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Die Räuber – Die unterdrückte Vorrede, 1781

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Es ist das ewige Da capo mit Abdera und Demokrit, und unsere Hippokrate müßten ganze Plantagen Nießwurz erschöpffen, wenn sie diesem Unwesen durch einen heilsamen Kräutertrank abhelffen wollten. Noch so viele Freunde der Wahrheit und Tugend mögen zusammenstehen ihren Mitbürgern auf offener Bühne Schule zu halten, der Pöbel hört nie auf Pöbel zu seyn, und wenn Sonne und Mond sich wandeln, und Himmel und Erde veralten wie ein Kleid, die Narren bleiben immer sich selbst gleich, wie die Tugend. Mort de ma vie sagt Herr Eisenfresser, das heiß ich einen Sprung! Fy – Fy flistert die Mamsell, die Coeffure der kleinen Sängerin war viel zu altmodisch – Sacre dieu sagt der Friseur, welche göttliche Sinfonie! Da führen die Deutsche Hunde dagegen! Sternhagelbataillon, den Kerl hättest du sehen sollen das rosenfarbene Mädel hinter die spanische Wand schmeissen, sagt der Kutscher zum Laquaien, der sich vor Frieren und Langeweile in die Komödie eingeschlichen hatte – Sie fiel recht artig, sagt die gnädige Tante recht gustös sur mon honneur (und spreitet ihren damastenen Schlamp weit aus) – was kostet sie diese Eventaille mein Kind? – Und auch mit viel Expression viel submission – Fahr zu Kutscher! –

Nun gehe man hin und frage! – Sie haben die Emilia gespielt. –

Diß könnte mich allenfalls schon entschuldigen, daß mirs gar nicht darum zu thun war, für die Bühne zu schreiben. Nicht aber das Auditorium allein, auch selbst das Theater schrökte mich ab. Wehe genüg würde es mir thun, wenn ich so manche Leidenschafft mit allen Vieren zerstampfen, so manchen großen und edlen Zug erbärmlich maßakriren, und meines Räubers Majestät in der Stellung eines Stallknechts müßte erzwingen sehen. Ich würde mich übrigens glücklich schätzen, wenn mein Schauspiel die Aufmerksamkeit eines deutschen Roscius verdiente.

Schließlich will ich nicht bergen, daß ich der Meinung bin, der Applausus des Zuschauers sey nicht immer der Maaßstab für den Werth eines Dramas. Der Zuschauer vom gewaltigen Licht der Sinnlichkeit geblendet, übersieht offt eben sowohl die feinsten Schönheiten, als die untergeflossenen Flecken, die sich nur dem Auge des bedachtsamen Lesers entblößen. Vielleicht ist das gröste Meisterstük des britischen Aeschylos nicht am meisten beklatscht worden, vielleicht muß er in seiner rohen scythischen Pracht denen à la mode (verschönerten oder verhunzten?) Kopien von Gotter, Weisse und Stephanie weichen.

So viel von meiner Versündigung gegen den Schauplaz – Eine Rechtfertigung über die Oekonomie meines Schauspiels selbst würde wohl keine Vorrede erschöpffen. Ich überlasse sie daher ihrem eigenen Schiksal, weit entfernt meine Richter mit zierlichen Worten zu bestechen wenn ich ihre Strenge zu befürchten fände, oder auf Schönheiten aufmerksam machen, wenn ich irgend welche darinn gefunden hätte.

Geschrieben in der Ostermesse.
1781.
Der Herausgeber.

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