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Charakterisierung der Figuren aus Schillers »Wallensteins Lager«

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Bei den Figuren in Wallensteins Lager kam es Schiller besonders darauf an, sie nicht nur als Repräsentanten ihrer Nationen, sondern auch als vorläufige Abbilder ihrer später zu erwartenden Heerführer hinzustellen.

Kroatischer Soldat

Der einfältige Kroate, der sich von dem Scharfschützen prellen lässt und für seinen Kapuziner entschlossen in die Schranken tritt, ist der Stellvertreter des gemeinen Haufens. Er denkt nicht weiter, sondern lässt sich „eben nur schlachten“. Gleichzeitig ist er auch das treue Abbild seines Generals, des rohen und leichtfertigen Isolani.

Der Jäger Peter aus Itzehoe

Der erste Jäger, der lange Peter aus Itzehoe, der wer weiß wie oft den Dienst gewechselt hat, repräsentiert die Abenteurer und Glücksritter, die sich in großer Masse besonders in dem Holkschen Corps fanden. Obwohl dem Schreibepult entlaufen, legt er doch einen gewissen Wert auf Lesen und Schreiben. Sonst aber ist ihm das zügellose Leben sein eigentlicher Lebensgenuss. Die lockende Aussicht auf Beute eine Veranlassung, mit Geringschätzung auf den Bürger herabzublicken. Ihm zu Seite steht der Dragoner aus dem Buttler‘schen Regiment, ein unzuverlässiger Charakter, der eben auch nur des Glückes Stern folgt.

Arkebusiere vom Regiment Tiefenbach

Ein ganz anderes Gepräge dagegen zeigt der ehrliche Deutsche, der Arkebusier aus dem Regiment Tiefenbach, der die Pflicht um seines Eides willen tut, dem der Sinn für Familienleben nicht abhanden gekommen ist, der in dem betrügerischen Bauern immer noch den Menschen sieht und ihn als solchen verschont wissen will. Es ist eine Gesinnung, die der großen Masse des Heeres als philiströs, als eines Seifensieders würdig erscheint. Diese Gesinnung vertritt neben anderen auch der Trompeter, ein Freund des Schmucken und Stattlichen, der sich vielleicht auf seine roten Haare etwas zu Gute tut, den Wert und die Bedeutung anderer Stände gering anschlägt und keine andere Ehre kennt, als Wallenstein unbedingt ergeben zu sein, wie die Terzky‘schen Regimenter überhaupt.

Wachtmeister

Vor allen anderen aber ragt der Wachtmeister hervor, der gravitätische Pedant aus dem Regiment Friedland, der seinen Feldherrn so gut kopieren kann, weil er ihn öfter sieht als andere. Dies gibt ihm auch das Recht, so geheimnisvoll zu tun und den Eingeweihten zu spielen, der manches verraten könnte, wenn es sich nur mit der Würde seiner Stellung vertragen würde. Dass einem solchen Mann nichts willkommener sein kann als ein Rekrut, das liegt auf der Hand. Einem solchen Bürgerssohn gegenüber kann er sich seinem Stand, wie seiner Charge gemäß mit vornehmer Herablassung in seinen Reden bewegen. Deshalb lässt er ihn auch den ganzen Abstand zwischen einem „alten gedienten Soldaten“ und einem Neuling fühlen. Er versteht es, selbst seinem Stock eine höhere Bedeutung zu geben.

Kürassier

Neben ihm ist der erste Kürassier gleichfalls ein Soldat, wie er sein soll, der allerdings auch sein Glück in der ganzen Welt versucht hat. Das Soldatenleben liebt er um des Standes willen. Als echter Pappenheimer weiß er den Vorzug dessen, worum sein Corps vom Feldherrn gewürdigt wird, wohl zu schätzen und hält etwas auf Soldatenehre. Es liegt ein gewisser Edelmut in seinem Benehmen, der an das Heroische streift und auf einen Führer wie Max schließen lässt, dessen Charakter uns volle Achtung abnötigt.

Ein Bauer

Aber das Bild in Wallensteins Lagers würde unvollständig sein, wenn es uns nicht auch die Kehrseite des munteren Soldatenlebens vorführen würde. Diese wird zunächst durch den Bauer dargestellt, den der Krieg nicht nur zu Grunde gerichtet hat, sondern an dem er auch seine entsittlichende Wirkung verbrachte. Die Soldaten heimlich betrügen, um mit List das Verlorene wieder zu gewinnen, das ist jetzt sein trauriges Geschäft geworden. Gewiss würde sich an ihm das Sprichwort bewahrheiten: „Die kleinen Diebe hängt man und die großen lässt man laufen“, wenn nicht der noble Kürassier als sein rettender Engel erscheinen würde.

Gustel aus Blasewitz, die Marketenderin

Schillers Geschichte des dreißigjährigen Krieges spricht auch von fünfzehntausend Weibern, die das Wallensteins Lager zählte, da die Gewohnheit jener Zeiten dem Soldaten erlaubte, seine Familie mit in das Feld zu führen. Als eine würdige Repräsentantin dieses eigentümlichen Trosses erscheint die Marketenderin Gustel aus Blasewitz, die der „rauhe Kriegesbesen“ weit in der Welt herumgeführt hat. Ein Muster von weiblicher Zurückhaltung wird man natürlich in ihr nicht suchen. Muss sie doch, die von den Soldaten lebt, ihrer ganzen Gesinnung nach mit ihnen übereinstimmen. Wir bewundern aber das vortreffliche Gedächtnis dieser wichtigen Person, die, wenn auch mit einiger Übertreibung, die halbe Armee in ihrem Buch zu stehen hat, was wir ihr umso lieber glauben, als in den sämtlichen fünf Szenen, in denen sie erscheint, nur ein einziger, und zwar ein Tiefenbacher, sie nach der Zeche fragt. Der köstliche Humor, mit dem diese Figur behandelt ist, erinnert daran, dass Schiller während seines Aufenthalts in Loschwitz bei Dresden öfter in das Dorf Blasewitz am entgegengesetzten Ufer der Elbe fuhr, wo eine niedliche Gastwirtstochter ihn lebhaft interessierte. Diese „Gustel aus Blasewitz“, die er hier in seiner Marketenderin verewigt hat, vermählte sich später mit dem Senator Renner in Dresden.

Der Kapuziner

Wir schließen die Reihe der Personen mit dem an den Pater in den Räubern erinnernden Kapuziner, den der Dichter zuletzt in sein Stück hineingebracht hat. Denn neben dem Soldatenschulmeister, der wenig zu sagen hat, musste natürlich auch der umso bedeutungsvollere geistliche Stand vertreten sein. Damit Schiller sich zu dieser Figur in die rechte Stimmung versetzen konnte, lieh ihm Goethe eine Schrift von dem erst dreißig Jahre nach Wallensteins Tod berühmt gewordenen Abraham a Sancta Clara. Schiller schreibt selbst darüber: „Dieser Pater Abraham ist ein prächtiges Original, vor dem man Respect bekommen muß, und es ist eine interessante und keinesweges leichte Aufgabe, es ihm in der Tollheit und in der Geschmeidigkeit nach oder gar zuvor zu thun.“ Aus seiner Quelle benutzt Schiller einige Stellen wörtlich. Schillers Kapuziner ist ein Repräsentant des Zelotismus, der Bettelorden jener Zeit, und spielt im Lager dieselbe Rolle in einer offenen und derben Weise, die später Pater Lamormain – fein und versteckt und darum ganz richtig im Hintergrunde bleibend – am Hofe spielt. Durch die allen Eiferern überhaupt anhaftende Keckheit, die mit seinem Stand seltsam kontrastiert, wird er natürlich auch humoristisch. Sber streng genommen ist er eigentlich nur erbittert und dabei zur Übertreibung geneigt. Er kann nur draufschlagen und die Leute schlecht machen, sodass kein gutes Haar an ihnen bleibt. Er versteht es, mit gewissen Schlagwörtern vor allem auf die Gesamtheit zu schimpfen. Dadurch natürlich gelingt es ihm, den Einzelnen für sich zu gewinnen, der in dem Gefühl, keineswegs so abscheulich zu sein wie die Geschilderten, am liebsten an seine Nebenmenschen denkt, sich selbst aber am wenigsten getroffen fühlt. Außerdem versteht es dieser Kapuziner, seine Zuhörer durch allerlei lustige Wortspiele zu amüsieren. Er imponiert ihnen nicht nur durch eine gewichtige Anzahl lateinischer Brocken, die er ihnen auf möglichst freie Weise übersetzt, damit sie auch genau auf die Soldaten passen, sondern gleichzeitig durch eine Menge guter und böser Beispiele aus der Bibel, hinter denen er sich mit seinen Schimpfreden sicher verschanzen kann. Als sich seine Erbitterung jedoch gegen den von der Geistlichkeit verketzerten, von den Soldaten aber hochverehrten Feldherrn richtet, machen diese ihm handgreiflich klar, dass sie sich so etwas nicht gefallen lassen wollen. Nur die einfältigen Kroaten, auf die seine Rede sichtbar eingewirkt hat, nehmen sich seiner an. Das genügt ihm aber vorläufig auch. Denn hat er nur erst den Soldatenpöbel für sich gewonnen, werden die anderen schon nachfolgen, sobald der Feldherr mit seiner verbrecherischen Tat hervortritt.