HomeText: Kabale und Liebe4. AktKabale und Liebe – 4. Akt, 7. Szene

Kabale und Liebe – 4. Akt, 7. Szene

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Luise Millerin tritt schüchtern herein und bleibt in einer großen Entfernung von der Lady stehen; Lady hat ihr den Rücken zugewandt und betrachtet sie eine Zeitlang aufmerksam in dem gegenüberstehenden Spiegel.

Nach einer Pause.

LUISE. Gnädige Frau, ich erwarte Ihre Befehle.

LADY dreht sich nach Luisen um und nickt nur eben mit dem Kopf, fremd und zurückgezogen. Aha! Ist Sie hier? – Ohne Zweifel die Mamsell – eine gewisse – Wie nennt man Sie doch?

LUISE etwas empfindlich. Miller nennt sich mein Vater, und Ihro Gnaden schickten nach seiner Tochter.

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LADY. Recht! Recht! Ich entsinne mich – die arme Geigerstochter, wovon neulich die Rede war. Nach einer Pause, vor sich. Sehr interessant, und doch keine Schönheit – Laut zu Luisen. Trete Sie näher, mein Kind. Wieder vor sich. Augen, die sich im Weinen übten – Wie lieb ich sie, diese Augen! Wiederum laut. Nur näher – Nur ganz nah – Gutes Kind, ich glaube, du fürchtest mich?

LUISE groß, mit entschiednem Ton. Nein, Mylady. Ich verachte das Urteil der Menge.

LADY vor sich. Sieh doch! – und diesen Trotzkopf hat sie von ihm. Laut. Man hat Sie mir empfohlen, Mamsell. Sie soll was gelernt haben, und sonst auch zu leben wissen – Nun ja. Ich wills glauben – auch nähm ich die ganze Welt nicht, einen so warmen Fürsprecher Lügen zu strafen.

LUISE. Doch kenn ich niemand, Mylady, der sich Mühe gäbe, mir eine Patronin zu suchen.

LADY geschraubt. Mühe um die Klientin oder Patronin?

LUISE. Das ist mir zu hoch, gnädige Frau.

LADY. Mehr Schelmerei, als diese offene Bildung vermuten läßt! Luise nennt Sie sich? Und wie jung, wenn man fragen darf?

LUISE. Sechszehn gewesen.

LADY steht rasch auf. Nun ists heraus! Sechszehen Jahre! Der erste Puls dieser Leidenschaft! – Auf dem unberührten Klavier der erste einweihende Silberton! – Nichts ist verführender – Setz dich, ich bin dir gut, liebes Mädchen – Und auch er liebt zum erstenmal – Was Wunder, wenn sich die Strahlen eines Morgenrots finden? Sehr freundlich und ihre Hand ergreifend. Es bleibt dabei, ich will dein Glück machen, Liebe – Nichts, nichts als die süße, früheverfliegende Träumerei. Luisen auf die Wange klopfend. Meine Sophie heiratet. Du sollst ihre Stelle haben – Sechszehen Jahr! Es kann nicht von Dauer sein.

LUISE küßt ihr ehrerbietig die Hand. Ich danke für diese Gnade, Mylady, als wenn ich sie annehmen dürfte.

LADY in Entrüstung zurückfallend. Man sehe die große Dame! – Sonst wissen sich Jungfern Ihrer Herkunft noch glücklich, wenn sie Herrschaften finden – wo will denn Sie hinaus, meine Kostbare? Sind diese Finger zur Arbeit zu niedlich? Ist es Ihr bißchen Gesicht, worauf Sie trotzig tut?

LUISE. Mein Gesicht, gnädige Frau, gehört mir so wenig als meine Herkunft.

LADY. Oder glaubt Sie vielleicht, das werde nimmer ein Ende nehmen? – Armes Geschöpf, wer dir das in den Kopf setzte – mag er sein, wer er will – er hat euch beide zum besten gehabt. Diese Wangen sind nicht im Feuer vergoldet. Was dir dein Spiegel für massiv und ewig verkauft, ist nur ein dünner, angeflogener Goldschaum, der deinem Anbeter über kurz oder lang in der Hand bleiben muß – Was werden wir dann machen?

LUISE. Den Anbeter bedauern, Mylady, der einen Demant kaufte, weil er in Gold schien gefaßt zu sein.

LADY ohne darauf achten zu wollen. Ein Mädchen von Ihren Jahren hat immer zween Spiegel zugleich, den wahren und ihren Bewunderer – Die gefällige Geschmeidigkeit des letztern macht die rauhe Offenherzigkeit des erstern wieder gut. Der eine rügt eine häßliche Blatternarbe. Weit gefehlt, sagt der andere, es ist ein Grübchen der Grazien. Ihr guten Kinder glaubt jenem nur, was euch dieser gesagt hat, hüpft von einem zum andern, bis ihr zuletzt die Aussagen beider verwechselt – Warum begafft Sie mich so?

LUISE. Verzeihen Sie, gnädige Frau – Ich war soeben im Begriff, diesen prächtig blitzenden Rubin zu beweinen, der es nicht wissen muß, daß seine Besitzerin so scharf wider Eitelkeit eifert.

LADY errötend. Keinen Seitensprung, Lose! – Wenn es nicht die Promessen Ihrer Gestalt sind, was in der Welt könnte Sie abhalten, einen Stand zu erwählen, der der einzige ist, wo Sie Manieren und Welt lernen kann, der einzige ist, wo Sie sich Ihrer bürgerlichen Vorurteile entledigen kann?

LUISE. Auch meiner bürgerlichen Unschuld, Mylady?

LADY. Läppischer Einwurf! Der ausgelassenste Bube ist zu verzagt, uns etwas Beschimpfendes zuzumuten, wenn wir ihm nicht selbst ermunternd entgegengehn. Zeige Sie, wer Sie ist. Gebe Sie sich Ehre und Würde, und ich sage Ihrer Jugend für alle Versuchung gut.

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