Was dich hier über das Gedicht »Klage der Ceres« erwartet
- Zur Einführung
- Text des Gedichtes mit Worterklärungen und Verszählung
- Entstehung des Gedichtes
- Inhaltsangabe
- Sprachliche Mittel
Bei den Kommentaren kannst du auch Fragen stellen.
Zur Einführung
Die Klage der Ceres ist ein Gedicht von Friedrich Schiller, das im Juni 1976 entstand. Im Mittelpunkt des 11-strophigen Gedichtes stehen die Leiden von Ceres nach Plutos Raub ihrer Tochter Proserpina in die Unterwelt. Proserpina ist die Tochter von Zeus und Ceres. Beim gemeinsamen Tanz mit anderen Nymphen wurde sie von liebliche Blumen angelockt. Sie entfernte sie sich mit einigen Gespielinnen und zuletzt auch von diesen. Da erbebte plötzlich die Erde. Aus den finsteren Klüften erhob sich Pluto mit seinem von vier schwarzen Rossen gezogenen Wagen, ergriff Proserpina und entführte sie in die Unterwelt.
Der Text des Gedichtes mit Worterklärungen
Klage der Ceres
Ist der holde Lenz1 erschienen?
Hat die Erde sich verjüngt?
Die besonnten Hügel grünen,
Und des Eises Rinde springt.
5Aus der Ströme blauem Spiegel
Lacht der unbewölkte Zeus2,
Milder wehen Zephirs3 Flügel,
Augen treibt das junge Reis.
In dem Hain erwachen Lieder,
10Und die Oreade4 spricht:
Deine Blumen kehren wieder,
Deine Tochter kehret nicht.
Ach! wie lang ists, daß ich walle
Suchend durch der Erde Flur,
15Titan, deine Strahlen alle
Sandt ich nach der teuren Spur;
Keiner hat mir noch verkündet
Von dem lieben Angesicht,
Und der Tag, der alles findet,
20Die Verlorne fand er nicht.
Hast du, Zeus! sie mir entrissen,
Hat, von ihrem Reiz gerührt,
Zu des Orkus5 schwarzen Flüssen
Pluto sie hinabgeführt?
25Wer wird nach dem düstern Strande
Meines Grames Bote sein?
Ewig stößt der Kahn vom Lande,
Doch nur Schatten nimmt er ein.
Jedem selgen Aug verschlosse
30Bleibt das nächtliche Gefild,
Und solang der Styx6 geflossen,
Trug er kein lebendig Bild.
Nieder führen tausend Steige,
Keiner führt zum Tag zurück,
35Ihre Tränen bringt kein Zeuge
Vor der bangen Mutter Blick.
Mütter, die aus Pyrrhas7 Stamme
Sterbliche geboren sind,
Dürfen durch des Grabes Flamme
40Folgen dem geliebten Kind,
Nur was Jovis8 Haus bewohnet,
Nahet nicht dem dunkeln Strand,
Nur die Seligen verschonet,
Parzen9, eure strenge Hand.
45Stürzt mich in die Nacht der Nächte
Aus des Himmels goldnem Saal,
Ehret nicht der Göttin Rechte,
Ach! sie sind der Mutter Qual!
Wo sie mit dem finstern Gatten
50Freudlos thronet, stieg‘ ich hin,
Träte mit den leisen Schatten
Leise vor die Herrscherin.
Ach, ihr Auge, feucht von Zähren,
Sucht umsonst das goldne Licht,
55Irret nach entfernten Sphären,
Auf die Mutter fällt es nicht,
Bis die Freude sie entdecket,
Bis sich Brust mit Brust vereint,
Und zum Mitgefühl erwecket,
60Selbst der rauhe Orkus weint.
Eitler Wunsch! Verlorne Klagen!
Ruhig in dem gleichen Gleis
Rollt des Tages sichrer Wagen,
Ewig steht der Schluß des Zeus.
65Weg von jenen Finsternissen
Wandt er sein beglücktes Haupt,
Einmal in die Nacht gerissen,
Bleibt sie ewig mir geraubt,
Bis des dunkeln Stromes Welle
70Von Aurorens10 Farben glüht,
Iris11 mitten durch die Hölle
Ihren schönen Bogen zieht.
Ist mir nichts von ihr geblieben,
Nicht ein süß erinnernd Pfand,
75Daß die Fernen sich noch lieben,
Keine Spur der teuren Hand?
