HomeText: Don Carlos1. AktDon Carlos – 1. Akt, 2. Auftritt

Don Carlos – 1. Akt, 2. Auftritt

Seite 3 von 4
Bewertung:
(Stimmen: 5 Durchschnitt: 3.8)

Marquis.
Ach, woran mahnen Sie mich, Prinz!

Carlos.
Sie ward’s!
Im Angesicht des ganzen Hofgesindes,
Das mitleidsvoll im Kreise stand, ward sie
Auf Sklavenart an deinem Carl vollzogen.
Ich sah auf dich und weinte nicht. Der Schmerz
Schlug meine Zähne knirschend an einander;
Ich weinte nicht. Mein königliches Blut
Floß schändlich unter unbarmherz’gen Streichen;
Ich sah auf dich und weinte nicht. – Du kamst;
Laut weinend sankst du mir zu Füßen. Ja,
Ja, riefst du aus, mein Stolz ist überwunden,
Ich will bezahlen, wenn du König bist.

Marquis (reicht ihm die Hand).
Ich will es, Carl. Das kindische Gelübde
Erneur‘ ich jetzt als Mann. Ich will bezahlen.
Auch meine Stunde schlägt vielleicht.

Carlos.
Jetzt, jetzt –
O, zögre nicht – jetzt hat sie ja geschlagen.
Die Zeit ist da, wo du es lösen kannst.
Ich brauche Liebe. – Ein entsetzliches
Geheimniß brennt in meiner Brust. Es soll,
Es soll heraus. In deinen blassen Mienen
Will ich das Urtheil meines Todes lesen.
Hör‘ an – erstarre – doch erwiedre nichts –
Ich liebe meine Mutter.

Marquis.
O mein Gott!

Carlos.
Nein! Diese Schonung will ich nicht. Sprich’s aus,
Sprich, daß auf diesem großen Rund der Erde
Kein Elend an das meine grenze – sprich –
Was du mir sagen kannst, errath‘ ich schon.
Der Sohn liebt seine Mutter. Weltgebräuche,
Die Ordnung der Natur und Roms Gesetze
Verdammen diese Leidenschaft. Mein Anspruch
Stößt fürchterlich auf meines Vaters Rechte.
Ich fühl’s, und dennoch lieb‘ ich. Dieser Weg
Führt nur zum Wahnsinn oder Blutgerüste.
Ich liebe ohne Hoffnung – lasterhaft –
Mit Todesangst und mit Gefahr des Lebens –
Das seh‘ ich ja, und dennoch lieb‘ ich.

Marquis.
Weiß
Die Königin um diese Neigung?

Carlos.
Konnt‘ ich
Mich ihr entdecken? Sie ist Philipps Frau
Und Königin, und das ist span’scher Boden.
Von meines Vaters Eifersucht bewacht,
Von Etikette ringsum eingeschlossen,
Wie konnt‘ ich ohne Zeugen mich ihr nahn?
Acht höllenbange Monde sind es schon,
Daß von der hohen Schule mich der König
Zurückberief, daß ich sie täglich anzuschaun
Verurtheilt bin und, wie das Grab, zu schweigen.
Acht höllenbange Monde, Roderich,
Daß dieses Feu’r in meinem Busen wüthet,
Daß tausendmal sich das entsetzliche
Geständniß schon auf meinen Lippen meldet,
Doch scheu und feig zurück zum Herzen kriecht.
O Roderich – nur wen’ge Augenblicke
Allein mit ihr –

Marquis.
Ach! Und Ihr Vater, Prinz –

Carlos.
Unglücklicher! Warum an den mich mahnen?
Sprich mir von all den Schrecken des Gewissens,
Von meinem Vater sprich mir nicht.

Carlos.
Sie hassen Ihren Vater!

Marquis.
Nein! Ach, nein!
Ich hasse meinen Vater nicht – Doch Schauer
Und Missethäters-Bangigkeit ergreifen
Bei diesem fürchterlichen Namen mich.
Kann ich dafür, wenn eine knechtische
Erziehung schon in meinem jungen Herzen
Der Liebe zarten Keim zertrat? Sechs Jahre
Hatt‘ ich gelebt, als mir zum ersten Mal
Der Fürchterliche, der wie sie mir sagten,
Mein Vater war, vor Augen kam. Es war
An einem Morgen, wo er stehnden Fußes
Vier Bluturtheile unterschrieb. Nach diesem
Sah ich ihn nur, wenn mir für ein Vergehn
Bestrafung angekündigt ward. – O Gott!
Hier fühl‘ ich, daß ich bitter werde – Weg –
Weg, weg von dieser Stelle!

Dieser Beitrag besteht aus 4 Seiten: