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Don Carlos – 2. Akt, 15. Auftritt

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Marquis.
Rasender, du folgst?

Carlos.
Ich kenne ja die Handschrift nicht – ich kenne
Nur eine solche Dame. Wer, als sie,
Wird sich von Carlos angebetet wähnen?
Voll süßen Schwindels flieg‘ ich nach dem Platze;
Ein göttlicher Gesang, der aus dem Innern
Des Zimmers mir entgegen schallt, dient mir
Zum Führer – ich eröffne das Gemach –
Und wen entdeck‘ ich? – Fühle mein Entsetzen!

Marquis.
O, ich errathe Alles.

Carlos.
Ohne Rettung
War ich verloren, Roderich, wär‘ ich
In eines Engels Hände nicht gefallen.
Welch unglücksel’ger Zufall! Hintergangen
Von meiner Blicke unvorsicht’ger Sprache,
Gab sie der süßen Täuschung sich dahin,
Sie selber sei der Abgott dieser Blicke.
Gerührt von meiner Seele stillen Leiden,
Beredet sich großmüthig-unbesonnen
Ihr weiches Herz, mir Liebe zu erwiedern.
Die Ehrfurcht schien mir Schweigen zu gebieten;
Sie hat die Kühnheit, es zu brechen – offen
Liegt ihre schöne Seele mir –

Marquis.
So ruhig
Erzählst du das? – Die Fürstin Eboli
Durchschaute dich. Kein Zweifel mehr, sie drang
In deiner Liebe innerstes Geheimniß.
Du hast sie schwer beleidigt. Sie beherrscht
Den König.

Carlos (zuversichtlich).
Sie ist tugendhaft.

Marquis.
Sie ist’s
Aus Eigennutz der Liebe. – Diese Tugend,
Ich fürchte sehr, ich kenne sie – wie wenig
Reicht sie empor zu jenem Ideale,
Das aus der Seele mütterlichem Boden,
In stolzer, schöner Grazie empfangen,
Freiwillig sproßt und ohne Gärtners Hilfe
Verschwenderische Blüthen treibt! Es ist
Ein fremder Zweig, mit nachgeahmtem Süd
In einem rauhern Himmelsstrich getrieben,
Erziehung, Grundsatz, nenn‘ es, wie du willst,
Erworbne Unschuld, dem erhitzten Blut
Durch List und schwere Kämpfe abgerungen,
Dem Himmel, der sie fordert und bezahlt,
Gewissenhaft, sorgfältig angeschrieben.
Erwäge selbst! Wird sie der Königin
Es je vergeben können, daß ein Mann
An ihrer eignen, schwer erkämpften Tugend
Vorüberging, sich für Don Philipps Frau
In hoffnungslosen Flammen zu verzehren?

Carlos.
Kennst du die Fürstin so genau?

Marquis.
Gewiß nicht.
Kaum daß ich zweimal sie gesehn. Doch nur
Ein Wort laß mich noch sagen: mir kam vor,
Daß sie geschickt des Lasters Blößen mied,
Daß sie sehr gut um ihre Tugend wußte.
Dann sah ich auch die Königin. O Carl,
Wie anders Alles, was ich hier bemerkte!
In angeborner stiller Glorie,
Mit sorgenlosem Leichtsinn, mit des Anstands
Schulmäßiger Berechnung unbekannt,
Gleich ferne von Verwegenheit und Furcht,
Mit festem Heldenschritte wandelt sie
Die schmale Mittelbahn des Schicklichen,
Unwissend, daß sie Anbetung erzwungen,
Wo sie von eignem Beifall nie geträumt.
Erkennt mein Carl auch hier in diesem Spiegel,
Auch jetzt noch seine Eboli? – Die Fürstin
Blieb standhaft, weil sie liebte; Liebe war
In ihre Tugend wörtlich einbedungen.
Du hast sie nicht belohnt – sie fällt.

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