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Schiller Ode »An die Freude« – Interpretation, Inhaltsangabe, Text, Videos

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Die Ode »An die Freude« ist eines der bekanntesten Gedichte von Friedrich Schiller. Während seines Aufenthalts bei Körner in Dresden stellte er die Ode im November 1785 fertig. Doch unzufrieden mit dem Lied, das seiner zweiten lyrischen Schaffensperiode zuzurechnen ist, schloss er es zeitweise gänzlich aus dem Kanon seiner Werke aus und bearbeitete es mehrfach. Berühmtheit erlangte die Ode »An die Freude« durch die musikalische Bearbeitung von Ludwig van Beethoven, der sie im 4. Satz seiner 9. Sinfonie verarbeitete.

Text der Ode „An die Freude“ mit Worterklärungen in der frühen Fassung (1785)

An die Freude

 Freude, schöner Götterfunken,
 Tochter aus Elysium1,
 Wir betreten feuertrunken
 Himmlische, dein Heiligtum.
5Deine Zauber binden wieder,
 Was der Mode Schwert geteilt;
 Bettler werden Fürstenbrüder,
 Wo dein sanfter Flügel weilt.

 Chor
 Seid umschlungen, Millionen!
10Diesen Kuß der ganzen Welt!
 Brüder – überm Sternenzelt
 Muß ein lieber Vater wohnen.

 

 Wem der große Wurf gelungen,
 Eines Freundes Freund zu sein;
15Wer ein holdes Weib errungen,
 Mische seinen Jubel ein!
 Ja – wer auch nur eine Seele
 Sein nennt auf dem Erdenrund!
 Und wers nie gekonnt, der stehle
20Weinend sich aus diesem Bund!

 Chor
 Was den großen Ring bewohnet,
 Huldige der Sympathie!
 Zu den Sternen leitet sie,
 Wo der Unbekannte thronet.

 

25Freude trinken alle Wesen
 An den Brüsten der Natur,
 Alle Guten, alle Bösen
 Folgen ihrer Rosenspur.
 Küsse gab sie uns und Reben,
30Einen Freund, geprüft im Tod.
 Wollust ward dem Wurm gegeben,
 Und der Cherub2 steht vor Gott.

 Chor
 Ihr stürzt nieder, Millionen?
 Ahndest du den Schöpfer, Welt?
35Such ihn überm Sternenzelt,
 Über Sternen muß er wohnen.

 

 Freude heißt die starke Feder
 In der ewigen Natur.
 Freude, Freude treibt die Räder
40In der großen Weltenuhr.
 Blumen lockt sie aus den Keimen,
 Sonnen aus dem Firmament3,
 Sphären rollt sie in den Räumen,
 Die des Sehers Rohr nicht kennt.

 Chor
45Froh, wie seine Sonnen fliegen,
 Durch des Himmels prächtgen Plan,
 Laufet, Brüder, eure Bahn,
 Freudig wie ein Held zum Siegen.

 

 Aus der Wahrheit Feuerspiegel
50Lächelt sie den Forscher an.
 Zu der Tugend steilem Hügel
 Leitet sie des Dulders Bahn.
 Auf des Glaubens Sonnenberge
 Sieht man ihre Fahnen wehn,
55Durch den Riß gesprengter Särge
 Sie im Chor der Engel stehn.

 Chor
 Duldet mutig, Millionen!
 Duldet für die beßre Welt!
 Droben überm Sternenzelt
60Wird ein großer Gott belohnen.

 

 Göttern kann man nicht vergelten,
 Schön ists, ihnen gleich zu sein.
 Gram und Armut soll sich melden,
 Mit den Frohen sich erfreun.
65Groll und Rache sei vergessen,
 Unserm Todfeind sei verziehn,
 Keine Träne soll ihn pressen,
 Keine Reue nage ihn.

 Chor
 Unser Schuldbuch sei vernichtet!
70Ausgesöhnt die ganze Welt!
 Brüder – überm Sternenzelt
 Richtet Gott, wie wir gerichtet.

 

 Freude sprudelt in Pokalen,
 In der Traube goldnem Blut
75Trinken Sanftmut Kannibalen,
 Die Verzweiflung Heldenmut – –
 Brüder, fliegt von euren Sitzen,
 Wenn der volle Römer kreist,
 Laßt den Schaum zum Himmel sprützen:
80Dieses Glas dem guten Geist.

 Chor
 Den der Sterne Wirbel loben,
 Den des Seraphs4 Hymne preist,
 Dieses Glas dem guten Geist
 Überm Sternenzelt dort oben!

 

85Festen Mut in schwerem Leiden,
 Hülfe, wo die Unschuld weint,
 Ewigkeit geschwornen Eiden,
 Wahrheit gegen Freund und Feind,
 Männerstolz vor Königsthronen –
90Brüder, gält es Gut und Blut, –
 Dem Verdienste seine Kronen,
 Untergang der Lügenbrut!

