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Die Jungfrau von Orleans – 1. Aufzug, 5. Auftritt

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Sorel.
Das wolle Gott nicht, daß wir, an uns selbst
Verzweifelnd, diesem Reich den Rücken wenden!
Dies Wort kam nicht aus deiner tapfern Brust.
Der Mutter unnatürlich rohe Tat
Hat meines Königs Heldenherz gebrochen!
Du wirst dich wiederfinden, männlich fassen,
Mit edelm Mut dem Schicksal widerstehen,
Das grimmig dir entgegenkämpft.

Karl (in düstres Sinnen verloren). Ist es nicht wahr?
Ein finster furchtbares Verhängnis waltet
Durch Valois‘ Geschlecht, es ist verworfen
Von Gott, der Mutter Lastertaten führten
Die Furien herein in dieses Haus,
Mein Vater lag im Wahnsinn zwanzig Jahre,
Drei ältre Brüder hat der Tod vor mir
Hinweggemäht, es ist des Himmels Schluß,
Das Haus des sechsten Karls soll untergehn.

Sorel.
In dir wird es sich neuverjüngt erheben!
Hab Glauben an dich selbst. – O! nicht umsonst
Hat dich ein gnädig Schicksal aufgespart
Von deinen Brüdern allen, dich den jüngsten
Gerufen auf den ungehofften Thron.
In deiner sanften Seele hat der Himmel
Den Arzt für alle Wunden sich bereitet,
Die der Parteien Wut dem Lande schlug.
Des Bürgerkrieges Flammen wirst du löschen,
Mir sagts das Herz, den Frieden wirst du pflanzen,
Des Frankenreiches neuer Stifter sein.

Karl.
Nicht ich. Die rauhe sturmbewegte Zeit
Heischt einen kraftbegabtem Steuermann.
Ich hätt ein friedlich Volk beglücken können,
Ein wild empörtes kann ich nicht bezähmen,
Nicht mir die Herzen öffnen mit dem Schwert,
Die sich entfremdet mir in Haß verschließen.

Sorel.
Verblendet ist das Volk, ein Wahn betäubt es,
Doch dieser Taumel wird vorübergehe,
Erwachen wird, nicht fern mehr ist der Tag,
Die Liebe zu dem angestammten König,
Die tief gepflanzt ist in des Franken Brust,
Der alte Haß, die Eifersucht erwachen,
Die beide Völker ewig feindlich trennt;
Den stolzen Sieger stürzt sein eignes Glück.
Darum verlasse nicht mit Übereilung
Den Kampfplatz, ring um jeden Fußbreit Erde,
Wie deine eigne Brust verteidige
Dies Orleans! Laß alle Fähren lieber
Versenken, alle Brücken niederbrennen,
Die über diese Scheide deines Reichs,
Das stygsche Wasser der Loire dich führen.

Karl.
Was ich vermocht, hab ich getan. Ich habe
Mich dargestellt zum ritterlichen Kampf
Um meine Krone. – Man verweigert ihn.
Umsonst verschwend ich meines Volkes Leben,
Und meine Städte sinken in den Staub.
Soll ich gleich jener unnatürlichen Mutter
Mein Kind zerteilen lassen mit dem Schwert?
Nein, daß es lebe, will ich ihm entsagen.

Dunois.
Wie Sire? Ist das die Sprache eines Königs?
Gibt man so eine Krone auf? Es setzt
Der Schlechtste deines Volkes Gut und Blut
An seine Meinung, seinen Haß und Liebe,
Partei wird alles, wenn das blutge Zeichen
Des Bürgerkrieges ausgehangen ist.
Der Ackersmann verläßt den Pflug, das Weib
Den Rocken, Kinder, Greise waffnen sich,
Der Bürger zündet seine Stadt, der Landmann
Mit eignen Händen seine Saaten an,
Um dir zu schaden oder wohlzutun
Und seines Herzens Wollen zu behaupten.
Nichts schont er selber und erwartet sich
Nicht Schonung, wenn die Ehre ruft, wenn er
Für seine Götter oder Götzen kämpft.
Drum weg mit diesem weichlichen Mitleiden,
Das einer Königsbrust nicht ziemt. – Laß du
Den Krieg ausrasen, wie er angefangen,
Du hast ihn nicht leichtsinnig selbst entflammt.
Für seinen König muß das Volk sich opfern,
Das ist das Schicksal und Gesetz der Welt.
Der Franke weiß es nicht und wills nicht anders. Nichtswürdig ist die Nation, die nicht
Ihr Alles freudig setzt an ihre Ehre.

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