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Don Carlos – 1. Akt, 9. Auftritt

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Carlos.
Das wird nie geschehen.
Bedarfst du meiner? Hast du Leidenschaften,
Die von dem Throne betteln? Reizt dich Gold?
Du bist ein reichrer Unterthan, als ich
Ein König je sein werde. – Geizest du
Nach Ehre? Schon als Jüngling hattest du
Ihr Maß erschöpft – du hast sie ausgeschlagen.
Wer von uns wird der Gläubiger des Andern,
Und wer der Schuldner sein? – Du schweigst? Du zitterst
Vor der Versuchung? Nicht gewisser bist
Du deiner selbst?

Marquis.
Wohlan. Ich weiche.
Hier meine Hand.

Carlos.
Der Meinige?

Marquis.
Auf ewig
Und in des Worts verwegenster Bedeutung.

Carlos.
So treu und warm, wie heute dem Infanten,
Auch dermaleinst dem König zugethan?

Marquis.
Das schwör‘ ich Ihnen.

Carlos.
Dann auch, wenn der Wurm
Der Schmeichelei mein unbewachtes Herz
Umklammerte – wenn dieses Auge Thränen
Verlernte, die es sonst geweint – dies Ohr
Dem Flehen sich verriegelte, willst du,
Ein schreckenloser Hüter meiner Tugend,
Mich kräftig fassen, meinen Genius
Bei seinem großen Namen rufen?

Marquis.
Ja.

Carlos.
Und jetzt noch eine Bitte! Nenn‘ mich Du.
Ich habe deines Gleichen stets beneidet
Um dieses Vorrecht der Vertraulichkeit.
Dies brüderliche Du betrügt mein Ohr,
Mein Herz mit süßen Ahnungen von Gleichheit.
– Keinen Einwurf – Was du sagen willst, errath‘ ich.
Dir ist es Kleinigkeit, ich weiß – doch mir,
Dem Königssohne, ist es viel. Willst du
Mein Bruder sein?

Marquis.
Dein Bruder!

Carlos.
Jetzt zum König.
Ich fürchte nichts mehr – Arm in Arm mit dir,
So fordr‘ ich mein Jahrhundert in die Schranken.

(Sie gehen ab.)

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