HomeText: Don Carlos2. AktDon Carlos – 2. Akt, 10. Auftritt

Don Carlos – 2. Akt, 10. Auftritt

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Ein Zimmer im königlichen Palaste.
Herzog von Alba. Pater Domingo.

Domingo.
Was wollten Sie mir sagen?

Alba.
Eine wicht’ge
Entdeckung, die ich heut gemacht, worüber
Ich einen Aufschluß haben möchte.

Domingo.
Welche
Entdeckung? Wovon reden Sie?

Alba.
Prinz Carlos
Und ich begegnen diesen Mittag uns
Im Vorgemach der Königin. Ich werde
Beleidigt. Wir erhitzen uns. Der Streit
Wird etwas laut. Wir greifen zu den Schwertern.
Die Königin auf das Getöse öffnet
Das Zimmer, wirft sich zwischen uns und sieht
Mit einem Blick despotischer Vertrautheit
Den Prinzen an. – Es war ein einz’ger Blick. –
Sein Arm erstarrt – er fliegt an meinen Hals –
Ich fühle einen heißen Kuß – er ist
Verschwunden.

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Domingo (nach einigem Stillschweigen).
Das ist sehr verdächtig. – Herzog,
Sie mahnen mich an etwas. – – Aehnliche
Gedanken, ich gesteh‘ es, keimten längst
In meiner Brust. – Ich flohe diese Träume –
Noch hab‘ ich Niemand sie vertraut. Es gibt
Zweischneid’ge Klingen, ungewisse Freunde –
Ich fürchte diese. Schwer zu unterscheiden,
Noch schwerer zu ergründen sind die Menschen.
Entwischte Worte sind beleidigte
Vertraute – drum begrub ich mein Geheimniß,
Bis es die Zeit ans Licht hervorgewälzt.
Gewisse Dienste Königen zu leisten,
Ist mißlich, Herzog –- ein gewagter Wurf,
Der, fehlt er seine Beute, auf den Schützen
Zurücke prallt. – Ich wollte, was ich sage,
Auf eine Hostie beschwören – doch
Ein Augenzeugniß, ein erhaschtes Wort,
Ein Blatt Papier fällt schwerer in die Wage,
Als mein lebendigstes Gefühl. – Verwünscht,
Daß wir auf span’schem Boden stehn!

Alba.
Warum
Auf diesem nicht?

Domingo.
An jedem andern Hofe
Kann sich die Leidenschaft vergessen. Hier
Wird sie gewarnt von ängstlichen Gesetzen.
Die span’schen Königinnen haben Müh,
Zu sündigen – ich glaub‘ es – doch zum Unglück
Nur da – gerade da nur, wo es uns
Am besten glückte, sie zu überraschen.

Alba.
Hören Sie weiter – Carlos hatte heut‘
Gehör beim König. Eine Stunde währte
Die Audienz. Er bat um die Verwaltung
Der Niederlande. Laut und heftig bat er;
Ich hört‘ es in dem Kabinet. Sein Auge
War roth geweint, als ich ihm an der Thüre
Begegnete. Den Mittag drauf erscheint er
Mit einer Miene des Triumphs. Er ist
Entzückt, daß mich der König vorgezogen.
Er dankt es ihm. Die Sachen stehen anders,
Sagt er, und besser. Heucheln konnt‘ er nie.
Wie soll ich diese Widersprüche reimen?
Der Prinz frohlockt, hintangesetzt zu sein,
Und mir ertheilt der König eine Gnade
Mit allen Zeichen seines Zorns! – Was muß
Ich glauben? Wahrlich, diese neue Würde
Sieht einer Landsverweisung ähnlicher
Als einer Gnade.

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