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Die Räuber – Text: 2. Akt, 2. Szene

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AMALIA spielt fort.

Nimmer lausch ich deiner Waffen Schalle,
Einsam liegt dein Eisen in der Halle,
Priams großer Heldenstamm verdirbt!
Du wirst hingehn, wo kein Tag mehr scheinet,
Der Cocytus durch die Wüsten weinet,
Deine Liebe in dem Lethe stirbt.

All mein Sehnen, all mein Denken
Soll der schwarze Lethefluß ertränken,
Aber meine Liebe nicht!
Horch! der Wilde rast schon an den Mauren –
Gürte mir das Schwert um, laß das Trauren,
Hektors Liebe stirbt im Lethe nicht!

Franz. Hermann verkappt. Daniel.

FRANZ. Hier ist der Mann. Schröckliche Botschaften, sagt er, warten auf Euch. Könnt Ihr sie hören?

DER ALTE MOOR. Ich kenne nur eine. Tritt her, mein Freund, und schone mein nicht! Reicht ihm einen Becher Wein!

HERMANN mit veränderter Stimme. Gnädiger Herr! laßt es einen armen Mann nicht entgelten, wenn er wider Willen Euer Herz durchbohrt. Ich bin ein Fremdling in diesem Lande, aber Euch kenne ich sehr gut, Ihr seid der Vater Karls von Moor.

DER ALTE MOOR. Woher weißt du das?

HERMANN. Ich kannte Euren Sohn –

AMALIA auffahrend. Er lebt? lebt? Du kennst ihn? wo ist er? wo, wo? Will hinwegrennen.

DER ALTE MOOR. Du weißt von meinem Sohn?

HERMANN. Er studierte in Leipzig. Von da zog er, ich weiß nicht wie weit, herum. Er durchschwärmte Deutschland in die Runde und, wie er mir sagte, mit unbedecktem Haupt, barfuß, und erbettelte sein Brot vor den Türen. Fünf Monate drauf brach der leidige Krieg zwischen Preußen und Österreich wieder aus, und da er auf der Welt nichts mehr zu hoffen hatte, zog ihn der Hall von Friederichs siegreicher Trommel nach Böhmen. Erlaubt mir, sagte er zum großen Schwerin, daß ich den Tod sterbe auf dem Bette der Helden, ich hab keinen Vater mehr!

DER ALTE MOOR. Sieh mich nicht an, Amalia!

HERMANN. Man gab ihm eine Fahne. Er flog den preußischen Siegesflug mit. Wir kamen zusammen unter ein Zelt zu liegen. Er sprach viel von seinem alten Vater und von bessern vergangenen Tagen – und von vereitelten Hoffnungen – uns standen die Tränen in den Augen.

DER ALTE MOOR verhüllt sein Haupt in das Kissen. Stille, o stille!

HERMANN. Acht Tage drauf war das heiße Treffen bei Prag – ich darf Euch sagen, Euer Sohn hat sich gehalten wie ein wackerer Kriegsmann. Er tat Wunder vor den Augen der Armee. Fünf Regimenter mußten neben ihm wechseln, er stand. Feuerkugeln fielen rechts und links, Euer Sohn stand. Eine Kugel zerschmetterte ihm die rechte Hand, Euer Sohn nahm die Fahne in die Linke, und stand –

AMALIA in Entzückung. Hektor, Hektor! hört Ihrs? Er stand –

HERMANN. Ich traf ihn am Abend der Schlacht niedergesunken unter Kugelgepfeife, mit der Linken hielt er das stürzende Blut, die Rechte hatte er in die Erde gegraben. Bruder! rief er mir entgegen, es lief ein Gemurmel durch die Glieder, der General sei vor einer Stunde gefallen – er ist gefallen, sagt ich, und du? – Nun, wer ein braver Soldat ist, rief er und ließ die linke Hand los, der folge seinem General wie ich! Bald darauf hauchte er seine große Seele dem Helden zu.

FRANZ wild auf Hermann losgehend. Daß der Tod deine verfluchte Zunge versiegle! Bist du hieher kommen, unserem Vater den Todesstoß zu geben? – Vater! Amalia! Vater!

HERMANN. Es war der letzte Wille meines sterbenden Kameraden. Nimm dies Schwert, röchelte er, du wirsts meinem alten Vater überliefern, das Blut seines Sohnes klebt daran, er ist gerochen, er mag sich weiden. Sag ihm, sein Fluch hätte mich gejagt in Kampf und Tod, ich sei gefallen in Verzweiflung! Sein letzter Seufzer war Amalia!

AMALIA wie aus einem Todesschlummer aufgejagt. Sein letzter Seufzer, Amalia!

DER ALTE MOOR gräßlich schreiend, sich die Haare ausraufend. Mein Fluch ihn gejagt in den Tod! gefallen in Verzweiflung!

FRANZ umherirrend im Zimmer. Oh! was habt Ihr gemacht, Vater? Mein Karl, mein Bruder!

HERMANN. Hier ist das Schwert, und hier ist auch ein Porträt, das er zu gleicher Zeit aus dem Busen zog! Es gleicht diesem Fräulein auf ein Haar. Dies soll meinem Bruder Franz, sagte er, – ich weiß nicht, was er damit sagen wollte.

FRANZ wie erstaunt. Mir? Amalias Porträt? Mir, Karl, Amalia? Mir?

AMALIA heftig auf Hermann losgehend. Feiler, bestochener Betrüger! Faßt ihn hart an.

HERMANN. Das bin ich nicht, gnädiges Fräulein. Sehet selbst, obs nicht Euer Bild ist – Ihr mögts ihm wohl selbst gegeben haben.

FRANZ. Bei Gott! Amalia, das deine! Es ist wahrlich das deine!

AMALIA gibt ihm das Bild zurück. Mein, mein! O Himmel und Erde!

DER ALTE MOOR schreiend, sein Gesicht zerfleischend. Wehe, wehe! mein Fluch ihn gejagt in den Tod! gefallen in Verzweiflung!

FRANZ. Und er gedachte meiner in der letzten schweren Stunde des Scheidens, meiner! Englische Seele – da schon das schwarze Panier des Todes über ihm rauschte – meiner! –

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