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Don Carlos – 3. Akt, 10. Auftritt

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König (mit gemildertem Ernst).
Nichts mehr
Von diesem Inhalt, junger Mann. – Ich weiß,
Ihr werdet anders denken, kennet Ihr
Den Menschen erst, wie ich – Doch hätt‘ ich Euch
Nicht gern zum letzten Mal gesehn. Wie fang ich
Es an, Euch zu verbinden?

Marquis.
Lassen Sie
Mich, wie ich bin. Was wär‘ ich Ihnen, Sire,
Wenn Sie auch mich bestächen?

König.
Diesen Stolz
Ertrag‘ ich nicht. Ihr seid von heute an
In meinen Diensten. – Keine Einwendung!
Ich will es haben. (Nach einer Pause.) Aber wie? was wollte
Ich denn? War es nicht Wahrheit, was ich wollte?
Und hier find‘ ich noch etwas mehr – Ihr habt
Auf meinem Thron mich ausgefunden, Marquis.
Nicht auch in meinem Hause?
(Da sich der Marquis zu bedenken scheint).
Ich versteh‘ Euch
Doch – wär‘ ich auch von allen Vätern der
Unglücklichste, kann ich nicht glücklich sein
Als Gatte?

Marquis.
Wenn ein hoffnungsvoller Sohn,
Wenn der Besitz der liebenswürdigsten
Gemahlin einem Sterblichen ein Recht
In diesem Namen geben, Sire, so sind Sie
Der Glücklichste durch Beides.

König (mit finstrer Miene).
Nein, ich bin es nicht!
Und daß ich’s nicht bin, hab‘ ich tiefer nie
Gefühlt, als eben jetzt –
(Mit einem Blick der Wehmuth auf dem Marquis verweilend.)

Marquis.
Der Prinz denkt edel
Und gut. Ich hab‘ ihn anders nie gefunden.

König.
Ich aber hab‘ es – Was er mir genommen,
Kann keine Krone mir ersetzen – eine
So tugendhafte Königin

Marquis.
Wer kann
Es wagen, Sire?

König.
Die Welt! Die Lästerung!
Ich selbst! – Hier liegen Zeugnisse, die ganz
Unwidersprechlich sie verdammen; andre
Sind noch vorhanden, die das Schrecklichste
Mich fürchten lassen – Aber, Marquis – schwer,
Schwer fällt es mir, an eines nur zu glauben.
Wer klagt sie an? – Wenn sie sie fähig sollte
Gewesen sein, so tief sich zu entehren,
O, wie viel mehr ist mir zu glauben dann
Erlaubt, daß eine Eboli verleumdet?
Haßt nicht der Priester meinen Sohn und sie?
Und weiß ich nicht, daß Alba Rache brütet?
Mein Weib ist mehr werth, als sie alle.

Marquis.
Sire,
Und etwas lebt noch in des Weibes Seele,
Das über allen Schein erhaben ist
Und über alle Lästerung – es heißt
Weibliche Tugend.

König.
Ja! Das sag‘ ich auch.
So tief, als man die Königin bezichtigt,
Herab zu sinken, kostet viel. So leicht,
Als man mich überreden möchte, reißen
Der Ehre heil’ge Bande nicht. Ihr kennt
Den Menschen, Marquis. Solch ein Mann hat mir
Schon längst gemangelt, Ihr seid gut und fröhlich,
Und kennet doch den Menschen auch – drum hab‘
Ich Euch gewählt –

Marquis (überrascht und erschrocken).
Mich, Sire?

König.
Ihr standet
Vor Eurem Herrn und habt nichts für Euch selbst
Erbeten – nichts. Das ist mir neu – Ihr werdet
Gerecht sein. Leidenschaft wird Euren Blick
Nicht irren – Dränget Euch zu meinem Sohn,
Erforscht das Herz der Königin. Ich will
Euch Vollmacht senden, sie geheim zu sprechen.
Und jetzt verlaßt mich! (Er zieht eine Glocke.)

Marquis.
Kann ich es mit einer
Erfüllten Hoffnung? dann ist dieser Tag
Der schönste meines Lebens.

König (reicht ihm die Hand zum Kusse).
Er ist kein
Verlorner in dem meinigen.

(Der Marquis steht auf und geht. Graf Lerma tritt herein.)

Der Ritter
Wird künftig ungemeldet vorgelassen.

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