Knüpfet sich kein Liebesknoten
Zwischen Kind und Mutter an?
Zwischen Lebenden und Toten
80Ist kein Bündnis aufgetan?
Nein, nicht ganz ist sie entflohen,
Nein, wir sind nicht ganz getrennt!
Haben uns die ewig Hohen
Eine Sprache doch vergönnt!
85Wenn des Frühlings Kinder sterben,
Wenn von Nordes kaltem Hauch
Blatt und Blume sich entfärben,
Traurig steht der nackte Strauch,
Nehm ich mir das höchste Leben
90Aus Vertumnus‘12 reichem Horn,
Opfernd es dem Styx zu geben,
Mir des Samens goldnes Korn.
Traurend senk ichs in die Erde,
Leg es an des Kindes Herz,
95Daß es eine Sprache werde
Meiner Liebe, meinem Schmerz.
Führt der gleiche Tanz der Horen
Freudig nun den Lenz zurück,
Wird das Tote neu geboren
100Von der Sonne Lebensblick!
Keime, die dem Auge starben
In der Erde kaltem Schoß,
In das heitre Reich der Farben
Ringen sie sich freudig los.
105Wenn der Stamm zum Himmel eilet,
Sucht die Wurzel scheu die Nacht,
Gleich in ihre Pflege teilet
Sich des Styx, des Äthers Macht.
Halb berühren sie der Toten,
110Halb der Lebenden Gebiet,
Ach, sie sind mir teure Boten,
Süße Stimmen vom Cocyt13!
Hält er gleich sie selbst verschlossen
In dem schauervollen Schlund,
115Aus des Frühlings jungen Sprossen
Redet mir der holde Mund,
Daß auch fern vom goldnen Tage,
Wo die Schatten traurig ziehn,
Liebend noch der Busen schlage,
120Zärtlich noch die Herzen glühn.
O so laßt euch froh begrüßen,
Kinder der verjüngten Au,
Euer Kelch soll überfließen
Von des Nektars reinstem Tau.
125Tauchen will ich euch in Strahlen,
Mit der Iris schönstem Licht
Will ich eure Blätter malen,
Gleich Aurorens Angesicht.
In des Lenzes heiterm Glanze
130Lese jede zarte Brust,
In des Herbstes welkem Kranze
Meinen Schmerz und meine Lust.
- Lenz ist eine poetische Bezeichnung für den Frühling. ↩
- Zeus ist der mächtigste und oberste Gott in der griech. Mythologie, oft dargestellt mit einem Blitz. ↩
- Zephyr verkörpert als Gottheit in der griech. Mythologie den Westwind. Er gilt als Frühlingsbote und wird in der darstellenden Kunst zumeist mit Flügeln dargestellt. ↩
- Oreaden sind in der griech. Mythologie Bergnymphen. ↩
- Orcus ist in der röm. Mythologie ein anderer Name für Pluto, den Gott der Unterwelt. ↩
- Der Styx ist in der griech. Mythologie der Fluss der Unterwelt, den jeder Todgeweihte überqueren muss. ↩
- Pyrrha ist in der griech. Mythologie die Tochter von Pandora und Epimetheus. Sie wird die Frau von Deukalion, mit dem sie fünf oder sechs Kinder zeugt und die Welt neu bevölkert. Zeus hatte einst beschlossen, das goldene Zeitalter zu beenden und überflutete die Erde. Pyrrha und Deukalion waren die einzigen Überlebenden, weil Prometheus, der Vater Deukalions, seinem Sohn frühzeitig gebot, ein Schiff zu bauen. ↩
- Jovi ist der Name des höchsten assyrischen Gottes. ↩
- Die Parzen sind in der röm. Mythologie die drei Schicksalsgöttinnen. ↩
- Aurora ist in der röm. Mythologie die Göttin der Morgenröte. ↩
- In der griech. Mythologie ist Iris die Personifikation des Regenbogens. Sie hat meist die Funktion einer Götterbotin. ↩
- Vertumnus ist ein röm. Gott, den die Römer aus der etruskischen Mythologie übernahmen, ehemals ein Vegetationsgott. Mit ihm verbunden sind verschiedene Fruchtbarkeitsaspekte. ↩
- Kokytos (Cocyt) ist ein Seitenarm des Styx. Wenn Verstorbene aus dem Fluss trinken, erkennen diese, dass sie ihr Leben in der Oberwelt verloren haben und klagen dementsprechend. ↩