HomeText: Wilhelm Tell4. AktWilhelm Tell – Text: 4. Aufzug, 2. Szene

Wilhelm Tell – Text: 4. Aufzug, 2. Szene

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Attinghausen:
Die festen Burgen aber in den Landen?

Melchtal:
Sie fallen alle an dem gleichen Tag.

Attinghausen:
Und sind die Edeln dieses Bunds teilhaftig?

Stauffacher:
Wir harren ihres Beistands, wenn es gilt,
Jetzt aber hat der Landmann nur geschworen.

Attinghausen richtet sich langsam in die Höhe, mit großem Erstaunen:
Hat sich der Landmann solcher Tat verwogen,
Aus eignem Mittel, ohne Hülf der Edeln,
Hat er der eignen Kraft so viel vertraut –
Ja, dann bedarf es unserer nicht mehr,
Getröstet können wir zu Grabe steigen,
Es lebt nach uns – durch andre Kräfte will
Das Herrliche der Menschheit sich erhalten.

Er legt seine Hand auf das Haupt des Kindes, das vor ihm auf den Knieen liegt.

Aus diesem Haupte, wo der Apfel lag,
Wird euch die neue bessre Freiheit grünen,
Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit,
Und neues Leben blüht aus den Ruinen.

Stauffacher zu Walther Fürst:
Seht, welcher Glanz sich um sein Aug‘ ergießt!
Das ist nicht das Erlöschen der Natur,
Das ist der Strahl schon eines neuen Lebens.

Attinghausen:
Der Adel steigt von seinen alten Burgen,
Und schwört den Städten seinen Bürgereid,
Im Üchtland schon, im Thurgau hat’s begonnen,
Die edle Bern erhebt ihr herrschend Haupt,
Freiburg ist eine sichre Burg der Freien,
Die rege Zürich waffnet ihre Zünfte
Zum kriegerischen Heer – Es bricht die Macht
Der Könige sich an ihren ew’gen Wällen –

Er spricht das Folgende mit dem Ton eines Sehers – seine Rede steigt bis zur Begeisterung:

Die Fürsten seh‘ ich und die edeln Herrn
In Harnischen herangezogen kommen,
Ein harmlos Volk von Hirten zu bekriegen.
Auf Tod und Leben wird gekämpft und herrlich
Wir mancher Pass durch blutige Entscheidung.
Der Landmann stürzt sich mit der nackten Brust,
Ein freies Opfer, in die Schar der Lanzen,
Er bricht sie, und des Adels Blüte fällt,
Es hebt die Freiheit siegend ihre Fahne.

Walther Fürsts und Stauffachers Hände fassend:

Drum haltet fest zusammen – fest und ewig –
Kein Ort der Freiheit sei dem andern fremd –
Hochwachten stellet aus auf euren Bergen,
Dass sich der Bund zum Bunde rasch versammle –
Seid einig – einig – einig –

Er fällt in das Kissen zurück – seine Hände halten entseelt noch die andern gefasst. Fürst und Stauffacher betrachten ihn noch eine Zeitlang schweigend, dann treten sie hinweg, jeder seinem Schmerz überlassen. Unterdessen sind die Knechte still hereingedrungen, sie nähern sich mit Zeichen eines stillern oder heftigern Schmerzens, einige knieen bei ihm nieder und weinen auf seine Hand, während dieser stummen Szene wird die Burgglocke geläutet.

Rudenz zu den Vorigen.

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