Die Vorigen. Maria. Sie ist weiß und festlich gekleidet, am Halse trägt sie an einer Kette von kleinen Kugeln ein Agnus Dei, ein Rosenkranz hängt am Gürtel herab, sie hat ein Kruzifix in der Hand und ein Diadem in den Haaren, ihr großer schwarzer Schleier ist zurückgeschlagen. Bei ihrem Eintritt weichen die Anwesenden zu bei den Seiten zurück und drücken den heftigsten Schmerz aus. Melvil ist mit einer unwillkürlichen Bewegung auf die Knie gesunken.
Maria (mit ruhiger Hoheit im ganzen Kreise herumsehend).
Was klagt ihr? Warum weint ihr? Freuen solltet
Ihr euch mit mir, daß meiner Leiden Ziel
Nun endlich naht, daß meine Bande fallen,
Mein Kerker aufgeht und die frohe Seele sich
Auf Engelsflügeln schwingt zu ew’gen Freiheit.
Da, als ich in die Macht der stolzen Feindin
Gegeben war, Unwürdiges erduldend,
Was einer freien großen Königin
Nicht ziemt, da war es Zeit, um mich zu weinen!
– Wohltätig, heilend nahet mir der Tod,
Der ernste Freund! Mit seinen schwarzen Flügeln
Bedeckt er meine Schmach – den Menschen adelt,
Den tiefstgesunkenen, das letzte Schicksal.
Die Krone fühl ich wieder auf dem Haupt,
Den würd’gen Stolz in meiner edeln Seele!
(Indem sie einige Schritte weiter vortritt.)
Wie? Melvil hier? – Nicht also, edler Sir!
Steht auf! Ihr seid zu Eurer Königin
Triumph, zu ihrem Tode nicht gekommen.
Mir wird ein Glück zuteil, wie ich es nimmer
Gehoffet, daß mein Nachruhm doch nicht ganz
In meiner Feinde Händen ist, daß doch
Ein Freund mir, ein Bekenner meines Glaubens,
Als Zeuge dasteht in der Todesstunde.
– Sagt, edler Ritter! Wie erging es Euch
In diesem feindlichen, unholden Lande,
Seitdem man Euch von meiner Seite riß?
Die Sorg‘ um Euch hat oft mein Herz bekümmert.
Melvil.
Mich drückte sonst kein Mangel als der Schmerz
Um dich, und meine Ohnmacht, dir zu dienen.
Maria.
Wie steht’s um Didier, meinen alten Kämmrer?
Doch der Getreue schläft wohl lange schon
Den ew’gen Schlaf, denn er war hoch an Jahren.
Melvil.
Gott hat ihm diese Gnade nicht erzeigt,
Er lebt, um deine Jugend zu begraben.
Maria.
Daß mir vor meinem Tode noch das Glück
Geworden wäre, ein geliebtes Haupt
Der teuern Blutsverwandten zu umfassen!
Doch ich soll sterben unter Fremdlingen,
Nur eure Tränen soll ich fließen sehn!
– Melvil, die letzten Wünsche für die Meinen
Leg ich in Eure treue Brust – Ich segne
Den allerchristlichsten König, meinen Schwager,
Und Frankreichs ganzes königliches Haus –
Ich segne meinen Öhm, den Kardinal,
Und Heinrich Guise, meinen edlen Vetter.
Ich segne auch den Papst, den heiligen
Statthalter Christi, der mich wiedersegnet,
Und den kathol’schen König, der sich edelmütig
Zu meinem Retter, meinem Rächer anbot –
Sie alle stehn in meinem Testament,
Sie werden die Geschenke meiner Liebe,
Wie arm sie sind, darum gering nicht achten.
(Sich zu ihren Dienern wendend.)
Euch hab ich meinem königlichen Bruder
Von Frankreich anempfohlen, er wird sorgen
Für euch, ein neues Vaterland euch geben.
Und ist euch meine letzte Bitte wert,
Bleibt nicht in England, daß der Brite nicht
Sein stolzen Herz an eurem Unglück weide,
Nicht die im Staube seh‘, die mir gedient.
Bei diesem Bildnis des Gekreuzigten
Gelobet mir, dies unglücksel’ge Land
Alsbald, wenn ich dahin bin, zu verlassen!