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Kabale und Liebe – 5. Akt, 7. Szene

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LUISE. Ich antworte nichts mehr.

FERDINAND fällt in fürchterlicher Bewegung vor ihr nieder. Luise! Hast du den Marschall geliebt? Ehe dieses Licht noch ausbrennt – stehst du – vor Gott!

LUISE fährt erschrocken in die Höhe. Jesus! Was ist das? – – – und mir wird sehr übel. Sie sinkt auf den Sessel zurück.

FERDINAND. Schon? – Über euch Weiber und das ewige Rätsel! Die zärtliche Nerve hält Freveln fest, die die Menschheit an ihren Wurzeln zernagen; ein elender Gran Arsenik wirft sie um –

LUISE. Gift! Gift! O mein Herrgott!

FERDINAND. So fürcht ich. Deine Limonade war in der Hölle gewürzt. Du hast sie dem Tod zugetrunken.

LUISE. Sterben! Sterben! Gott allbarmherziger! Gift in der Limonade und sterben! – O meiner Seele erbarme dich, Gott der Erbarmer!

FERDINAND. Das ist die Hauptsache. Ich bitt ihn auch darum.

LUISE. Und meine Mutter – mein Vater – Heiland der Welt! mein armer, verlorener Vater! Ist keine Rettung mehr? Mein junges Leben und keine Rettung! und muß ich jetzt schon dahin?

FERDINAND. Keine Rettung, mußt jetzt schon dahin – aber sei ruhig. Wir machen die Reise zusammen.

LUISE. Ferdinand, auch du! Gift, Ferdinand! Von dir? O Gott, vergiß es ihm – Gott der Gnade, nimm die Sünde von ihm –

FERDINAND. Sieh du nach deinen Rechnungen – Ich fürchte, sie stehen übel.

LUISE. Ferdinand! Ferdinand! – O – Nun kann ich nicht mehr schweigen – der Tod – der Tod hebt alle Eide auf – Ferdinand – Himmel und Erde hat nichts Unglückseligers als dich – Ich sterbe unschuldig, Ferdinand.

FERDINAND erschrocken. Was sagt sie da? – Eine Lüge pflegt man doch sonst nicht auf diese Reise zu nehmen?

LUISE. Ich lüge nicht – lüge nicht – hab nur einmal gelogen mein Leben lang – Hu! Wie das eiskalt durch meine Adern schauert – – als ich den Brief schrieb an den Hofmarschall –

FERDINAND. Ha! dieser Brief! – Gottlob! jetzt hab ich all meine Mannheit wieder.

LUISE ihre Zunge wird schwerer, ihre Finger fangen an gichterisch zu zucken. Dieser Brief – Fasse dich, ein entsetzliches Wort zu hören – Meine Hand schrieb, was mein Herz verdammte – dein Vater hat ihn diktiert.

FERDINAND starr und einer Bildsäule gleich, in langer toter Pause hingewurzelt, fällt endlich wie von einem Donnerschlag nieder.

LUISE. O des kläglichen Mißverstands – Ferdinand – Man zwang mich – vergib – deine Luise hätte den Tod vorgezogen – aber mein Vater – die Gefahr – sie machten es listig.

FERDINAND schrecklich emporgeworfen. Gelobet sei Gott! Noch spür ich den Gift nicht. Er reißt den Degen heraus.

LUISE von Schwäche zu Schwäche sinkend. Weh! Was beginnst du? Es ist dein Vater –

FERDINAND im Ausdruck der unbändigsten Wut. Mörder und Mördervater! – Mit muß er, daß der Richter der Welt nur gegen den Schuldigen rase. Will hinaus.

LUISE. Sterbend vergab mein Erlöser – Heil über dich und ihn. Sie stirbt.

FERDINAND kehrt schnell um, wird ihre letzte, sterbende Bewegung gewahr und fällt in Schmerz aufgelöst vor der Toten nieder. Halt! Halt! Entspringe mir nicht, Engel des Himmels! Erfaßt ihre Hand an und läßt sie schnell wieder fallen. Kalt, kalt und feucht! Ihre Seele ist dahin. Er springt wieder auf. Gott meiner Luise! Gnade, Gnade dem verruchtesten der Mörder! Es war ihr letztes Gebet! – – Wie reizend und schön auch im Leichnam! Der gerührte Würger ging schonend über diese freundliche Wangen hin – Diese Sanftmut war keine Larve – sie hat auch dem Tod standgehalten. Nach einer Pause. Aber wie? Warum fühl ich nichts? Will die Kraft meiner Jugend mich retten? Undankbare Mühe! Das ist meine Meinung nicht. Er greift nach dem Glase.

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