HomeText: Maria Stuart5. AktMaria Stuart – 5. Auftritt, 7. Auftritt

Maria Stuart – 5. Auftritt, 7. Auftritt

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Maria. Melvil.

Maria.
Ich habe alles Zeitliche berichtigt
Und hoffe, keines Menschen Schuldnerin
Aus dieser Welt zu scheiden – Eins nur ist’s,
Melvil, was der beklemmten Seele noch
Verwehrt, sich frei und freudig zu erheben.

Melvil.
Entdecke mir’s. Erleichtre deine Brust,
Dem treuen Freund vertraue deine Sorgen.

Maria.
Ich stehe an dem Rand der Ewigkeit,
Bald soll ich treten vor den höchsten Richter,
Und noch hab ich den Heil’gen nicht versöhnt.
Versagt ist mir der Priester meiner Kirche.
Des Sakramentes heil’ge Himmelspeise
Verschmäh ich aus den Händen falscher Priester.
Im Glauben meiner Kirche will ich sterben,
Denn der allein ist’s, welcher selig macht.

Empfehlungen Lektüreschlüssel

Melvil.
Beruhige dein Herz. Dem Himmel gilt
Der feurig fromme Wunsch statt des Vollbringens.
Tyrannenmacht kann nur die Hände fesseln,
Des Herzens Andacht hebt sich frei zu Gott;
Das Wort ist tot, der Glaube macht lebendig.

Maria.
Ach Melvil! Nicht allein genug ist sich
Das Herz, ein irdisch Pfand bedarf der Glaube,
Das hohe Himmlische sich zuzueignen.
Drum ward der Gott zum Menschen und verschloß
Die unsichtbaren himmlischen Geschenke
Geheimnisvoll in einem sichtbarn Leib.
– Die Kirche ist’s, die heilige, die hohe,
Die zu dem Himmel uns die Leiter baut;
Die allgemeine, die kathol’sche heißt sie:
Denn nur der Glaube aller stärkt den Glauben;
Wo Tausende anbeten und verehren,
Da wird die Glut zur Flamme, und beflügelt
Schwingt sich der Geist in alle Himmel auf.
– Ach die Beglückten, die das froh geteilte
Gebet versammelt in dem Haus des Herrn!
Geschmückt ist der Altar, die Kerzen leuchten,
Die Glocke tönt, der Weihrauch ist gestreut,
Der Bischof steht im reinen Meßgewand,
Er faßt den Kelch, er segnet ihn, er kündet
Das hohe Wunder der Verwandlung an,
Und niederstürzt dem gegenwärt’gen Gotte
Das gläubig überzeugte Volk – Ach! Ich
Allein bin ausgeschlossen, nicht zu mir
In meinen Kerker dringt der Himmelsegen.

Melvil.
Er dringt zu dir! Er ist dir nah! Vertraue
Dem Allvermögenden – der dürre Stab
Kann Zweige treiben in des Glaubens Hand!
Und der dir die Quelle aus dem Felsen schlug,
Kann dir im Kerker den Altar bereiten,
Kann diesen Kelch, die irdische Erquickung,
Dir schnell in eine himmlische verwandeln.
(Er ergreift den Kelch, der auf dem Tische steht.)

Maria.
Melvil! Versteh ich Euch? Ja! Ich versteh Euch!
Hier ist kein Priester, keine Kirche, kein
Hochwürdiges – Doch der Erlöser spricht:
„Wo zwei versammelt sind in meinem Namen,
Da bin ich gegenwärtig unter ihnen.“
Was weiht den Priester ein zum Mund des Herrn?
Das reine Herz, der unbefleckte Wandel.
– So seid Ihr mir, auch ungeweiht, ein Priester,
Ein Bote Gottes, der mir Frieden bringt.
– Euch will ich meine letzte Beichte tun,
Und Euer Mund soll mir das Heil verkünden.

Melvil.
Wenn dich das Herz so mächtig dazu treibt,
So wisse, Königin, daß dir zum Troste
Gott auch ein Wunder wohl verrichten kann.
Hier sei kein Priester, sagst du, keine Kirche,
Kein Leib des Herrn? – Du irrest dich. Hier ist
Ein Priester, und ein Gott ist hier zugegen.
(Er entblößt bei diesen Worten das Haupt, zugleich zeigt er ihr eine Hostie in einer goldenen Schale.)
– Ich bin ein Priester; deine letzte Beichte
Zu hören, dir auf deinem Todesweg
Den Frieden zu verkündigen, hab ich
Die sieben Weihn auf meinem Haupt empfangen,
Und diese Hostie überbring ich dir
Vom Heil’gen Vater, die er selbst geweihet.

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