 Chor
 Schließt den heilgen Zirkel dichter,
 Schwört bei diesem goldnen Wein:
95Dem Gelübde treu zu sein,
 Schwört es bei dem Sternenrichter!

 

 Rettung von Tyrannenketten,
 Großmut auch dem Bösewicht,
 Hoffnung auf den Sterbebetten,
100Gnade auf dem Hochgericht!
 Auch die Toten sollen leben!
 Brüder trinkt und stimmet ein,
 Allen Sündern soll vergeben,
 Und die Hölle nicht mehr sein.

 Chor
105Eine heitre Abschiedsstunde!
 Süßen Schlaf im Leichentuch!
 Brüder – einen sanften Spruch
 Aus des Totenrichters Munde!

2. Fassung (1808)

Wie wir bereits erfahren haben, betrachtete Schiller seine Ode „An die Freude“ durchaus sehr kritisch. In einer posthum erschienen Werkausgabe, die 1808 erschien, findet sich eine Bearbeitung der Ode. Hierin ist die letzte Strophe vollständig gestrichen worden. Die erste Strophe sehen wir hierin leicht verändert:

 Freude, schöner Götterfunken,
 Tochter aus Elisium,
 Wir betreten feuertrunken,
 Himmlische, dein Heiligthum.
5Deine Zauber binden wieder,
 Was die Mode streng getheilt,
 Alle Menschen werden Brüder,
 Wo dein sanfter Flügel weilt.

  1. Elysium oder auch Elysion ist in der griech. Mythologie die Insel der Seligen. Auf die Insel gelangen alle, die von den Göttern geliebt wurden oder denen sie Unsterblichkeit schenkten.
  2. Ein Cherub ist im Alten Testament ein Engel von hohem Rang, dargestellt als ein Mischwesen mit Menschengesicht und Tierleib. Bereits in der Geschichte von Adam und Eva finden Cherubim (= Mehrzahl) als Wächter des Paradieses Erwähnung.
  3. Das Firmament, auch als Himmelszelt oder Himmelsgewölbe bekannt.
  4. Ein Seraph ist ein Engel hohen Ranges, der den Thron Gottes umschwebt und Gott lobpreist (Mehrzahl = Seraphim).
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Kommentare

  1. Ja – wer auch nur eine Seele
    Sein nennt auf dem Erdenrund!
    Und wers nie gekonnt, der stehle
    Weinend sich aus diesem Bund!

    Dieser Vers hat mich damals als Schüler vor 50 Jahren sehr gestört und tut es noch heute.
    Jean Paul dagegen im HESPERUS (sinngemäß): „Auch du arme einsame Seele, der du niemand hast, der dich tröstet, komm an meine Brust…“
    Deshalb mag ich bis heute nicht die Ode an die Freude in der Vertonung von Beethoven, zumal wenn sie stampfend quasi rausgebrüllt wird..

    Kann das jemand nachempfinden oder mich zu Gunsten Schillers und Beethoven aufklären?

  2. Hier eine Zeitzeugin, die Schauspielerin und Schriftstellerin Sophie Albrecht: Sie war dabei, als Schiller in Leipzig Gohlis zum allerersten Mal seine Ode vor Publikum höchstpersönlich zu Gehör brachte!

    „Abends, wenn sich die Freunde versammelten, wurde ein Tisch unter die große Linde vor dem Haus gestellt und einige Studenten, die ihre „Buden“ auch nach Gohlis verlegt hatten, machten im Freien Musik. An einem solchen Abend tönte zum erstenmal gegen den Sternenhimmel der gewaltige Ruf des Dichters: „Freude, schöner Götterfunken!“
    Sophie Albrecht schrieb über Schillers Deklamation “ in welche wir bald mit einer Art Sprechgesang einfielen. Tränen glänzten in unseren Augen, als wir gerührt, nachdem Schiller das Lied fertig vorgelesen, einender in die Arme fielen.“

    (Der große Garten mit der Linde und einer Holunderlaube, in der Schiller tagsüber arbeitete, gehörte übrigens dem Ortsrichter Moebius.
    Sophie Albrecht war iherzeit Deutschlands berühmteste Schiller-Darstellerin.)

  3. Dieses Gedicht schrieb Schiller im Auftrag von Körner für eine Tempelarbeit (oder wahrscheinlich sogar Johannisfest) für die Freimaurerloge
    „Zu den drei Schwertern und Asträa zur grünenden Raute“ in Dresden, welche heute wieder existiert.
    Die Voraussetzung Freimaurer zu werden ist es „ein freier Mann von gutem Ruf“ zu sein.
    Deshalb konnte Körner die Zeile „Bettler werden Fürstenbrüder“ in dieser Art für den beabsichtigten Zweck nicht akzeptieren. (nichts gegen Bettler, aber sie hatten keinen guten Ruf)
    Deshalb die Änderung in „alle Menschen werden Brüder“.
    Ob Schiller selbst Freimaurer wurde (diffuse Hinweise gehen Richtung Rudolstadt) kann heute leider nicht mehr belegt werden.
    Ich vermute eher, dass er sich, umgeben von vielen Freimaurern, vielleicht auch wegen einzelner Exzesse (Anthroposophen, Illuminaten) mit seiner „Freimaurerarbeit“ nicht sehr wohl gefühlt hat und sie deshalb oftmals geändert oder verdrängt hat.

