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Don Carlos – 1. Akt, 6. Auftritt

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König. Königin. Herzog Alba. Graf Lerma. Domingo. Einige Damen und Granden, welche in der Entfernung zurückbleiben.

König (sieht mit Befremdung umher und schweigt eine Zeitlang).
Was seh‘ ich? Sie hier? So allein, Madame?
Und auch nicht eine Dame zur Begleitung?
Das wundert mich – wo blieben Ihre Frauen?

Königin.
Mein gnädigster Gemahl –

König.
Warum allein? (Zum Gefolge)
Von diesem unverzeihlichen Versehn
Soll man die strengste Rechenschaft mir geben.
Wer hat das Hofamt bei der Königin?
Wen traf der Rang, sie heute zu bedienen?

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Königin.
O, zürnen Sie nicht, mein Gemahl – ich selbst,
Ich bin die Schuldige – – auf mein Geheiß
Entfernte sich die Fürstin Eboli.

König.
Auf Ihr Geheiß?

Königin.
Die Kammerfrau zu rufen,
Weil ich nach der Infantin mich gesehnt.

König.
Und darum die Begleitung weggeschickt?
Doch dies entschuldigt nur die erste Dame.
Wo war die zweite?

Mondecar (welche indes zurückgekommen ist und sich unter die übrigen Damen gemischt hat, tritt hervor).
Ihre Majestät,
Ich fühle, daß ich strafbar bin –

König.
Deßwegen
Vergönn‘ ich Ihnen zehen Jahre Zeit,
Fern von Madrid darüber nachzudenken.

(Die Marquisin tritt mit weinenden Augen zurück. Allgemeines Stillschweigen. Alle Umstehenden sehen bestürzt auf die Königin.)

Königin.
Marquisin, wen beweinen Sie? (Zum König.) Hab‘ ich
Gefehlt, mein gnädigster Gemahl, so sollte
Die Königskrone dieses Reichs, wornach
Ich selber nie gegriffen habe, mich
Zum mindesten vor dem Erröthen schützen.
Gibt’s ein Gesetz in diesem Königreich,
Das vor Gericht Monarchentöchter fordert?
Bloß Zwang bewacht die Frauen Spaniens?
Schützt sie ein Zeuge mehr als ihre Tugend?
Und jetzt Vergebung, mein Gemahl. – Ich bin
Es nicht gewohnt, die mir mit Freude dienten,
In Thränen zu entlassen. – Mondecar!
(Sie nimmt ihren Gürtel ab und überreicht ihn der Marquisin.)
Den König haben Sie erzürnt – nicht mich –
Drum nehmen Sie dies Denkmal meiner Gnade
In dieser Stunde. – Meiden Sie das Reich –
Sie haben nur in Spanien gesündigt;
In meinem Frankreich wischt man solche Thränen
Mit Freuden ab. – O, muß mich’s ewig mahnen?
(Sie lehnt sich an die Oberhofmeisterin und bedeckt das Gesicht.)
In meinem Frankreich war’s doch anders.

König (in einiger Bewegung).
Konnte
Ein Vorwurf meiner Liebe Sie betrüben?
Ein Wort betrüben, das die zärtlichste
Bekümmerniß auf meine Lippen legte?
(Er wendet sich gegen die Grandezza.)
Hier stehen die Vasallen meines Throns:
Sank je ein Schlaf auf meine Augenlieder,
Ich hätte denn am Abend jedes Tags
Berechnet, wie die Herzen meiner Völker
In meinen fernsten Himmelsstrichen schlagen? –
Und sollt‘ ich ängstlicher für meinen Thron
Als für die Gattin meines Herzens beben? –
Für meine Völker kann mein Schwert mir haften
Und – Herzog Alba; dieses Auge nur
Für meines Weibes Liebe.

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