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Schillers »Wallenstein« – Interpretation

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Als Schiller im Herbst des Jahres 1796 mit der dramatischen Gestaltung seines Stoffes den Anfang gemacht hatte, schrieb er an Körner: „Die Basis, worauf Wallenstein sein Unternehmen gründet, ist die Armee: für mich eine unendliche Fläche, die ich nicht vor’s Auge und nur mit unsäglicher Kunst vor die Phantasie bringen kann; ich kann also das Object, worauf er ruht, nicht zeigen, und eben so wenig das, wodurch er fällt: das ist ebenfalls die Stimmung der Armee, der Hof, der Kaiser.“ Allerdings bot die Weitläufigkeit des Schauplatzes mit seinen zahlreichen Parteien, seinen höchst verwickelten Verhältnissen und den weitverzweigten Fäden, aus denen der Knoten des Stückes zu schürzen war, dem Anschein nach unüberwindliche Schwierigkeiten dar. Dennoch konnte Schiller schon nach einem Jahre am 5. Januar 1798 an Goethe schreiben: „Ich finde augenscheinlich, daß ich über mich hinausgegangen bin, welches die Frucht unseres Umgangs ist … Ich werde es mir gesagt sein lassen, keine andere als historische Stoffe zu wählen; frei erfundene würden meine Klippe sein. Es ist eine ganz andere Operation, das Realistische zu idealisiren, als das Ideale zu realisiren. Es steht in meinem Vermögen, eine gegebene, bestimmte und beschränkte Materie zu beleben, zu erwärmen und gleichsam aufquellen zu machen, während die objective Bestimmtheit eines solchen Stoffes meine Phantasie zügelt und meiner Willkür widersteht.“ Diese Worte des Dichters sagen uns deutlich, in welchem Verhältnis sein Drama zur Geschichte steht. Wenngleich der historische Boden ihm alle notwendigen Elemente lieferte, aus denen er eine lebendige Handlung hervorgehen lassen konnte, war er als Dichter aber weder im Stande noch gewillt, die geschichtliche Treue nach allen Richtungen hin zu wahren. Es kann daher nicht auffallen, wenn er sein Material mit großer Freiheit behandelt. Dies und Jenes bringt, was der Historiker anders darstellt, manches Tatsächliche von einer Person auf die andere überträgt. Dagegen finden wir, dass der ganze Geist jener Zeit mit Ernst und Treue festgehalten ist, und bedeutsame Momente der Geschichte, über welche wir Äußerungen aus dem Mund der handelnden Personen vernehmen, mit einem hohen Grade von Anschaulichkeit uns vor die Seele treten.

Die Haupthandlung aber lässt der Dichter sich aus dem Inneren seines Helden entwickeln, den ihm die Geschichte als einen stolzen, ehrgeizigen, von Gedanken der Rache erfüllten Mann gezeigt, entschlossen, sich gegen seinen Kaiser und gegen die bestehende Ordnung aufzulehnen. Die Beziehungen seines Helden zu der Welt, die denselben ins Dasein rief, gestaltete und mit seinem Sturz zu Grunde richtete, sie bilden den geschichtlichen Inhalt des Stückes.

Zu diesem geschichtlichen Rahmen stellt Schiller subjektive, tragische Aspekte, die die Dramatik seines Werkes ausmachen. Einerseits macht er den Wallenstein zu einer Schicksalstragödie nach dem Vorbild des Altertums, worin seine Helden unentwegt ihrem Schicksal entgegen gehen und sich diesen letztendlich fügen. Andererseits fügt Schiller seiner Handlung in der Liebesgeschichte zwischen der Thekla und dem Max Piccolomini einen weiteren tragischen Aspekt hinzu.

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