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Charakterisierung Max Piccolomini aus Friedrich Schillers »Wallenstein«

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(Stimmen: 5 Durchschnitt: 5)

Einen ergreifenden Gegensatz zu dem gefährlichen Charakter von Buttler bildet die liebliche Gestalt des Max Piccolomini. Dieser ist keine geschichtliche Person, sondern ein Erfindung Schillers. Schiller denkt ihn sich (P. I, 1) als eine auf der Grenze zwischen dem Jünglings- und dem Mannesalter stehende kräftige Gestalt, von kriegerischem Geiste beseelt, als einen Liebling Wallensteins, der ihn bereits bis zum Oberst befördert hat, als einen Offizier, der auch bei den übrigen Heerführern in so hohem Ansehen steht, dass er selbst im Kriegsrat neben den erfahreneren Generälen (P. II, 7) seine Stimme erheben darf.

Bei einem Charakter, den der auf das Ideale gerichteter Dichter sich selbst geschaffen hat, dürfen wir uns nicht wundern, wenn er von dem schönen Vorrecht der Jugend, in Idealen zu leben, den ausgedehntesten Gebrauch macht. Sein Max ist die edle, reine Seele mitten in der falschen Welt. Er ist das offene, arglose Herz, dessen er für sein Drama um der künstlerischen Wirkung willen nicht entbehren konnte. Von idealen Anschauungen und Bestrebungen (P. I, 4) erfüllt, ist dem jugendlichen Helden auch sein Feldherr ein Ideal, dessen Glauben an die Sterne er (P. III, 4) mit frommer Ehrfurcht betrachtet. Für Wallensteins Talent als Heerführer hat ihn hohe Begeisterung ergriffen, dem er mit voller Seele ergeben ist. Von der Reinheit seiner eigenen Absichten innerlich durchdrungen, vertraut Max seinem Herzen, das ihm das Rechte sagt, das er liebt wie sein Gewissen und das er (T. II, 2) „das glückliche Gefühl“ nennt, mit dem er frei und unbefangen jedem schönen Trieb gehorchen kann. Darum hasst er alle krummen Wege und erscheint überall als der eifrige Vertreter des sittlichen Prinzips.

Aber Schiller teilt ihm noch eine andere Rolle zu. Während die Geschichte uns berichtet, dass Wallensteins Gemahlin mit ihrer zehnjährigen Tochter Maria Elisabeth sich zur Zeit der unglücklichen Katastrophe in Österreich befand, lässt der Herzog in unserm Drama seine Gattin und die eben zur Jungfrau herangereifte Tochter Thekla zu sich nach Pilsen kommen. Seinem Liebling Max erteilt er den ehrenvollen Auftrag, diejenigen, die seinem Herzen am nächsten stehen, zu ihm zu begleiten. Die Reise, die die Personen aneinander fesselt, führt auch die Herzen zusammen.

In der Seele des jugendlichen Max entwickeln sich die Keime der ersten Liebe. Er verrät dies nicht nur seinem Vater, den die ungewöhnlich weiche Stimmung des Sohnes (P. I, 4) in Erstaunen setzt, sondern er fühlt sich auch selbst (P. III, 3) völlig umgewandelt und sehnt sich aus der kriegerischen Welt heraus, um sich dem ungetrübten Glück des Friedens hingeben zu können. Mit allen Fasern seines Inneren bereits an Wallenstein gefesselt, möchte er in echt jugendlicher Weise ihm nun auch alles verdanken, möchte als schönsten Lohn für seine zehnjährigen treuen Dienst die Geliebte seiner Seele aus der Hand des Vaters empfangen. Aber die wunderbare Empfindung, die zum ersten Mal sein Herz ergriffen hat, hat den sonst so feurigen jungen Mann völlig verändert. Die Neuheit des Verhältnisses macht ihn im Kreis seiner stürmisch erregten Kameraden (P. IV, 6 u. 7) ruhig und besonnen, seiner Geliebten gegenüber (P. III, 5) zaghaft und schüchtern, raubt ihm plötzlich sogar (P. III, 4) das Vertrauen zu seinem Feldherrn, dessen Worte (T. II, 29) „Ja wer durch’s Leben gehet ohne Wunsch, sich jeden Zweck versagen kann“ ihm, der ja jetzt einen Zweck hat, tief in die Seele dringen müssen. Ist es ihm doch schon längst (P. III, 4) so gewesen, als gehe Wallenstein mit dem Gedanken um, seine Tochter einem König (vergl. T. III, V. 86) zu vermählen.

Aber was noch schlimmer ist, Wallensteins anderweitige ehrgeizige Pläne stehen seinem Liebesglück im Wege und drohen, das schöne Band zu zerreißen, das sich so schnell und doch so innig geknüpft hat. Max denkt würdig von seinem Feldherrn, der kann ihm (P. V, 1) keine schlechte Handlung zutrauen. Deshalb begreift er auch seinen eigenen Vater nicht. Er wäre im Stande, eher mit dem Vater zu brechen, als seinen Feldherrn listig zu hintergehen. Die krummen Wege der Staatskunst widerstreben seinem offenen und geraden Wesen. Er muss Licht haben, um klar sehen zu können. Deshalb begibt er sich zu Wallenstein. Das Gespräch (T. II, 2) mit seinem Feldherrn bildet ein wichtiges Stadium in der Entwickelung seines Charakters. „Mein General, du machst mich heute mündig“, das sind die bedeutungsvollen Worte, mit denen er den Entschluss fasst, fortan nicht mehr vertrauensvoll zu gehorchen, sondern selbständig und nach eigener Wahl zu handeln. Und doch wird es ihm schwer, sich an den fürchterlichen Gedanken zu gewöhnen, sein Feldherr lade ein Verbrechen auf sich. Um jeden Preis möchte er das frühere Verhältnis wiederhergestellt sehen. In rührender Weise bittet er ihn, doch wenigstens seine Unschuld zu retten. Aber es ist zu spät.

Jetzt gilt es, einen fürchterlichen Kampf zu kämpfen. Die widerstreitenden Mächte ringen an seiner Seele: die Pflicht der Treue zu seinem Kaiser, das Gefühl der Dankbarkeit für seinen Feldherrn, die Ehrfurcht, die er seinem Vater schuldet, und vor allem die Empfindung der Liebe, von der er nicht mehr lassen kann. Mit bitterem Schmerz muss er sich von seinem Glauben, dem schönen Vertrauen zu der Menschheit, trennen. Seine Liebe ist das einzig Wahre und Lautere, das ihm bleibt. Was soll er aber tun? Gehandelt muss aber einmal werden. Das, was sein Herz verdammt, vermag er nicht mehr zu hindern. Heimliche Flucht würde ihn mit einer unauslöschlichen Schande beladen. Jetzt ist es wiederum sein Herz, das ihm das Richtige sagt. Thekla, die reine Seele, die einzige, die ihn nicht verlässt, sie soll sein Los entscheiden. Aber eben die Reinheit ihrer Seele, die über allen Eigennutz erhaben ist, verweist ihn an seine Pflicht und nötigt ihn somit, den schweren Abschied zu nehmen von allem, was ihm lieb und teuer war. Nachdem er die ernste Soldatenpflicht erfüllt, und leider dem gefährlichen Buttler es auf die Seele gebunden hat, das Leben seines Feldherrn treu zu bewachen, eilt er an der Spitze seiner getreuen Schaaren davon, um als Held den Heldentod zu finden.