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Friedrich Schiller »Das Glück« – Text, Inhaltsangabe, Interpretation

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In seinem Gedicht Das Glück (1798) feiert Friedrich Schiller die Herrlichkeit des Glücks als ein Geschenk der Götter. Für seine Darstellung bedient sich Schiller fast ausschließlich bei mythologischen Bildern.

Was dich hier über das Gedicht »Das Glück« erwartet

  1. Text des Gedichtes mit Worterklärungen und Verszählung
  2. Entstehung des Gedichtes
  3. Idee und Inhalt
  4. Sprachliche Mittel

Bei den Kommentaren kannst du auch Fragen stellen.

Text des Gedichts

Das Glück

 Selig, welchen die Götter, die gnädigen, vor der Geburt schon
 Liebten, welchen als Kind Venus1 im Arme gewiegt,
 Welchem Phöbus2 die Augen, die Lippen Hermes3 gelöset,
 Und das Siegel der Macht Zeus auf die Stirne gedrückt!
5Ein erhabenes Los, ein göttliches, ist ihm gefallen,
 Schon vor des Kampfes Beginn sind ihm die Schläfe bekränzt.
 Ihm ist, eh er es lebte, das volle Leben gerechnet,
 Eh er die Mühe bestand, hat er die Charis4 erlangt.
 Groß zwar nenn ich den Mann, der, sein eigner Bildner und Schöpfer,
10Durch der Tugend Gewalt selber die Parze5 bezwingt,
 Aber nicht erzwingt er das Glück, und was ihm die Charis
 Neidisch geweigert, erringt nimmer der strebende Mut.
 Vor Unwürdigem kann dich der Wille, der ernste, bewahren,
 Alles Höchste, es kommt frei von den Göttern herab.
15Wie die Geliebte dich liebt, so kommen die himmlischen Gaben,
 Oben in Jupiters Reich herrscht wie in Amors6 die Gunst.
 Neigungen haben die Götter, sie lieben der grünenden Jugend
 Lockigte Scheitel, es zieht Freude die Fröhlichen an.
 Nicht der Sehende wird von ihrer Erscheinung beseligt,
20Ihrer Herrlichkeit Glanz hat nur der Blinde geschaut;
 Gern erwählen sie sich der Einfalt kindliche Seele,
 In das bescheidne Gefäß schließen sie Göttliches ein.
 Ungehofft sind sie da und täuschen die stolze Erwartung,
 Keines Bannes Gewalt zwinget die Freien herab.
25Wem er geneigt, dem sendet der Vater der Menschen und Götter7
 Seinen Adler8 herab, trägt ihn zu himmlischen Höhn,
 Unter die Menge greift er mit Eigenwillen, und welches
 Haupt ihm gefället, um das flicht er mit liebender Hand
 Jetzt den Lorbeer und jetzt die herrschaftgebende Binde;
30Krönte doch selber den Gott nur das gewogene Glück.
 Vor dem Glücklichen her tritt Phöbus, der pythische Sieger9,
 Und der die Herzen bezwingt, Amor, der lächelnde Gott.
 Vor ihm ebnet Poseidon10 das Meer, sanft gleitet des Schiffes
 Kiel, das den Cäsar führt und sein allmächtiges Glück.
35Ihm zu Füßen legt sich der Leu, das brausende Delphin
 Steigt aus den Tiefen, und fromm beut es den Rücken ihm an.
 Zürne dem Glücklichen nicht, daß den leichten Sieg ihm die Götter
 Schenken, daß aus der Schlacht Venus den Liebling entrückt.
 Ihn, den die lächelnde rettet, den Göttergeliebten beneid ich,
40Jenen nicht, dem sie mit Nacht deckt den verdunkelten Blick.
 War er weniger herrlich, Achilles11, weil ihm Hephästos12
 Selbst geschmiedet den Schild und das verderbliche Schwert,
 Weil um den sterblichen Mann der große Olymp sich beweget?
 Das verherrlichet ihn, daß ihn die Götter geliebt,
45Daß sie sein Zürnen geehrt und, Ruhm dem Liebling zu geben,
 Hellas‘ bestes Geschlecht stürzten zum Orkus13 hinab.
 Zürne der Schönheit nicht, daß sie schön ist, daß sie verdienstlos
 Wie der Lilie Kelch prangt durch der Venus Geschenk,
 Laß sie die Glückliche sein, du schaust sie, du bist der Beglückte,
50Wie sie ohne Verdienst glänzt, so entzücket sie dich.
 Freue dich, daß die Gabe des Lieds vom Himmel herabkommt,
 Daß der Sänger dir singt, was ihn die Muse gelehrt,
 Weil der Gott ihn beseelt, so wird er dem Hörer zum Gotte,
 Weil er der Glückliche ist, kannst du der Selige sein.
55Auf dem geschäftigen Markt, da führe Themis14 die Wage,
 Und es messe der Lohn streng an der Mühe sich ab;
 Aber die Freude ruft nur ein Gott auf sterbliche Wangen,
 Wo kein Wunder geschieht, ist kein Beglückter zu sehn.
 Alles Menschliche muß erst werden und wachsen und reifen,
60Und von Gestalt zu Gestalt führt es die bildende Zeit,
 Aber das Glückliche siehest du nicht, das Schöne nicht werden,
 Fertig von Ewigkeit her steht es vollendet vor dir.
 Jede irdische Venus ersteht wie die erste des Himmels,
 Eine dunkle Geburt aus dem unendlichen Meer;
65Wie die erste Minerva15, so tritt mit der Ägis16 gerüstet
 Aus des Donnerers Haupt jeder Gedanke des Lichts.

  1. Venus: röm. Göttin der Liebe und Schönheit
  2. Phöbus: griech. Gott des Lichts, der Heilung, des Frühlings, der sittlichen Reinheit und Mäßigung sowie der Weissagung und der Künste
  3. Hermes: der Götterbote
  4. Charis: Anmut, auch Name der Göttin der Anmut
  5. Parze: Schicksalsgöttin
  6. Amor: Röm. Gott der Liebe
  7. Vater der Menschen und Götter: Zeus
  8. Adler: ein Attribut von Zeus
  9. pythischer Sieger: Apollon besiegte den Drachen Pytho, um das Orakel von Delphi in Besitz zu nehmen. Er gilt seit diesem Kampf als „pythischer Sieger“.
  10. Poseidon: Gott des Meeres, Bruder von Zeus
  11. Achilles: Ruhmreicher, fast unverwundbarer Kämpfer der Griechen, die im Trojanischen Krieg fiel.
  12. Hephästos: griech. Gott des Feuers und der Schmiede
  13. Orkus: Gott der Unterwelt
  14. Themis: Tochter des Uranos (Himmel) und der Gaia (Erde) und gehört zum Göttergeschlecht der Titanen. Sie gilt als Göttin der Gerechtigkeit und der Ordnung sowie der Philosophie.
  15. Minerva: röm. Göttin der Weisheit, der Strategie und des Kampfes, der Kunst, des Handwerks und der Handarbeit
  16. Ägis: Ein mythisches Schutzschild, das Athene aus dem Fell eines Ungeheuers machte.
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