Phädra. Oenone.
Phädra.
Gehen wir nicht weiter, ruhn wir hier, Oenone!
Ich halte mich nicht mehr, die Kräfte schwinden,
Mich schmerzt des Tages ungewohnter Glanz,
Und meine Knie zittern unter mir.
Ach!
(Sie setzt sich.)
Oenone.
Große Götter, schaut auf unsre Tränen!
Phädra.
Wie diese schweren Hüllen auf mir lasten,
Der eitle Prunk! Welch ungebetne Hand
Hat diese Zöpfe künstlich mir geflochten,
Mit undankbarer Mühe mir das Haar
Um meine Stirn geordnet? Muss sich alles
Verschwören, mich zu kränken, mich zu quälen?
Oenone.
So ist sie ewig mit sich selbst im Streit!
– Du selbst, o Königin, besinn’ dich doch,
Dein trauriges Beginnen widerrufend,
Hast unsern Fleiß ermuntert, dich zu schmücken.
Du fühltest dir noch Kräfte, dich hervor
Zu wagen und der Sonne Licht zu sehn.
Du siehst es jetzt und hassest seinen Strahl!
Phädra.
Glanzvoller Stifter meines traurigen Geschlechts!
Du, dessen Enkeltochter ich mich rühme!
Der über meine schmähliche Verwirrung
Vielleicht errötet – hoher Sonnengott!
Zum letzten Male seh’ ich deine Strahlen.
Oenone.
Weh mir, noch immer nährst du, Königin,
Den traur’gen Vorsatz und entsagst dem Leben?
Phädra (schwärmerisch).
O säß’ ich draußen in der Wälder Grün! –
Wann wird mein Aug’ auf der bestäubten Bahn
Des raschen Wagens flücht’gen Lauf verfolgen?
Oenone.
Wie, Königin? Was ist das?
Phädra.
Ach, ich bin
Von Sinnen – Was hab’ ich gesagt? – Oenone –
Ich weiß nicht, was ich wünsche, was ich sage;
Ein Gott hat die Besinnung mir geraubt –
Fühl’ her, wie meine Wange glüht, Oenone!
Zu sehr verriet ich meine Schwäche dir,
Und wider Willen stürzen mir die Tränen.
Oenone.
Musst du erröten, über dieses Schweigen
Erröte, diesen strafbar’n Widerstand,
Der nur die Stacheln deiner Schmerzen schärft.
Willst du, von unserm Flehen ungerührt,
Hartnäckig alle Hilfe von dir stoßen,
Und rettungslos dein Leben schwinden sehn?
Was für ein Wahnsinn setzt ihm vor der Zeit
Ein frühes Ziel? Was für ein Zauber, welch
Ein heimlich Gift macht seine Quellen stocken?
Dreimal umzog den Himmel schon die Nacht,
Seitdem kein Schlummer auf dein Auge sank,
Und dreimal wich die Finsternis dem Tag,
Seitdem dein Körper ohne Nahrung schmachtet.
Welch grässlichem Entschlusse gibst du Raum?
Darfst du mit Frevelmut dich selbst zerstören?
Das heißt den Göttern trotzen, ist Verrat
Am Gatten, dem du Treue schwurst, Verrat
An deinen Kindern, den unschuld’gen Seelen,
Die du zu hartem Sklavenjoch verdammst.
Der Tag, der ihre Mutter ihnen raubt,
Bedenk’ es, Königin, er gibt dem Sohn
Der Amazone* seine Hoffnung wieder,
Dem stolzen Feinde deines Blutes, ihm,
Dem Fremdling, diesem Hippolyt –
Phädra.
Ihr Götter!
Oenone.
Ergreift die Wahrheit dieses Vorwurfs dich?
Phädra.
Unglückliche! Wen hast du jetzt genannt?
Oenone.
Mit Recht empört sich dein Gemüt, mich freut’s,
Dass dieser Unglücksname dich entrüstet!
Drum lebe! Lass die Liebe, lass die Pflicht
Es dir gebieten! Lebe! Dulde nicht,
Dass dieser Scythe das verhasste Joch
Auf deine Kinder lege! Der Barbar
Dem schönsten Blute Griechenlands gebiete!
Jetzt aber eile – jeder Augenblick,
Den du versäumst, bringt näher dich dem Tode –
Verschieb’s nicht länger, die erliegende
Natur zu stärken, weil die Lebensflamme
Noch brennt, und noch aufs neu sich lässt entzünden.