wendest dich? Du weinst? Was deuten diese Thränen,
Was weissagt dieß Erblassen mir?

Nein länger, länger duld’ ichs nicht. Zu brechen
Droht dieses Herz, zurückgedrängt ins ich –
Laß, theure Seele, laß das grosse Wort mich sprechen!
Theano ach! ich liebe dich!

Drittes Lied

Theano an Theon.

O Theon, welche Wehmuth, welch Entzükken
Durchbebt mich seit den selgen Augenblikken,
Die mir ohnlängst, von deinem Arm umschlossen,
So hell verflossen!

Als du so liebend mir ins Auge bliktest,
Als du so blöd’ und bang mich an dich drüktest,
Als mir zum erstenmahl, was in dir brannte,
Dein Mund bekannte.

Noch immer wähn’ ich, Bester, dich zu sehen.
Ich höre noch dein seelerührend Flehen,
wie Lieblingsmelodieen um uns singen,
Tief in mir klingen.

Ich fühle noch der Pulse rasches Jagen,
Dem deinigen mein Herz entgegenschlagen,
Dem deinigen des Busens rege Wellen
Entgegenschwellen.

Ich weiß es noch, und ich vergeß es nimmer,
Wie du umgossen von des Spatroths Schimmer
In deiner schlanken Schönheit vor mir standest,
Dann mich umwandest,

Dann wieder loß mich liessest, dann es wagtest,
Das Unaussprechliche mir stammelnd sagtest,
Und während du es auszusprechen rangest,
Mich heiß umschlangest –

O Theon, welche Wehmuth, welch Entzükken
Durchströmt seit jenen schwülen Augenblikken
Dein armes Mädchen! Welches süsse Wähnen!
Und welches Sehnen!

Wie trunken wandl’ ich in der Meinen Mitte.
Es irrt mein Fuß, es wanken meine Tritte.
Der Träumenden verwehen wie Sekunden
Die Tagesstunden.

Es gaukeln um mich holde Fantasien.
Mein Ohr umtönen ferne Melodieen.
Mein Aug’ umschweben himmlische Gesichte
Im Dämmerlichte.

Ich schaudre auf, und um mich ists so stille.
Aus Duftgewölken weint des Mondes Fülle.
Dann droht es, mir mit ungestümmen Drängen
Die Brust zu sprengen.

O Theon, dieses Staunen, dieses Wähnen,
Dieß wache Träumen, diese süssen Thränen –
Gestehen will ich nur die blöden Triebe –
Ich liebe, liebe!

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