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Don Carlos – 3. Akt, 10. Auftritt

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Marquis.
Wenn ich Zeit gewinne,
Sie zu erschöpfen, Sire – mein Leben höchstens.
Die Wahrheit aber setz‘ ich aus, wenn Sie
Mir diese Gunst verweigern. Zwischen Ihrer
Ungnade und Geringschätzung ist mir
Die Wahl gelassen – Muß ich mich entscheiden,
Sie will ich ein Verbrecher lieber als
Ein Thor vor Ihren Augen gehen.

König (mit erwartender Miene).
Nun?

Marquis.
– Ich kann nicht Fürstendiener sein.
(Der König sieht ihn mit Erstaunen an.)
Ich will
Den Käufer nicht betrügen, Sire. – Wenn Sie
Mich anzustellen würdigen, so wollen
Sie nur die vorgewogne That. Sie wollen
Nur meinen Arm und meinen Muth im Felde,
Nur meinen Kopf im Rath. Nicht meine Thaten,
Der Beifall, den sie finden an dem Thron,
Soll meiner Thaten Endzweck sein. Mir aber,
Mir hat die Tugend eignen Werth. Das Glück,
Das der Monarch mit meinen Händen pflanzte,
Erschüf‘ ich selbst, und Freude wäre mir
Und eigne Wahl, was mir nur Pflicht sein sollte.
Und ist das Ihre Meinung? Können Sie
In Ihrer Schöpfung fremde Schöpfer dulden?
Ich aber soll zum Meißel mich erniedern,
Wo ich der Künstler könnte sein? – Ich liebe
Die Menschheit, und in Monarchieen darf
Ich Niemand lieben als mich selbst.

König.
Dies Feuer
Ist lobenswerth. Ihr möchtet Gutes stiften.
Wie Ihr es stiftet, kann dem Patrioten,
Dem Weisen gleich viel heißen. Suchet Euch
Den Posten aus in meinen Königreichen,
Der Euch berechtigt, diesem edeln Triebe
Genug zu thun.

Marquis.
Ich finde keinen.

König.
Wie?

Marquis.
Was Eure Majestät durch meine Hand
Verbreiten – ist das Menschenglück? Ist das
Dasselbe Glück, das meine reine Liebe
Den Menschen gönnt? – Vor diesem Glücke würde
Die Majestät erzittern – Nein! Ein neues
Erschuf der Krone Politik – ein Glück,
Das sie noch reich genug ist auszutheilen,
Und in dem Menschenherzen neue Triebe,
Die sich von diesem Glücke stillen lassen.
In ihren Münzen läßt sie Wahrheit schlagen,
Die Wahrheit, die sie dulden kann. Verworfen
Sind alle Stempel, die nicht diesem gleichen.
Doch, was der Krone frommen kann – ist das
Auch mir genug? Darf meine Bruderliebe
Sich zur Verkürzung meines Bruders borgen?
Weiß ich ihn glücklich – eh‘ er denken darf?
Mich wählen Sie nicht, Sire, Glückseligkeit,
Die Sie uns prägen, auszustreun. Ich muß
Mich weigern, diese Stempel auszugeben. –
Ich kann nicht Fürstendiener sein.

König (etwas rasch).
Ihr seid
Ein Protestant.

Marquis (nach einigem Bedenken).
Ihr Glaube Sire, ist auch
Der meinige. (Nach einer Pause.) Ich werde mißverstanden.
Das war es, was ich fürchtete. Sie sehen
Von den Geheimnissen der Majestät
Durch meine Hand den Schleier weggezogen.
Wer sichert Sie, daß mir noch heilig heiße,
Was mich zu schrecken aufgehört? Ich bin
Gefährlich, weil ich über mich gedacht. –
Ich bin es nicht, mein König. Meine Wünsche
Verwesen hier. (Die Hand auf die Brust gelegt.)
Die lächerliche Wuth
Der Neuerung, die nur der Ketten Last,
Die sie nicht ganz zerbrechen kann, vergrößert,
Wird mein Blut nie erhitzen. Das Jahrhundert
Ist meinem Ideal nicht reif. Ich lebe
Ein Bürger derer, welche kommen werden.
Kann ein Gemälde Ihre Ruhe trüben? –
Ihr Athem löscht es aus.

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