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Kabale und Liebe – 4. Akt, 9. Szene

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ALLE BEDIENTE murmeln bestürzt durcheinander. Über der Grenze?

HOFMARSCHALL legt die Karte erschrocken auf den Tisch. Behüte der Himmel, meine Beste und Gnädige! Dem Überbringer müßte der Hals ebenso jücken als der Schreiberin.

LADY. Das ist deine Sorge, du Goldmann – Leider weiß ich es, daß du und deinesgleichen am Nachbeten dessen, was andre getan haben, erwürgen! – Mein Rat wäre, man backte den Zettel in eine Wildbretpastete, so fänden ihn Serenissimus auf dem Teller –

HOFMARSCHALL. Ciel! Diese Vermessenheit! – So erwägen Sie doch, so bedenken Sie doch, wie sehr Sie sich in Disgrace setzen, Lady!

LADY wendet sich zu der versammelten Dienerschaft und spricht das Folgende mit der innigsten Rührung. Ihr steht bestürzt, guten Leute, erwartet angstvoll, wie sich das Rätsel entwickeln wird? – Kommt näher, meine Lieben – Ihr dientet mir redlich und warm, sahet mir öfter in die Augen als in die Börse, euer Gehorsam war eure Leidenschaft, euer Stolz – meine Gnade! – – Daß das Andenken eurer Treue zugleich das Gedächtnis meiner Erniedrigung sein muß! Trauriges Schicksal, daß meine schwärzesten Tage eure glücklichen waren! Mit Tränen in den Augen. Ich entlasse euch, meine Kinder – – Lady Milford ist nicht mehr, und Johanna von Norfolk zu arm, ihre Schuld abzutragen – Mein Schatzmeister stürze meine Schatulle unter euch – Dieser Palast bleibt dem Herzog – Der Ärmste von euch wird reicher von hinnen gehen als seine Gebieterin. Sie reicht ihre Hände hin, die alle nacheinander mit Leidenschaft küssen. Ich verstehe euch, meine Guten – Lebt wohl! Lebt ewig wohl! Faßt sich aus ihrer Beklemmung. Ich höre den Wagen vorfahren. Sie reißt sich los, will hinaus, der Hofmarschall verrennt ihr den Weg. Mann des Erbarmens, stehst du noch immer da?

HOFMARSCHALL der diese ganze Zeit über mit einem Geistesbankerott auf den Zettel sah. Und dieses Billett soll ich Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht zu höchsteigenen Händen geben?

LADY. Mann des Erbarmens! zu höchsteigenen Händen, und sollst melden zu höchsteigenen Ohren, weil ich nicht barfuß nach Loretto könne, so werde ich um den Taglohn arbeiten, mich zu reinigen von dem Schimpf, ihn beherrscht zu haben.

Sie eilt ab. Alle übrigen gehen sehr bewegt auseinander.

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