Andres Zimmer im Schloß.
Räuber Moor von der einen Seite, Daniel von der andern.
MOOR hastig. Wo ist das Fräulein?
DANIEL. Gnädiger Herr! Erlaubt einem armen Mann, Euch um etwas zu bitten.
MOOR. Es ist dir gewährt, was willst du?
DANIEL. Nicht viel, und alles, so wenig und doch so viel – laßt mich Eure Hand küssen!
MOOR. Das sollst du nicht, guter Alter! Umarmt ihn. Den ich Vater nennen möchte.
DANIEL. Eure Hand, Eure Hand! ich bitt Euch.
MOOR. Du sollst nicht.
DANIEL. Ich muß! Er greift sie, betrachtet sie schnell und fällt vor ihm nieder. Lieber, bester Karl!
MOOR erschrickt, faßt sich, fremd. Freund, was sagst du? Ich verstehe dich nicht.
DANIEL. Ja, leugnet es nur, verstellt Euch! Schön, schön! Ihr seid immer mein bester, köstlicher Junker – Lieber Gott! daß ich alter Mann noch die Freude – dummer Tölpel ich, daß ich Euch nicht gleich – ei du himmlischer Vater! so seid ihr ja wiedergekommen, und der alte Herr ist unterm Boden, und da seid ihr ja wieder – was für ein blinder Esel ich doch war Sich vor den Kopf schlagend. daß ich Euch nicht im ersten Hui – ei du mein! wer hätte sich das träumen lassen! – um was ich mit Tränen betete, – Jesus Christus! Da steht er ja leibhaftig wieder in der alten Stube!
MOOR. Was ist das für eine Sprache? Seid ihr vom hitzigen Fieber aufgesprungen, oder wollt Ihr eine Komödienrolle an mir probieren?
DANIEL. Ei pfui doch, pfui doch! Das ist nicht fein, einen alten Knecht so zum besten haben – Diese Narbe! He, wißt Ihr noch? – Großer Gott! Was Ihr mir da für eine Angst einjagtet – ich hab Euch immer so lieb gehabt, und was Ihr mir da für Herzeleid hättet anrichten können – Ihr saßt mir im Schoß – wißt Ihr noch? – dort in der runden Stube – gelt, Vogel? Das habt Ihr freilich vergessen – auch den Kuckuck, den Ihr so gern hörtet – denkt doch! der Kuckuck ist zerschlagen, in Grundsboden geschlagen – die alte Susel hat ihn verwettert, wie sie die Stube fegte – ja freilich, und da saßt Ihr mir im Schoß und rieft Hotto! und ich lief fort, Euch den Hottogaul zu holen – Jesus Gott! Warum mußt ich alter Esel auch fortlaufen? – und wie mirs siedigheiß über den Buckel lief – wie ich das Zetergeschrei höre draußen im Öhrn, spring herein, und da lief das helle Blut, und laget am Boden und hattet – heilige Mutter Gottes! War mirs nicht, als wenn mir ein Kübel eiskalt Wasser übern Nacken spritzte – aber so gehts, wenn man nicht alle Augen auf die Kinder hat. Großer Gott, wenns ins Aug gegangen wäre – wars darzu noch die rechte Hand. Mein Lebenstag, sagt ich, soll mir kein Kind mehr ein Messer oder eine Schere oder so was Spitziges, sagt ich, in die Hände kriegen, sagt ich – war zum Glück noch Herr und Frau verreiset – ja, ja, das soll mir mein Tag des Lebens eine Warnung sein, sagt ich – Jemini, Jemini! ich hätte vom Dienst kommen können, ich hätte – Gott der Herr verzeihs Euch, gottloses Kind – aber gottlob! es heilte glücklich bis auf die wüste Narbe.
MOOR. Ich begreife kein Wort von allem, was du sagst.
DANIEL. Ja gelt, gelt? das war noch eine Zeit? Wie manches Zuckerbrot, oder Biskuit oder Makrone ich Euch hab zugeschoben, hab Euch immer am gernsten gehabt, und wißt Ihr noch, was Ihr mir drunten sagtet im Stall, wie ich Euch auf des alten Herrn seinen Schweißfuchsen setzte, und Euch auf der großen Wiese ließ herumjagen? Daniel, sagtet Ihr, laß mich nur einen großen Mann werden, Daniel, so sollst du mein Verwalter sein, und mit mir in der Kutsche fahren – Ja, sagt ich und lachte, wenn Gott Leben und Gesundheit schenkt, und Ihr Euch eines alten Mannes nicht schämen werdet, sagt ich, so will ich Euch bitten, mir das Häuschen drunten im Dorf zu räumen, das schon eine gute Weil leer steht, und da wollt ich mir ein Eimer zwanzig Wein einlegen, und wirtschaften in meinen alten Tagen. – Ja lacht nur, lacht nur! Gelt junger Herr, das habt Ihr rein ausgeschwitzt? – den alten Mann will man nicht kennen, da tut man so fremd, so fürnehm – o Ihr seid doch mein goldiger Junker – freilich halt ein bißchen lucker gewesen – nimmt mirs nicht übel! – Wie’s eben das junge Fleisch meistens ist – am Ende kann noch alles gut werden.
MOOR fällt ihm um den Hals. Ja! Daniel, ich wills nicht mehr verhehlen! Ich bin dein Karl, dein verlorner Karl! Was macht meine Amalia?
DANIEL fängt an zu weinen. Daß ich alter Sünder noch die Freude haben soll, – und der Herr selig weinete umsonst! – Abe, abe, weißer Schädel! mürbe Knochen, fahret in die Grube mit Freuden! Mein Herr und Meister lebt, ihn haben meine Augen gesehen!
MOOR. Und will halten, was er versprochen hat, – nimm das, ehrlicher Graukopf, für den Schweißfuchsen im Stall Dringt ihm einen schweren Beutel auf. nicht vergessen hab ich den alten Mann.
DANIEL. Wie, was treibt Ihr? Zu viel! Ihr habt Euch vergriffen.
MOOR. Nicht vergriffen, Daniel! Daniel will niederfallen. Steh auf, sage mir, was macht meine Amalia?
DANIEL. Gottes Lohn! Gottes Lohn! Ei Herr Jerem! – Eure Amalia, oh die wirds nicht überleben, die wird sterben vor Freude!
MOOR heftig. Sie vergaß mich nicht?
DANIEL. Vergessen? Wie schwätzt Ihr wieder? Euch vergessen? – da hättet Ihr sollen dabei sein, hättets sollen mitansehn, wie sie sich gebärdete, als die Zeitung kam, Ihr wärt gestorben, die der gnädige Herr ausstreuen ließ –
MOOR. Was sagst du? Mein Bruder –
DANIEL. Ja, Euer Bruder, der gnädige Herr, Euer Bruder – ich will Euch ein andermal mehr davon erzählen, wenns Zeit dazu ist – und wie sauber sie ihm abkappte, wenn er ihr alle Tage, die Gott schickt, seinen Antrag machte, und sie zur gnädigen Frau machen wollte. O ich muß hin, muß hin, ihr sagen, ihr die Botschaft bringen. Will fort.