HomeText: Maria Stuart5. AktMaria Stuart – 5. Auftritt, 7. Auftritt

Maria Stuart – 5. Auftritt, 7. Auftritt

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Maria.
O so muß an der Schwelle selbst des Todes
Mir noch ein himmlisch Glück bereitet sein!
Wie ein Unsterblicher auf goldnen Wolken
Herniederfährt, wie den Apostel einst
Der Engel führte aus des Kerkers Banden,
Ihn hält kein Riegel, keines Hüters Schwert,
Er schreitet mächtig durch verschloßne Pforten,
Und im Gefängnis steht er glänzend da –
So überrascht mich hier der Himmelsbote,
Da jeder ird’sche Retter mich getäuscht!
– Und Ihr, mein Diener einst, seid jetzt der Diener
Des höchsten Gottes und sein heil’ger Mund!
Wie Eure Kniee sonst vor mir sich beugten,
So lieg ich jetzt im Staub vor Euch.
(Sie sinkt vor ihm nieder.)

Melvil (indem er das Zeichen des Kreuzes über sie macht).
Im Namen
Des Vaters und des Sohnes und des Geistes!
Maria, Königin! Hast du dein Herz
Erforschet, schwörst du und gelobest du,
Wahrheit zu beichten vor dem Gott der Wahrheit?

Maria.
Mein Herz liegt offen da vor dir und ihm.

Melvil.
Sprich, welcher Sünde zeiht dich dein Gewissen,
Seitdem du Gott zum letztenmal versöhnt?

Maria.
Von neid’schem Hasse war mein Herz erfüllt,
Und Rachgedanken tobten in dem Busen.
Vergebung hofft‘ ich Sünderin von Gott
Und konnte nicht der Gegnerin vergeben.

Melvil.
Bereuest du die Schuld, und ist’s dein ernster
Entschluß, versöhnt aus dieser Welt zu scheiden?

Maria.
So wahr ich hoffe, daß mir Gott vergebe.

Melvil.
Welch andrer Sünde klagt das Herz dich an?

Maria.
Ach, nicht durch Haß allein, durch sünd’ge Liebe
Noch mehr hab ich das höchste Gut beleidigt.
Das eitle Herz ward zu dem Mann gezogen,
Der treulos mich verlassen und betrogen!

Melvil.
Bereuest du die Schuld, und hat dein Herz
Vom eiteln Abgott sich zu Gott gewendet?

Maria.
Es war der schwerste Kampf, den ich bestand,
Zerrissen ist das letzte ird’sche Band.

Melvil.
Welch andrer Schuld verklagt dich dein Gewissen?

Maria.
Ach, eine frühe Blutschuld, längst gebeichtet,
Sie kehrt zurück mit neuer Schreckenskraft
Im Augenblick der letzten Rechenschaft
Und wälzt sich schwarz mir vor des Himmels Pforten:
Den König, meinen Gatten, ließ ich morden,
Und dem Verführer schenkt‘ ich Herz und Hand!
Streng büßt‘ ich’s ab mit allen Kirchenstrafen,
Doch in der Seele will der Wurm nicht schlafen.

Melvil.
Verklagt das Herz dich keiner andern Sünde,
Die du noch nicht gebeichtet und gebüßt?

Maria.
Jetzt weißt du alles, was mein Herz belastet.

Melvil.
Denk an die Nähe des Allwissenden!
Der Strafen denke, die die heil’ge Kirche
Der mangelhaften Beichte droht! Das ist
Die Sünde zu dem ew’gen Tod, denn das
Ist wider seinen Heil’gen Geist gefrevelt!

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