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Don Carlos – 1. Akt, 2. Auftritt

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Carlos.
Laß mich weinen,
An deinem Herzen heiße Thränen weinen,
Du einz’ger Freund. Ich habe Niemand – Niemand –
Auf dieser großen weiten Erde Niemand.
So weit das Scepter meines Vaters reicht,
So weit die Schifffahrt unsre Flaggen sendet,
Ist keine Stelle – keine – keine, wo
Ich meiner Thränen mich entlasten darf,
Als diese. O, bei Allem, Roderich,
Was du und ich dereinst im Himmel hoffen,
Verjage mich von dieser Stelle nicht.

Marquis (neigt sich über ihn mit sprachloser Rührung).

Carlos.
Berede dich, ich wär‘ ein Waisenkind,
Das du am Thron mitleidig aufgelesen.
Ich weiß ja nicht, was Vater heißt – ich bin
Ein Königssohn – O, wenn es eintrifft, was
Mein Herz mir sagt, wenn du aus Millionen
Herausgefunden bist, mich zu verstehn,
Wenn’s wahr ist, daß die schaffende Natur
Den Roderich im Carlos wiederholte
Und unsrer Seelen zartes Saitenspiel
Am Morgen unsers Lebens gleich bezog,
Wenn eine Thräne, die mir Lindrung gibt,
Dir theurer ist als meines Vaters Gnade –

Marquis.
O theurer als die ganze Welt.

Carlos.
So tief
Bin ich gefallen – bin so arm geworden,
Daß ich an unsre frühen Kinderjahre
Dich mahnen muß – daß ich dich bitten muß,
Die lang vergeßnen Schulden abzutragen,
Die du noch im Matrosenkleide machtest –
Als du und ich, zween Knaben wilder Art,
So brüderlich zusammen aufgewachsen,
Kein Schmerz mich drückte, als von deinem Geiste
So sehr verdunkelt mich zu sehn – ich endlich
Mich kühn entschloß, dich grenzenlos zu lieben,
Weil mich der Muth verließ, dir gleich zu sein.
Da fing ich an, mit tausend Zärtlichkeiten
Und treuer Bruderliebe dich zu quälen;
Du, stolzes Herz, gabst sie mir kalt zurück.
Oft stand ich da, und – doch das sahst du nie!
Und heiße, schwere Thränentropfen hingen
In meinem Aug, wenn du, mich überhüpfend,
Geringre Kinder in die Arme drücktest.
Warum nur diese? rief ich trauernd aus:
Bin ich dir nicht auch herzlich gut? – Du aber,
Du knietest kalt und ernsthaft vor mir nieder:
Das, sagtest du, gebührt dem Königssohn.

Marquis.
O stille, Prinz, von diesen kindischen
Geschichten, die mich jetzt noch schamroth machen.

Carlos.
Ich hatt‘ es nicht um dich verdient. Verschmähen,
Zerreißen konntest du mein Herz, doch nie
Von dir entfernen. Dreimal wiesest du
Den Fürsten von dir, dreimal kam er wieder
Als Bittender, um Liebe dich zu flehn
Und dir gewaltsam Liebe aufzudringen.
Ein Zufall that, was Carlos nie gekonnt.
Einmal geschah’s bei unsern Spielen, daß
Der Königin von Böhmen, meiner Tante,
Der Federball ins Auge flog. Sie glaubte,
Daß es mit Vorbedacht geschehn, und klagt‘ es
Dem Könige mit thränendem Gesicht.
Die ganze Jugend des Palastes muß
Erscheinen, ihm den Schuldigen zu nennen.
Der König schwört, die hinterlist’ge That,
Und wär‘ es auch an seinem eignen Kinde,
Aufs schrecklichste zu ahnden. – Damals sah ich
Dich zitternd in der Ferne stehn, und jetzt,
Jetzt trat ich vor und warf mich zu den Füßen
Des Königs. Ich, ich that es, rief ich aus:
An deinem Sohn erfülle deine Rache.

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