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Die Jungfrau von Orleans – 1. Aufzug, 10. Auftritt

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Erzbischof (nach einem langen Stillschweigen).
Vor solcher göttlicher Beglaubigung
Muß jeder Zweifel irdscher Klugheit schweigen.
Die Tat bewährt es, daß sie Wahrheit spricht,
Nur Gott allein kann solche Wunder wirken.

Dunois.
Nicht ihren Wundern, ihrem Auge glaub ich,
Der reinen Unschuld ihres Angesichts.

Karl.
Und bin ich Sündger solcher Gnade wert!
Untrüglich allerforschend Aug, du siehst
Mein Innerstes und kennest meine Demut!

Johanna.
Der Hohen Demut leuchtet hell dort oben,
Du beugtest dich, drum hat er dich erhoben.

Karl.
So werd ich meinen Feinden widerstehn?

Johanna.
Bezwungen leg ich Frankreich dir zu Füßen!

Karl.
Und Orleans sagst du, wird nicht übergehn?

Johanna.
Eh siehest du die Loire zurückefließen.

Karl.
Werd ich nach Reims als Überwinder ziehn?

Johanna.
Durch tausend Feinde führ ich dich dahin.

(Alle anwesende Ritter erregen ein Getöse mit ihren Lanzen und Schilden, und geben Zeichen des Muts)

Dunois.
Stell uns die Jungfrau an des Heeres Spitze,
Wir folgen blind, wohin die Göttliche
Uns führt! Ihr Seherauge soll uns leiten,
Und schützen soll sie dieses tapfre Schwert!

La Hire.
Nicht eine Welt in Waffen fürchten wir,
Wenn sie einher vor unsern Scharen zieht.
Der Gott des Sieges wandelt ihr zur Seite,
Sie führ uns an, die Mächtige, im Streite!
(Die Ritter erregen ein großes Waffengetös und treten vorwärts)

Karl.
Ja heilig Mädchen, führe du mein Heer,
Und seine Fürsten sollen. dir gehorchen.
Dies Schwert der höchsten Kriegsgewalt, das uns
Der Kronfeldherr im Zorn zurückgesendet,
Hat eine würdigere Hand gefunden.
Empfange du es, heilige Prophetin,
Und sei fortan –

Johanna.
Nicht also, edler Dauphin!
Nicht durch dies Werkzeug irdischer Gewalt
Ist meinem Herrn der Sieg verliehn. Ich weiß
Ein ander Schwert, durch das ich siegen werde.
Ich will es dir bezeichnen, wie’s der Geist
Mich lehrte, sende hin und laß es holen.

Karl.
Nenn es, Johanna.

Johanna.
Sende nach der alten Stadt
Fierboys, dort, auf Sankt Kathrinens Kirchhof
Ist ein Gewölb, wo vieles Eisen liegt,
Von alter Siegesbeute aufgehäuft.
Das Schwert ist drunter, das mir dienen soll.
An dreien goldnen Lilien ists zu kennen,
Die auf der Klinge eingeschlagen sind,
Dies Schwert laß holen, denn durch dieses wirst du siegen.

Karl.
Man sende hin und tue, wie sie sagt.

Johanna.
Und eine weiße Fahne laß mich tragen,
Mit einem Saum von Purpur eingefaßt.
Auf dieser Fahne sei die Himmelskönigin
Zu sehen mit dem schönen Jesusknaben,
Die über einer Erdenkugel schwebt,
Denn also zeigte mirs die heilge Mutter.

Karl.
Es sei so, wie du sagst.

Johanna (zum Erzbischof). Ehrwürdger Bischof,
Legt Eure priesterliche Hand auf mich,
Und sprecht den Segen über Eure Tochter!
(Kniet nieder)

Erzbischof.
Du bist gekommen, Segen auszuteilen,
Nicht zu empfangen- Geh mit Gottes Kraft!
Wir aber sind Unwürdige und Sünder!
(Sie steht auf)

Edelknecht.
Ein Herold kommt vom engelländschen Feldherrn.

Johanna.
Laß ihn eintreten, denn ihn sendet Gott!

(Der König winkt den Edelknecht, der hinausgeht)

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