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Phädra (Racine) – Erster Aufzug. Dritter Auftritt.

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Phädra.
Sei auf Grässliches gefasst.
Ich liebe – das Herz erzittert mir, mir schaudert,
Es heraus zu sagen – Ich liebe –

Oenone.
Wen?

Phädra.
– Du kennst ihn,
Den Jüngling, ihn, den ich so lang verfolgte,
Den Sohn der Amazone –

Oenone.
Hippolyt?
Gerechte Götter!

Phädra.
Du nanntest ihn, nicht ich.

Oenone.
Gott! All mein Blut erstarrt in meinen Adern.
O Jammer! O verbrechenvolles Haus
Des Minos! Unglückseliges Geschlecht!
O dreimal unglücksel’ge Fahrt! Dass wir
An diesem Unglücksufer mussten landen!

Phädra.
Schon früher fing mein Unglück an. Kaum war
Dem Sohn des Aegeus mein Treu’ verpfändet,
Mein Friede schien so sicher mir gegründet,
Mein Glück mir so gewiss, da zeigte mir
Zuerst Athenä meinen stolzen Feind.
Ich sah ihn, ich errötete, verblasste
Bei seinem Anblick, meinen Geist ergriff
Unendliche Verwirrung, finster ward’s
Vor meinen Augen, mir versagte die Stimme,
Ich fühlte mich durchschauert und durchflammt,
Der Venus furchtbare Gewalt erkannt’ ich,
Und alle Qualen, die sie zürnend sendet.
Durch fromme Opfer hofft ich sie zu wenden,
Ich baut’ ihr einen Tempel, schmückt ihn reich,
Ich ließ der Göttin Hekatomben fallen,
Im Blut der Tiere sucht’ ich die Vernunft,
Die mir ein Gott geraubt – Ohnmächtige
Schutzwehren gegen Venus Macht! Umsonst
Verbrannt’ ich köstlich Rauchwerk auf Altären;
In meinem Herzen herrschte Hippolyt,
Wenn meine Lippe zu der Göttin flehte.
Ihn sah ich überall und ihn allein,
Am Fuße selbst der rauchenden Altäre
War er der Gott, dem ich die Opfer brachte.
Was frommte mir’s, dass ich ihn überall
Vermied – O unglückseliges Verhängnis!
In des Vaters Zügen fand ich ihn ja wieder.
Mit Ernst bekämpft’ ich endlich mein Gefühl;
Ich tat Gewalt mir an, ihn zu verfolgen.
Stiefmütterliche Launen gab ich mir,
Den allzu teuren Feind von mir zu bannen.
Ich ruhte nicht, bis er verwiesen ward,
In den Vater stürmt’ ich ein mit ew’gem Dringen,
Bis ich den Sohn aus seinem Arm gerissen –
Ich atmete nun wieder frei, Oenone,
In Unschuld flossen meine stillen Tage,
Verschlossen blieb in tiefer Brust mein Gram,
Und unterwürfig meiner Gattinpflicht
Pflegt’ ich die Pfänder unsrer Unglücksehe!
Verlorne Müh’! O Tücke des Geschicks!
Mein Gatte bringt ihn selbst mir nach Trözene;
Ich muss ihn wieder sehn, den ich verbannt,
Und neu entbrennt die nie erstickte Glut.
Kein heimlich schleichend Feuer ist es mehr,
Mit voller Wut treibt mich der Venus Zorn.
Ich schaudre selbst vor meiner Schuld zurück,
Mein Leben hass’ ich und verdamme mich,
Ich wollte schweigend zu den Toten gehen,
Im tiefen Grabe meine Schuld verhehlen –
Dein Flehn bezwang mich, ich gestand dir alles,
Und nicht bereuen will ich, dass ich’s tat,
Wenn du fortan mit ungerechtem Tadel
Die Sterbende verschonst, mit eitler Müh’
Mich nicht dem Leben wiedergeben willst.

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