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Charakterisierung der Thekla aus Schillers »Wallenstein«

Bewertung:
(Stimmen: 11 Durchschnitt: 2.5)

Eben so wie Max ist auch Thekla eine ideale Gestalt, die Schiller erfunden hat und mit der vollen Hoheit seines poetischen Talents gezeichnet hat. Zwischen stillen Klostermauern erzogen, die sie so eben erst verlassen hat, lernt die mit dem ganzen Zauber jugendlicher Frische ausgestattete Jungfrau den im Gewühl des Kriegslagers aufgewachsenen Heldenjüngling kennen. Gerade die Gegensätze der bisher durchmessenen Laufbahnen bilden den wunderbaren Magnet, der beide aneinander fesselt. Beide finden in dem anderen das, was ihm selbst noch fehlt. Der Funke, „der in die Seele schlägt und trifft und zündet“ (Braut von Messina), er hat auch Theklas Herz getroffen. Mit ihrer Liebe ist ihr ein neues Leben aufgegangen. Hierzu kommt die völlig neue Welt, die ihr entgegen tritt. Es ist die rauschend schmetternde Musik und der Glanz der kriegerischen Scharen. Dürfen wir uns wundern, wenn unter solchen Einflüssen ein tief und lebhaft fühlendes Gemüt sich rasch entwickelt und schnell zur Reife gelangt? Die Worte (P. III, 4): „Spart euch die Mühe, Tante! das hört er besser von mir selbst“ zeigen uns, dass die natürliche Schüchternheit sich schnell in unbedingte Zuversicht verwandelt hat, dass sie fühlt, ihr Herz habe das Richtige getroffen. Wer möchte es unter solchen Umständen tadeln, dass Schiller sie manches bedeutungsvolle Wort sprechen lässt: „Das Spiel des Lebens sieht sich heiter an, wenn man den sichern Schatz im Herzen trägt“. Warum sollte sie das nicht sagen, die bei der Erinnerung an die Wunder, die sie in dem astrologischen Turm gesehen hat (P. III, 4, V. 129), erklären kann:

Es ist ein holder, freundlicher Gedanke,
Daß über uns, in unermessnen Höh’n,
Der Liebe Kranz aus funkelnden Gestirnen,
Da wir erst wurden, schon geflochten ward.

Wie sie sich einer höheren Führung unbedingt vertraut, so vertraut sie auch der Stimme, die in ihrem Inneren erklingt. „Der Zug des Herzens ist ihr des Schicksals Stimme.“ Aber sie steht nicht allein zu Max in Beziehung. Sie erblickt auch andere Personen um sich herum, bei denen sie den harmonischen Zusammenklang der Gemüter gar bald vermisst. Wie die Liebe den Heldenjüngling weich gestimmt und schüchtern gemacht hat, so ist sie, die ja überhaupt mehr ihrem Vater als der Mutter gleicht, durch die Liebe sicher und stark geworden. So warm sie auch empfindet, so verständig ist sie doch in ihrem Urteil. Sie merkt recht bald, dass es der Gräfin Terzky nicht darum geht, ihr Glück zu begründen, sondern dass sie gewisse Nebenabsichten verfolgt. Von Jugend auf mit der Vorstellung genährt, sie sei bestimmt, sich ihrem Vater leidend zu opfern, hat das Schicksal sie plötzlich mit Max zusammengeführt und zeigt ihr eine andere freundlichere Aussicht. Wie aber die Sachen liegen, kann sie auf eine ruhige und friedliche Entwicklung der Verhältnisse, die den Wünschen ihres Herzens entspricht, schwerlich rechnen. Sie verlangt daher Gewissheit von der Gräfin Terzky. Als sie aber ahnt, was ihr bevorsteht, dass sie dem nahenden Unheil nicht wird entfliehen können, da gibt die Liebe ihr den Mut, den Kampf mit dem Schicksal aufzunehmen. Leider aber bemerkt sie nur zu bald, sie wird den feindlichen Gewalten zum Opfer fallen.

Es geht ein finstrer Geist durch unser Haus,
Und schleunig will das Schicksal mit uns enden.

Das sind die ahnungsvollen Worte, mit denen sie der nahenden Gefahr entgegen geht. Und als sie nun selbst (T. III, 21) das entscheidende Wort zu sprechen hat, da siegt bei ihr wie bei Max, das sittliche Gefühl. Sie verzichtet auf ihre schönsten Hoffnungen und ergibt sich in das Schicksal, das feindlich zwischen sie und ihre Liebe tritt. Aber was die Liebe auf immer vereint, das soll der Tod nicht von einander trennen. Die Welt, die sie umgibt, steht in schneidendem Widerspruch mit dem, was ihr Herz erfüllt. Dunkle Ahnungen bevorstehender Schrecken durchziehen ihre Seele. Es ist als ob Geister sie riefen, dem vorangegangenen Max zu folgen. Und so tut sie auch den verhängnisvollen Schritt, den der Dichter in seinem Drama in wohltuendes Dunkel gehüllt hat, um ihn später in lyrischen Klängen (vergl. Das Gedicht Thekla, eine Geisterstimme) vor den Richterstuhl unserer Empfindung zu stellen, hoffend, dass die Liebe gerecht genug sein wird, sich auch mit einem solchen Ausgang zu versöhnen.