    1. Körner war Mitglied einer Leipziger Loge; in Dresden wurde er erst 1813 Mitglied der Loge »Zu den drei Schwertern«, als unser großartiger König von Napoleons Gnaden noch unter preußischen Fittichen war und die Brüder ihn in Dresden zum Meister vom Stuhl haben wollten. Für eine freimaurerische Tafelloge kann es auf keinen Fall geschrieben sein (1785!), da sowohl Schiller als auch Körner in dieser Zeit Abstand zu den Logen gehalten haben (Strikte Observanz/Tempelherrenlogen); Schiller war nie Freimaurer und wollte auch nicht. Die »Ode« ist übrigens keine Ode, sondern als Gesellschaftslied, auch Trinklied, geschrieben, als er endlich in Dresden bei Körners war.
      Hört bitte auf mit diesem Unsinn. Man sollte sich zunächst informieren über die Fakten … Dr. Otto Werner Förster, Literaturhistoriker und Freimaurer

    2. … Die Legende mit dem »Logenauftrag« geht von einem Heimatforscher zum anderen. Man sollte nur mal in die Logenmatrikel sehen: Körner war erst seit 1813 Mitglied der Dresdner Loge – und Schiller hat das Gedicht (keine Ode) 1785 geschrieben und ist schon 1805 gestorben …

    1. Liebes Schwesterchen. Damals hat man einen beträchtlichen Teil der Menschheit nicht richtig ernst genommen. Oder anderes herum, die andere Hälfte hat sich einfach zu wichtig gemacht. Diese aufgeblasenen Frechlinge!

    2. Die gehören zu den „Brüdern“ und „Königen“, liebe „Menschin“!
      Wie schön, daß eine „gebildete“ (Schiller!!) Sprache sich dazuhin noch Sammelbegriffe gestatten kann, wie: Menschen, Dichter, Denker, die man keineswegs „sexistisch“ zerpflücken und sortieren muß! Und wie tröstlich für emanzipatorisches Denken, daß sogar für maskuline Wesen und Gegenstände der Plural-Artikel dann doch immer noch d i e lautet!!

  4. Wer schickt das mal an Donald Trump? Könnte sein, dass er sogar bereit und in der Lage wäre, die Weihen Zeilen zu lesen. Aber bitte nicht in der englischen Fassung, die klingt so fürchterlich. Auch Horst Seehofer wäre ein durstiger Adressat.

    1. Götter sind für den Menschen unerreichbar. Mit diesem Vers der 6. Strophe beginnt Schiller, die Wirkungen der Freude zu beschreiben. Er beschreibt, dass man in der Freude den Göttern gleich wird und dass die Sorgen des Lebens in der Freude von den Menschen abfallen.

      1. das auch die Bösen ihrer Rosenspur folgen ist für mich fast die gleiche Metapher wie die Wollust für den Wurm.
        Darwinisten würden sagen: Freude als Ursache der Evolution.

        Und wenn der Cherub VOR Gott steht,
        dann wohl kaum wie gewohnt als Schutz mit dem Rücken zu ihm,
        auch nicht als sein Vorgesetzter
        und auch nicht als sein Angeklagter…
        Die Situation ähnelt mehr dem „Männerstolz VOR Königsthronen“
        zwar nicht bedrohlich für Gott, aber doch (schon fast Blasphemie) auf Augenhöhe –
        weil Freude das Beste ist was selbst ein Gott zu bieten hat und dabei werden Chef und Bodyguard zu vertrauten Freunden

    1. Die Zeit, in der Schiller „An die Freude“ schrieb, ist für Schiller eine Zeit des Übergangs. Er schrieb an seinem Don Carlos, der sich inhaltlich und – besonders – in der Form schon deutlich von den Sturm und Drang Dramen unterschied. Ebenso bearbeitete er seine „Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen“, einer philosophischen Schrift, mit der Schiller quasi auch in Richtung Klassik umschwenkte. So richtig begann seine klassische Schaffensperiode aber erst mit der Zusammenarbeit mit Goethe, und das war 1787.
      Eine Ode ist ja auch immer mit einem Gefühl von Überschwang verbunden und dazu gehört auch die Sprache dieser Ode. Doch deswegen das Gedicht gleich dem Sturm und Drang zuzuordnen, das wäre sicher verkehrt. Inhaltlich befasst sich das Gedicht mit dem (klassischen) Ideal eine Gesellschaft freier Menschen, in der die Freude das Bindeglied ist. So ist die Ode schon eher Schillers klassischer Schaffensperiode zuzuordnen.

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